

Ist Geld wirklich alles?
Kurt Bayer in FALTER 23/2023 vom 09.06.2023 (S. 19)
Der Buchtitel "Staat Macht Geld -Modern Monetary Theory oder das Ende der schwarzen Null" von Monika Stemmer deutete zuerst auf eine politökonomische Analyse des Wirtschaftens hin, welche auch Machtverhältnisse als bestimmende Faktoren einbezieht.
Weit gefehlt: eher ist mit "Macht""machen" gemeint, also, dass der Staat sich selbst das Geld macht, das er für seine Ziele benötigt. Diese "Neue Theorie" geht davon aus, dass Geldmangel keinen beschränkenden Faktor für das Wirtschaften darstellt, da der Staat, in Form der Notenbank, jederzeit mehr Geld drucken kann. Daher würden nur materielle Ressourcen und Arbeitskraft Beschränkungen darstellen. Die Folge: Solange diese nicht voll ausgenützt sind, kann und soll mehr Geld gedruckt werden, bis Vollbeschäftigung erreicht ist.
Stemmer, gelernte Juristin, will dieses neue Verständnis von Markt und Staat, von Geld und Realwirtschaft allgemeinverständlich erklären. Vier Grundsätze seien zu beachten: "Erstens, der Staat hat das Währungsmonopol und schöpft unbegrenzt Fiatgeld; zweitens: die Steuern geben der staatlichen Währung ihren Wert; drittens, Banken schöpfen ein Geld zweiter Ordnung: das Geld auf unseren Girokonten; und viertens, alles Geld entsteht in Bilanzen -gemeinsam mit einer gleich hohen Schuld."
Nun ja: Nr. 4 meint offenbar Schulden, also Staatsverschuldung, der gleich hohe Guthaben gegenüberstehen -kein Problem. Nr. 1 greift die sogenannte "Unabhängigkeit" der Notenbanken an, die ja in der herrschenden Meinung für die Ausgabe von Zentralbankgeld zuständig und vom "Staat" getrennt sind, um dessen Begehrlichkeiten einzubremsen. Nr. 2 ist unverständlich und gibt Steuern eine viel zu große Bedeutung. Und Nr. 3: Hier zieht die Modern Monetary Theory eine eigenartige Trennung zwischen Zentralbankgeld, das nur zwischen Geschäftsbanken zirkuliert, und Kreditgeld, welches durch die Geschäftsbanken geschaffen wird.
Warum Letzteres ein "Geld zweiter Ordnung" sein soll, bleibt unverständlich. Faktum ist, dass Geschäftsbanken jenes Geld, das sie sich von der Zentralbank leihen, nach fixen Regeln an Unternehmen und Haushalte in Form von Krediten weiterreichen können, womit sie es in der Hand hat, das Kreditvolumen zu beeinflussen.
Dies funktioniert aber nicht automatisch, wie die neuere Geschichte zeigt, weil die Zentralbank den Geschäftsbanken riesige Anleihevolumen abkaufte, um die Kreditgewährung anzukurbeln. Ein Großteil dieses Geldes wanderte in Immobilien und Aktienkäufe -und generierte dort Blasen statt Wirtschaftswachstum.
Die Absicht der Neuen Geldtheorie entspricht jener der Keynesianer: Der Staat hat es in der Hand, das Wirtschaftswachstum zu beeinflussen, indem er mangelnde private Nachfrage ergänzt und damit das Wachstum erhöht. Aber dass Staatsverschuldung keine Auswirkungen auf die Wirtschaft hat und dass Inflation per Theorie unmöglich ist, stimmt nicht. Seit die Inflationsraten in die Höhe geschossen sind, ist ein wichtiger Teil der Theorie zusammengebrochen.
Stemmer schreibt 170 Seiten Text ohne Zahlen, ohne Grafiken. In diesem Sinn ist das Buch auch für Laien leicht zu lesen. Dennoch ist ihre Darstellung in ein-bis zweiseitigen Kurzvignetten (innerhalb von sechs Kapiteln) irritierend, da kein Gesamtbild entsteht, keine Struktur auszumachen ist. Die grau unterlegten 24 widerlegten Mythen sind zwar plakativ, beschränken sich jedoch eher auf apodiktisch vorgebrachte Behauptungen als auf prägnante Erklärungen.