Unter uns hieß er der Rattenmann

Die Lebensgeschichte des Sigmund-Freud-Patienten Ernst Lanzer
160 Seiten, Buch
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ISBN 9783854768678
Erscheinungsdatum 01.03.2020
Genre Sachbücher/Geschichte/20. Jahrhundert (bis 1945)
Verlag Mandelbaum Verlag eG
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HerstellerangabenAnzeigen
Mandelbaum Verlag eG
Wipplingerstraße 23 | AT-1010 Wien
office@mandelbaum.at
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Kurzbeschreibung des Verlags

Wer war der Rattenmann? Diese Biografie eröffnet erstmals den Blick auf den Menschen hinter Freuds berühmtem Fall.

Am 1. Oktober 1907 begibt sich ein junger Mann namens Ernst Lanzer in die Praxis Sigmund Freuds. Es sollte der Beginn einer äußerst fruchtbaren Beziehung werden, für den von Neurosen gepeinigten Patienten ebenso wie für Freud, denn der Fall wurde zu einem Meilenstein in der Entwicklung der Psychoanalyse.
Möglich wurde das Verfassen dieser Biografie auch durch die Tatsache, dass ein Teil von Freuds Originalnotizen erst seit kurzem in digitalisierter Form öffentlich zugänglich ist. Akribische Recherchen erlaubten es dem Autor Georg Augusta, die berührende Lebensgeschichte des Juristen und Reserveoffiziers Ernst Lanzer erstmals nachzuzeichnen. Facettenreich erzählt er vom wirtschaftlichen und sozialen Aufstieg der jüdischen Familie Lanzer. Mit den Augen eines Psychoanalytikers verdichtet er den kulturellen und gesellschaftlichen Kontext, in dem Zwangsvorstellungen entstehen konnten. Gebannt folgt man dem persönlichen Lebenskampf des Menschen, der als »Rattenmann« in die Geschichte einging.

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ISBN 9783854768678
Erscheinungsdatum 01.03.2020
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FALTER-Rezension

Der erste so genannte Zwangsneurotiker

Andreas Kremla in FALTER 11/2020 vom 11.03.2020 (S. 44)

Psychoanalyse: Georg Augusta rekapituliert die Geschichte des „Rattenmanns“, eines Patienten von Sigmund Freud

Der junge Jurist Ernst Lanzer litt unter Zwangsvorstellungen aller Art. Ein Szenario, das er immer wieder durchleben musste, war jenes der Rattenfolter: Eine Ratte wird in einem Gefäß am nackten Hinterteil des zu Folternden festgeschnallt und mit glühenden Stäben gereizt, bis sie durchdreht – und mit scharfen Zähnen und Klauen die empfindlichsten Stellen des Opfers attackiert. Nachdem ihn schon während des Jusstudiums obsessive Gedanken gequält hatten, hatte Lanzer die schaurige Geschichte als Reserveoffizier in Galizien aufgeschappt, im hintersten Winkel der Donaumonarchie. Sie sollte ihn nicht mehr loslassen, sodass er schließlich professionelle Hilfe aufsuchte.

1907 wandte sich der 29-Jährige an Sigmund Freud, den Erfinder der Psychoanalyse. Die Anforderungen der ersten Psychotherapien waren hart: Sechs Mal in der Woche, samstags inklusive, hatte sich der Patient auf die berühmte rote Couch zu legen. Lanzers reguläre Therapie dauerte allerdings auch nur drei Monate und endete nach drei weiteren Monaten unregelmäßiger Sitzungen.

Lanzer war wie Freud ein Kind des jüdischen Großbürgertums. Die beiden waren eine Zeit lang sogar fast Nachbarn gewesen. Die Chancen, Karriere zu machen, lagen zu dieser Zeit für jüdische Bürger, denen die prestigeträchtige k.u.k. Beamtenlaufbahn verwehrt blieb, in den freien Berufen. Der Weg nach oben führte etwa über die eigene Handelsfirma – wie jene von Lanzers Vater –, über die eigene Praxis – wie jene Freuds – oder die eigene Kanzlei, wie Lanzer sie als Anwalt selbst anstrebte.

Der Fall des jungen, intelligenten Zwangsneurotikers faszinierte Sigmund Freud und seine Kollegen. Im regen Austausch über diesen speziellen Patienten gaben sie ihm den naheliegenden Namen: der Rattenmann. Zwei Jahre nach Abschluss der Behandlung, 1909, wird Freud seine Geschichte als zweite seiner sechs Fallstudien unter dem Titel „Bemerkungen über einen Fall von Zwangsneurose“ veröffentlichen.

Georg Augusta arbeitet seit vielen Jahren als praktizierender Psychologe und Psychoanalytiker in Wien und hat schon mehrfach zur Geschichte der Psychoanalyse geforscht. Seine Rekonstruktion des Falls unter dem Titel „Unter uns hieß er der Rattenmann. Die Lebensgeschichte des Sigmund-Freud-Patienten Ernst Lanzer“ schöpft aber aus weit mehr Quellen als der offiziellen Darstellung von Lanzers Seelenarzt.

Er konnte nicht nur auf Freuds Originalnotizen aus dessen Nachlass zurückgreifen, sondern entdeckte im Zuge seiner Recherche auch den Roman „Der Seelenvogel“, verfasst von Lanzers Nichte Elisabeth Freundlich. „Nicht nur dessen Protagonisten stimmten mit den Personen in Freuds Notizen überein“, berichtet Augusta über seinen Fund, „auch deren Charaktere fanden sich dort ähnlich beschrieben wieder.“ Zusätzlich führte Augusta Interviews mit Ernst Lanzers Neffen Mario, der auch ein Nachwort für das Buch verfasst hat.

Im Hintergrund der Figuren Freud und Lanzer leuchtet Augusta das Leben in der Weltstadt Wien am Beginn des 20. Jahrhunderts aus. Die vielfältigen Kulturen der Donaumonarchie mischten sich bekanntlich im sogenannten Schmelztiegel der Zweimillionenstadt. Trotz des zur Schau gestellten Prunks der feudalen Adelsfamilien und der Blüte eines weltoffenen Bürgertums war es für viele Bewohner Wiens keine gute Zeit: Bedienstete lebten in prekären Verhältnissen, die Frauen unter ihnen oft halb in der Prostitution, auch und gerade die Kindermädchen. Kurz vor dem Untergang der Habsburger-Dynastie war diese Stadt der Gegensätze und Zwiespalte ein Nährboden für Neurosen aller Art.

Augusta gelingt es, das überreiche Material zu ordnen, schlüssig zu verbinden und die Geschichte voranzutreiben. Nur manchmal drohen die äußerst ergiebigen Forschungsquellen die Geschichte zu überfluten: Da übertönen lange Zitate den Autor. Da entsteht der Eindruck, dieser vertraue in seiner ersten, nicht nur an Fachkollegen gerichteten Veröffentlichung diesen historischen Zitaten mehr als den eigenen, präzise gesetzten Worten.

Trotz gelegentlichen Schwankens gelingt die Gratwanderung zwischen Story und Historie. Am Faden einer Fallgeschichte zieht Georg Augusta weit mehr aus der Tiefe der Zeit empor als das Schicksal eines Patienten und die Frühgeschichte einer neuartigen Therapie und lässt eine Weltstadt in dekadent schillernden Farben wiederauferstehen.

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