

Andreas Unterweger schickt einen Parenthesefixierten Ich-Erzähler auf eine schottische Insel, auf der nichts los ist
Christof Huemer in FALTER 5/2011 vom 04.02.2011 (S. 42)
Auf der letzten Seite sagt "Er" es endlich zu seiner Frau: "Du bist mein Meer." Das macht Andreas Unterwegers zweites Buch endgültig zu einem Buch an die Liebe, vor allem aber zu einem sehr effizienten Werk. Effizient, weil er es, so gibt er an, in Pittenweem und St. Johann von März bis Mai 2010 geschrieben hat: Kaum drei Monate sind für einen Roman, selbst für einen so kurzen, keine lange Zeit (und Pittenweem ist eine schottische Insel). Effizient ist der Roman aber auch aufgrund des so universellen Sujets: Ein Kind ist unterwegs. Das macht sprachlos. Im großen Warten fährt das namenlose Paar daher noch einmal ans Meer. Zitat: "
für sechs Tage. (Damit sie einmal noch – ein letztes Mal!, denkt er – allein sein können [besser gesagt: zu zweit]
)".
Unterweger schickt seinen Parenthese-
fixierten Ich-Erzähler, der in der dritten Person von sich spricht, also auf eine schottische Insel und dort passiert dann nichts; das heißt, fast nichts; einmal regnet es. Es gehören diese Momente der privaten Ereignislosigkeit zu den schönsten des schmalen Buches. Weil sie, auch gerade durch die einfache, sich manchmal nach Aphorismen reckende Sprache, etwas Wirkliches haben.
Unterweger aber gibt sich mit der Reproduktion dieser vielen Wartezimmer nicht zufrieden. Er ergänzt sie durch Reflexionen über die Unmöglichkeit, eine Geschichte zu erzählen; er zieht zusätzliche Ebenen ein; er suggeriert, wie das vorliegende Buch zu lesen sei, nämlich als Reihe impressionistischer Miniaturen, und setzt dabei oft mehr auf Cleverness
als auf Atmosphäre. Es gibt also viel Autorenwollen, manchmal lässt das einfache Beobachtungen fingiert wirken. "Er" stürmt etwa zwei Seiten, bevor die Herkunft des Wortes "Elend" geklärt wird, in ein Kaffeehaus; "Sie, ganz in ihr Buch vertieft (reglos, als ob sie Modell säße), bemerkt ihn nicht." Ein bisschen von der Stange, oder? Zumeist aber bringt Unterweger die Abenteuer Schreiben und Liebe intelligent und mit viel Wärme zusammen. "Meer" braucht man oft gar nicht.