

Thomas Piketty kompakt
Armin Thurnher in FALTER 45/2014 vom 05.11.2014 (S. 21)
Das nennt man wohl ausgleichende Gerechtigkeit. Einer schreibt einen 800-Seiten-Wälzer, der allein kraft seines Themas zum Weltbestseller wird, obwohl der begründete Verdacht besteht, dass die meisten Menschen, die das Buch gekauft, es gar nicht gelesen haben.
Und dann kommen Autoren und bringen Kurzzusammenfassungen auf den Markt, mit denen man sich die Lektüre des großen Tankers erspart. Die Rede ist von Thomas Pikettys Bestseller "Das Kapital im 21. Jahrhundert", das diesen Herbst auch auf Deutsch erschienen ist. Die Wirtschaftspublizisten Stefan Kaufmann und Ingo Stützle haben nun mit ihrem gut 100 Seiten langen Reader im A6-Format "Kapitalismus – die ersten 200 Jahre" nicht nur eine kompakte Zusammenfassung von Pikettys Forschung geschaffen (die ja ihrerseits eine Zusammenfassung von Daten darstellt), sie bringen auch eine ebenso kompakte Kritik daran.
Wie jede gute Kritik würdigt sie zuerst die Verdienste des Autors (er hat das Problem wachsender Ungleichheit erkannt), referiert die Debatte um das Buch und zeigt dann dessen Defizite auf. Pikettys größtes: Er kokettiert im Titel mit Karl Marx, nimmt diesen aber "nicht ernsthaft zur Kenntnis". Verloren geht ihm dabei das Neue am Kapitalismus, die Akkumulation von Kapital als reiner Selbstzweck. Empfehlung.