Verlorene Nachbarschaft

Jüdische Emigration von der Donau an den Rio de la Plata
360 Seiten, Hardcover
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ISBN 9783854763444
Erscheinungsdatum 01.10.2010
Genre Sachbücher/Geschichte/Zeitgeschichte (1945 bis 1989)
Verlag Mandelbaum Verlag eG
Herausgegeben von Alexander Litsauer, Barbara Litsauer
LieferzeitLieferbar in 14 Tagen
HerstellerangabenAnzeigen
Mandelbaum Verlag eG
Wipplingerstraße 23 | AT-1010 Wien
office@mandelbaum.at
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Kurzbeschreibung des Verlags

Während und nach dem Zweiten Weltkrieg emigrierten ca. 40.000 deutschsprachige Juden nach Argentinien. Die Gemeinde ist auch heute noch eine der größten weltweit. 2008, also 70 Jahre nach der Pogromnacht, stand eine 1938 zerstörte Wiener Synagoge für zwei Wochen in einem Park im Zentrum von Buenos Aires. Dort fanden auch Treffen, Dialoge, Multimedia-Vorführungen, Schulprojekte und andere Veranstaltungen statt.
Das Buch dokumentiert dieses Projekt, bringt Portraits von Zeitzeugen, Aufsätze über die Flucht, die schwierige Existenzgründung und vermittelt einen Eindruck vom vielschichtigen jüdischen Leben in Argentinien heute. Die AutorInnen stellen die Geschichte beider Länder nebeneinander, ohne sie dabei gleichzusetzen. Im Falle Österreichs die Zeit der Vertreibung der ehemaligen jüdischen Nachbarn und anderer Minderheiten und im Falle Argentiniens die systematische Verfolgung und die Alltäglichkeit des Verschwindens vermeintlich politisch Andersdenkender während der Militärdiktatur.
Es schreiben bekannte österreichische und argentinische LiteratInnen, PolitologInnen, JuristInnen, HistorikerInnen und PsychologInnen. Das Buch enthält auch eine Vielzahl historischer und gegenwärtiger Abbildungen.

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ISBN 9783854763444
Erscheinungsdatum 01.10.2010
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Verlag Mandelbaum Verlag eG
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FALTER-Rezension

Argentinien heute wäre ein Buch wert

Julia Zarbach in FALTER 39/2010 vom 01.10.2010 (S. 31)

Im deutschsprachigen Raum wird Argentinien zumeist mit Diego Maradona, saftigen Steaks und leidenschaftlichem Tango assoziiert – die Frankfurter Buchmesse 2010, die nach Mexiko (1992) und Brasilien (1994) Argentinien als drittes lateinamerikanisches Gastland präsentiert, wird daran wohl nicht allzu viel ändern.
Womit sich die neuen Bücher zu Argentinien hauptsächlich beschäftigen, hat bereits Buchmesse-Direktor Juergen Boos hervorgehoben: der Aufarbeitung der Militärdiktatur von 1976–1983, die als eine der blutigsten Diktaturen des 20. Jahrhunderts gilt. Beispiellos in ihrer Grausamkeit war die Methode, Regimegegner zu eliminieren, indem man sie betäubt über dem Meer aus dem Flugzeug warf. An über 100.000 Folteropfer und 30.000 Verschwundene, die sogenannten desaperecidos, deren Schicksal bis heute überwiegend ungewiss bleibt, erinnern die klagenden Mütter der Plaza de Mayo mit ihren öffentlichen Rundgängen.

Dunkle Vergangenheit
Mit über zwei Jahrzehnten Verspätung beginnt nun in Argentinien die Aufarbeitung der Diktatur. Zwar hatte Präsident Raúl Alfonsín nach dem Ende der Militärdiktatur 1983 Untersuchungen der Verbrechen des Regimes eingeleitet, als aber das Militär erneut den Aufstand probte, verabschiedete er Amnestiegesetze, die lange Jahre der Straflosigkeit einläuteten. Erst 2003, mit dem Regierungsantritt von Néstor Kirchner, wurde das Straffreiheitsgesetz aufgehoben und die Wiederaufnahme der Prozesse im Land ermöglicht.
Die dunkle Vergangenheit Argentiniens wird in den Neuerscheinungen häufig in Verbindung mit dem düstersten Kapitel der jüngeren europäischen Geschichte gebracht, dem Nationalsozialismus. Dies hängt vor allem mit den Auswanderungswellen vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg zusammen.
Argentinien war eines der Einwanderungsländer und wird auch als "das europäischste Land Lateinamerikas" bezeichnet – seine Bevölkerung stammt zu 90 Prozent von europäischen Einwanderern ab. Allein ungefähr 300.000 Deutschsprachige und eine Million Deutschstämmige leben heute dort.
Der engagierte Jurist Wolfgang Kaleck beschreibt in seinem Buch "Kampf gegen die Straflosigkeit" die juristische Aufarbeitung der Verbrechen der Militärdiktatur. Dass zahlreiche Opfer europäischer Abstammung waren, führte aufgrund fehlender Täterverfolgung in Argentinien dazu, dass sich die Menschenrechtsbewegungen nach Europa wandten, um dort Strafverfahren zu initiieren. Der Autor selbst arbeitet als Anwalt deutscher Verschwundener in Argentinien, weshalb sein besonderes Augenmerk auf den deutsch-argentinischen Beziehungen liegt: So werden etwa die Verwicklungen der deutschen Botschaft in die Machenschaften der Militärs sowie die Geschäfte der deutschen Regierung mit der Diktatur thematisiert.
Zwei weitere Bücher beschäftigen sich mit der Militärdiktatur und einem Vergleich mit der europäischen Geschichte. "Zweimal Überleben" von Eva Eisenstaedt dokumentiert die Geschichte von Sara Rus, einem zweifachen Opfer, nicht nur der Nationalsozialisten, sondern auch des argentinischen Regimes. Der Sohn der jüdischen Emigrantin, Daniel Rus, wird eines Tages von seinem Arbeitsplatz entführt. Die Frage nach dem Warum bleibt wie für so viele Angehörige auch für Sara Rus offen, die zu einer der Mütter der Plaza de Mayo wird: "Sara weiß nicht, ob Daniel sich politisch betätigt hat. Oder sie sagt es nicht. Es ist anzunehmen, dass dieser brillante junge Mensch in einer besseren Welt leben wollte und sich daher den Idealen der Generation verschrieb, die von einer Utopie träumte."
Auch "Verlorene Nachbarschaft" zeigt die Verbindungen von jüdischer Emigration und argentinischer Tragödie und betont die Wichtigkeit des Erinnerns. Das gleichnamige Projekt fand 2008 in Buenos Aires statt, wo eine 1938 zerstörte Wiener Synagoge für zwei Wochen im Zentrum der Stadt in einem Park stand. Die dort gehaltenen Vorträge kreisten um das jüdische Leben im heutigen Argentinien. Wie bei Eisenstaedt werden auch hier die Tragödien nebeneinander gestellt, ohne sie einem direkten Vergleich zu unterziehen – vielmehr sollen die Parallelen "im Sinn einer Vermenschlichung des Bösen und der Nachvollziehbarkeit sozialer Phänomene" aufgezeigt werden.

