Museum der vergessenen Geheimnisse

Roman
850 Seiten, Hardcover
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ISBN 9783854207726
Erscheinungsdatum 06.09.2010
Genre Belletristik/Erzählende Literatur
Verlag Literaturverlag Droschl
Übersetzung Alexander Kratochvil
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HerstellerangabenAnzeigen
Literaturverlag Droschl
Stenggstraße 33 | AT-8043 Graz
office@droschl.com
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Kurzbeschreibung des Verlags

Oksana Sabuschkos zweiter Roman ist eine schonungslose, mutige und manchmal schockierende Abrechnung mit den gesellschaftlichen Verhältnissen der Ukraine. In einem komplexen Panorama erzählt sie die Geschichte dreier Frauen und damit auch die schwierige und verworrene Geschichte der Ukraine im 20. Jahrhundert. Daryna ist Fernsehproduzentin in Kiew. Eines Tages entdeckt sie ein Foto der Partisanin Helzja, Mitglied der Ukrainischen Aufstandsarmee in den 40er Jahren, und beschließt, ihre Geschichte in einer Dokumentation aufzuarbeiten, umso mehr, als sie sich im Zuge ihrer Recherchen in Helzjas Enkel verliebt. Fast zur selben Zeit kommt Darynas beste Freundin bei einem Unfall ums Leben, die Malerin Wlada, deren international hoch gehandelte Gemäldeserie 'Geheimnisse' bei diesem Unfall verschwindet. Geheimnisse – vor den Bolschewiken vergrabene Ikonen, geheimniskrämerische Mädchenspiele, von der offiziellen Geschichtsschreibung Verschwiegenes, das Unausgesprochene zwischen Männern und Frauen – dieses Motiv durchzieht den überbordend erzählten Roman, der eine erstrangige Mentalitätsgeschichte eines paradigmatischen osteuropäischen Landes darstellt. Oksana Sabuschkos neues Buch ist noch offensiver als ihr Erfolgsroman Feldstudien über ukrainischen Sex, sie verschont weder die Helden der ukrainischen Geschichte noch deren Opfer, weder die Jahrzehnte unter der russischen Sowjetherrschaft noch die ersten beiden Jahrzehnte der Unabhängigkeit, und – da sich der gesellschaftliche Machtkampf gerade auch im Sexuellen spiegelt – weder Männer noch Frauen. Ihre Fragen gehen uns alle an: Ist es vernünftig, die 'stillgelegten Geheimnisse' der Geschichte auszugraben – oder sollte man sie aus Sicherheitsgründen gar nicht erst berühren? Wie gehen wir mit den Traumata der Vergangenheit um, von denen wir gar nicht wissen, dass wir sie geerbt haben? Rezensionszitat: 'Das Buch fesselt den Leser von der ersten Seite an, was für alle Bücher von Sabuschko zutrifft – ihr fieberhafter, aufgewühlter und äußerst verwickelter Diskurs strahlt eine solche Energie aus, dass der Leser sich dem Willen der Autorin fügen muss, sich am Schopf packen und in den Strudel hineinziehen lässt. Dieses Buch, seit seinem Erscheinen die Nr. 1 aller ukrainischen Bestsellerlisten, ist von so großer Bedeutung, dass Oksana Sabuschko von den Kritikern bereits als zweiter Dostojewski bezeichnet wird … Hier wird die ganze bittere und harte Wahrheit über unsere heutige Realität erzählt.' UNIAN (Ukrainische staatliche Nachrichtenagentur) Textauszug: Ich neige inzwischen zur Ansicht, dass das menschliche Leben nicht nur eine episch aufbereitete Story mit Personal (Eltern, Kinder, Geliebte, Freunde, Kollegen, wer noch …?) ist, die man als mehr oder weniger komplette Abbildung an die Nachfahren weiterreichen kann, so sieht es nur ein fremder Blick, eine Perspektive auf das Leben wie durch das umgedrehte Ende eines Fernrohrs, durch die Linsen verschiedener kurzgefasster Lebensläufe, autobiografischer Anekdoten und Küchengeschichten, der Privatmythen, also das fortwährende Zurechtstutzen der Form für das menschliche Auge; betrachtet man das Leben dagegen aus seiner Mitte heraus, erscheint es wie ein gewaltiger, unförmiger Koffer, vollgestopft mit – für andere überflüssigem – Kram, und diesen Koffer nimmt der Mensch unwiederbringlich mit sich, wenn er diese Welt verlässt. Unterwegs fällt freilich für die Lebenden zum Andenken das eine oder andere Überbleibsel aus dem nicht ganz geschlossenen Koffer (der Wunsch nach einem letzten Birnenkompott, ein schwungvoller Ballettschritt, ein Schwung von unten nach oben ähnlich wie beim Hochsprung) und bleibt, bis es vermodert, in den Köpfen der Finder … jedes Mal wenn ich auf so ein verirrtes Überbleibsel stoße, verspüre ich kaum merklich eine dumpfe Schuld wegen meiner Ratlosigkeit, als könne sich in dem zufälligen Überbleibsel ein Schlüssel verbergen, ein verlorener Code für einen tieferen, verborgenen Sinn des fremden Lebens, und dieser Schlüssel ist mir in die Hände gegeben und ich weiß nicht, in welches Schloss er gehört, und noch schlimmer, ob es dieses Schloss überhaupt gibt …

