

Julia Kospach in FALTER 39/2015 vom 23.09.2015 (S. 34)
Sie beobachte, schreibt Ilse Helbich, wie mit dem allmählichen Schwinden des Augenlichts auch „mein Sinn für das Wirkliche als das Sichtbare sich mehr und mehr verflüchtigt“. Der Vorgang ist eine der vielen „Schmelzungen“, die dem neuen Buch der Wiener Schriftstellerin seinen Titel geben. Es handelt sich um ein Mosaik glasklarer, völlig unsentimentaler Selbstbetrachtungen, so kurz und lakonisch wie sie nur sein können. Helbichs Thema ist das Ineinanderfließen der Erscheinungen, die das hohe Alter mit sich bringt: Erinnern und Vergessen, Diesseits und Jenseits, Traum und Wirklichkeit.
Die Autorin ist fast 94, ihr erster Roman „Schwalbenschrift“ erschien, als sie 80 war. Seither hat sie Jahr um Jahr schmale Bücher mit hochkonzentriertem Inhalt vorgelegt, in denen Erinnerung und Alter die Hauptrollen spielen. „Schmelzungen“ erzählt vom Hochseilakt des Greisenalters, wo die Existenz kostbar wird. Mit Ilse Helbich kann man Altern lernen.