Argentinien heute?
Obwohl die Bedeutung der Aufarbeitung der argentinischen Geschichte außer Frage steht, muss festgestellt werden, dass in den Neuerscheinungen andere aktuelle Themen untergehen. So wäre die Armut, die mit der argentinischen Wirtschaftskrise zur Jahrtausendwende rapide anstieg und zu Arbeitslosigkeit und Hunger führte, ein dringliches Thema gewesen.
Eine Folge dieser Krise ist die Zunahme der cartoneros – Menschen, die mit dem Recyceln von Müll ihren Lebensunterhalt verdienen. Ebenso finden andere derzeitige Konflikte nur wenig Beachtung, wie etwa die Agrarexportproblematik, die 2008 zu etlichen Bauernstreiks führte und die ein Grund dafür war, dass die paternalistische Kirchner-Regierung bei den Parlamentswahlen 2009 einen Denkzettel verpasst bekam.
Die übrigen Bücher entziehen sich dem Anspruch einer ausführlicheren Stellungnahme zur gegenwärtigen Situation Argentiniens schon allein durch ihre Genres. In "Patagonische Gespenster" begibt sich die argentinische Journalistin María Sonia Cris-
toff auf Entdeckung ihrer Heimat Patagonien. Die spätestens seit Bruce Chatwins Reisebericht "In Patagonien" (1977) berühmte bizarre Landschaft mit ihren spärlich gestreuten Bewohnern wird auch in diesem Buch beschworen. Cristoff begegnet zum Nichtstun verdammten Menschen und spürt den Schicksalen von Alteingesessenen, Fortwollenden, Zugereisten und Hängengebliebenen nach.
Einen Reisebericht der etwas anderen Art schrieb Sabine Küchler mit ihrem ausgesprochen selbstironischen Buch "Was ich im Wald in Argentinien sah", das eine albtraumhafte Expedition in den argentinischen Nebelwald beschreibt. Eine Kulturinstitution lud die Schriftstellerin zusammen mit einem Philosophen und einer Fotografin dazu ein, einen Monat nach dem Vermächtnis der einheimischen Waldgötter zu suchen. Die Strapazen der Reise lassen sie nicht im Mindesten über ihre schriftstellerische Aufgabe nachdenken: "Ich. Kann. Nicht. Mehr. Ich. Will. Es. Aber. Schaffen. Wenigstens. Heute."
Christian Thieles "Gebrauchsanweisung für Argentinien" erlaubt sich hie und da einen Blick auf die heutige Situation des Landes, wie das soziale Gefälle oder den Fleischpreis als Politikum. In der Hauptsache folgt man aber dem Autor, der als Journalist zwei Jahre in Argentinien verbrachte, bei diversen Ausführungen zu den eingangs genannten Klischees. Man hält sich indessen gerne mit ihm dabei auf, vor allem, wenn es um Kultur und Sitten des Landes geht, die er mit Begeisterung beschreibt, wie etwa die literarisch vielbesungene Mate-Tee-Obsession – die Zubereitung des Getränks ist für Argentinier eine veritable Wissenschaft –, die Cafés von Buenos Aires, die lesebesessene Bevölkerung oder ihre Leidenschaft zum Nationalkartenspiel truco, dessen Regeln "so ausführlich wie die Anleitung zum Bau eines Atomkraftwerkes" sind.

Die Buchmesse und die Politik
Wie häufig bei der Frankfurter Buchmesse und ihren Ehrengastländern kann man sich auch dieses Jahr des Eindrucks nicht erwehren, dass man bestrebt ist, die aktuellen, diskussionswürdigen Probleme des Gastlandes nicht zu thematisieren und eine allzu positive Länderdarstellung zu betreiben. Kritik am gegenwärtigen Staat Argentinien und der Staatspräsidentin Cristina Fernández de Kirchner und ihrem Ehemann (dem Expräsidenten) – gegen die derzeit Korruptionsvorwürfe und der Verdacht illegaler Bereicherung vorliegen – wird zur Buchmesse wohl nicht stattfinden. Der Buchmarkt ist und bleibt eben vor allem ein Markt, für den auch im Herbst 2010 kräftig die Werbetrommel gerührt wird.

In dieser Rezension ebenfalls besprochen:

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