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ISBN 9783854207726
Erscheinungsdatum 06.09.2010
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Verlag Literaturverlag Droschl
Übersetzung Alexander Kratochvil
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FALTER-Rezension

Mysterien einer Frauentasche

Erich Klein in FALTER 46/2010 vom 19.11.2010 (S. 31)

Oksana Sabuschko lässt ihren Romanfiguren die Geschichte der Ukraine durch die Köpfe spuken

Mit der orangenen Revolution trat 2004 ein halbes Dutzend ukrainischer Autorinnen und Autoren auf den Plan, von denen der Westen noch nie gehört hatte. Die "Feldstudien über ukrainischen Sex" von Oksana Sabuschko
(Jg. 1960) kamen da gerade recht, auch wenn das Buch schon zehn Jahre alt war. Die Philosophin, Essayistin und Lyrikerin schrieb darin über alles Mögliche – spät-
sowjetische Depression, Schreiben, Selbstmord, nationale Identität. Sex kam eher wenig vor, aber der Werbegag funktionierte.
Vor großen ukrainischen Fragen hatte Sabuschko, die während der 90er-Jahre hauptsächlich in den USA lebte, keine Angst: Essayistisch zerpflückte sie ein Nationalheiligtum, den "Mythos Taras Schewtschenko" (1996), in jüngerer Zeit folgten die bislang unübersetzten "Texte zur ukrainischen Revolution" (2005) und "Notre Dame d'Ukraine" (2007). Die Paradefeministin und ukrainische Pen-Präsidentin rief auch Neider auf den Plan – ihr Wiki-Eintrag wurde kürzlich mit dem despektierlichen Hinweis "Mitglied der
KPdSU und des Sowjetischen Schriftstellerverbandes" versehen.

