Schäm dich!
Judith Sevinç Basad empört sich – und stemmt sich vehement gegen die sich aufgeklärt wähnende Meinungsmache, gegen Denkverbote und Unschärfen in den Argumenten einer selbsternannten kulturellen Elite. Ist es denn, genau betrachtet, wirklich so, dass die „Privilegierten“ den sozialen Aufstieg von Migrantenkindern verhindern? Kann nur eine Frau wissen, wie man Politik für Frauen macht? Ist „MeToo“ eine durchgängig lautere Bewegung? Ist es im Kampf gegen Rassismus mit der Entmachtung des „alten weißen Mannes“ getan? Tatsächlich wird es fast schon modisch, dass man Andersdenkenden ein „Schäm dich“ zuruft und ihnen damit den Mund verbietet.
Die Verteidiger der Gerechtigkeit sind selbstgerecht
Null Toleranz bei Diskriminierung und Unterdrückung! Darauf können sich viele einigen. Doch der Kampf für soziale Gerechtigkeit geht weit darüber hinaus. Menschen sollten sich ihrer Privilegien stets bewusst sein – und vor allem als weiße Männer dafür schämen.
Judith Sevinç Basad macht deutlich, was sie von derlei verordneten Empfindungen und den zugehörigen Forschungsansätzen „Critical Whiteness“ oder „White Fragility“ hält: „Im Zentrum dieser neuen Disziplinen steht nicht mehr der Anspruch aufzuzeigen, wie die Welt ist, sondern wie die Welt zu sein hat.“ Dogmatisch forderten die Beteiligten, dass sich die Gesellschaft ihrer Ideologie unterwerfe.
Die junge Autorin hat sich schon mehrfach um eine Versachlichung des emotional aufgeheizten Diskurses verdient gemacht. Ihr Germanistik- und Philosophiestudium schloss sie mit einer Arbeit über totalitäre Tendenzen in der queerfeministischen Bewegung ab. In einer Berliner Moschee bemühte sie sich um einen geschlechtergerechten und liberalen Islam. Ihre journalistischen Beiträge finden sich unter anderem in der Welt, der FAZ und der NZZ und in ihrer Online-Kolumne „Triggerwarnung“ im Cicero.
Auf ihrer Suche nach sozialer Gerechtigkeit lässt sich Sevinç Basad nicht irreführen von den Ansprüchen anderer, was man zu sehen, zu fühlen oder zu sagen habe, um korrekt oder „woke“ zu sein. Lautstark wehrt sie sich dagegen, dass alle, die ähnlich aussehen wie einige tatsächliche Unterdrücker, am Pranger stehen sollen. Denn damit werden die vorgeblichen Verteidiger der Gleichberechtigung zu deren Angreifern.
So kommt sie zu den tatsächlichen Problemen sozialer Ausgrenzung und Diskriminierung, denen man auch ohne Verrenkung seiner Hirnwindungen folgen kann. In klaren, mutigen Worten liefert Sevinç Basad damit einen Beitrag, der im Geschwurbel pseudoempathischer Mitleidsbekundungen der Social-Justice-Diskussionen gefehlt hat: zur Suche nach Gerechtigkeit statt nach Schuldigen und zur Re-Implementierung des Hausverstands.
Andreas Kremla in Falter 30/2021 vom 30.07.2021 (S. 30)
ISBN | 9783864892127 |
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Erscheinungsdatum | 29.03.2021 |
Umfang | 224 Seiten |
Genre | Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft/Gesellschaft |
Format | Taschenbuch |
Verlag | Westend |