"Museum der vergessenen Geheimnisse" ist ein ehrgeiziges Unterfangen. Der 760-Seiten-Roman will Geschichtsunterricht, moralischer Traktat, Thriller und Lexikon aller möglichen Ausdrücke des Ukrainischen (samt Slang) sein; und diesmal geht es tatsächlich auch um Sex.
Motto ist eine Aufschrift aus einer Zelle des Lemberger KGB-Gefängnisses von 1952: "Willst du wissen, was mit uns ist? Warte auf uns." Im Roman wird das später so erklärt: "Woher haben wir die ständige Überheblichkeit gegenüber der Vergangenheit, die unüberwindbare dumpfe Überzeugung, dass wir Jetzige entschieden klüger als die Damaligen seien – doch nur deshalb, weil wir ihre Zukunft kennen." Und die war düster, tragisch und vergeblich.
Daryna, Leiterin eines staatlichen Fernsehprogramms in Kiew, wird Adrian lieben – wenn man das bei einer Erzählung, deren Figuren über keine besonders deutlichen Grenzen verfügen, so eindeutig sagen kann. Ein vergilbtes Foto setzt Erinnerungen (der Erzählerin?) an die Zeit vor dem Farbfernseher und an Sowjettage in Gang; an die ersten, von kanadischen Verwandten geschickten Levi's-Jeans, vermischt mit dem obskuren Duft von Krasnaja Moskwa, dem berühmtesten aller sowjetischen Parfüms. Der erste Sex ist monoton wie die Musik von Philip Glass. War so viel Westlertum vonnöten?
Auf dem Foto ist die Partisanin Helzja zu sehen, die mit "aristokratisch ungezwungener Selbstverständlichkeit im Wald umgeben von vier Männern mit Maschinenpistole posierte". Während sich Daryna in deren Anblick verliert, macht sich ihr Ex Artjom an ihrem Rockschlitz zu schaffen – schon nestelt er am Slip herum: "Aber ich konnte das Foto nicht einfach bei Artjom lassen. Es war meines, oder besser gesagt, es wurde zu meinem. Aber nicht etwa, weil ich mich über diesem Foto widerstandslos, gar zu willig ficken ließ, sondern eher im Gegenteil: widerstandslos, weil ein fremder Wille von mir Besitz ergriffen hatte."
Die Geheimnisse der Ukraine (mit ein bisschen Helmut-Newton-Kitsch) im Staatsarchiv haben ihren Gegenpol in der ironisch gebrochenen Geschichte von Darynas Künstlerfreundin Wladislawa, Spezialistin "für alle weiblichen Geheimnisse", wozu auch vergrabene Ikonen und Kinderspiele in der Sandkiste gehören.
Ihre bekannteste Arbeit trägt den Titel "Der Inhalt einer Frauentasche aufgefunden am Unfallort". Auf mysteriöse Weise wird Wlada bei einem Autounfall in der Nähe Kiews umkommen – an einer "unreinen" Stelle, wo in den 1990er-Jahren auch einige Politiker verunglücken.

Was auf den nächsten 600 Seiten passiert, ist nicht mehr ganz einfach wiederzugeben. Daryna begegnet Adrian, dem Enkel der Partisanin Helzja/Olena; über endlos wuchernde essayistische Abschweifungen, unzählige Erzählstränge und Gespräche über die tragische Geschichte der Ukraine im 20. Jahrhundert hinweg "vereinigen" sich die beiden. Die Kollaboration mit den Nazis und der Kampf gegen die Sowjets spielen als Traumsequenzen in die Gegenwart der Figuren hinein. Noch immer lauten die zentralen Fragen: Wer war dabei? Wer war dagegen?
Oksana Sabuschkos "Museum der vergessenen Geheimnisse" deutet vieles – etwa die Hungersnot der 1930er-Jahre – nur an; durch die Köpfe ihrer Figuren spuken Weltverschwörungen und Konspirationen aller Art. Erst im Schlussmonolog des Archivars Pawlo Iwanyowitsch löst Sabuschko ein, was man lange Zeit schmerzlich vermisste: Spannung, wie sie bei der Suche nach großen historischen Wahrheiten angebracht ist. Überraschendes, sarkastisches Ergebnis: War ein KGB-Mann irgendwie der Retter?
Ob es sich um ein Jahrhundertbuch handelt, sei dahingestellt. Aber die Wahrheit ist nie einfach zu haben, und die jüngsten Entwicklungen der Ukraine machen das Buch ohnedies zur Pflichtlektüre.

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