Rabenliebe

Eine Erschütterung
432 Seiten, Hardcover
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ISBN 9783869710204
Erscheinungsdatum 19.08.2010
Genre Belletristik/Gegenwartsliteratur (ab 1945)
Verlag Galiani Berlin ein Imprint von Kiepenheuer & Witsch
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Kurzbeschreibung des Verlags

Über fünfzig Jahre quälte sich Peter Wawerzinek mit der Frage, warum seine Mutter ihn als Waise in der DDR zurückgelassen hatte. Dann fand und besuchte er sie. Das Ergebnis ist ein literarischer Sprengsatz, wie ihn die deutsche Literatur noch nicht zu bieten hatte.

Ein Buch wie ein Erdbeben.

Über fünfzig Jahre quälte sich Peter Wawerzinek mit der Frage, warum seine Mutter ihn als Waise in der DDR zurückgelassen hatte. Dann fand und besuchte er sie. Das Ergebnis ist ein literarischer Sprengsatz, wie ihn die deutsche Literatur noch nicht zu bieten hatte.

Ihre Abwesenheit war das schwarze Loch, der alles verschlingende Negativpol in Peter Wawerzineks Leben. Wie hatte seine Mutter es ihm antun können, ihn als Kleinkind in der DDR zurückzulassen, als sie in den Westen floh? Der Junge, herumgereicht in verschiedenen Kinderheimen, blieb stumm bis weit ins vierte Jahr, mied Menschen, lauschte lieber den Vögeln, ahmte ihren Gesang nach, auf dem Rücken liegend, tschilpend und tschirpend. Die Köchin des Heims wollte ihn adoptieren, ihr Mann wollte das nicht. Eine Handwerkerfamilie nahm ihn auf, gab ihn aber wieder ans Heim zurück.
Wo war Heimat? Wo seine Wurzeln? Wo gehörte er hin?

Dass er auch eine Schwester hat, erfuhr er mit vierzehn. Im Heim hatte ihm niemand davon erzählt, auch später die ungeliebte Adoptionsmutter nicht. Als Grenz sol dat unternahm er einen Fluchtversuch Richtung Mutter in den Westen, kehrte aber, schon jenseits des Grenzzauns, auf halbem Weg wieder um. Wollte er sie, die ihn ausgestoßen und sich nie gemeldet hatte, wirk lich wiedersehen?

Zeitlebens kämpfte Peter Wawerzinek mit seiner Mutterlosigkeit. Als er sie Jahre nach dem Mauerfall aufsuchte und mit ihr die acht Halbgeschwister, die alle in derselben Kleinstadt lebten, war das über die Jahrzehnte überlebens groß gewordene Mutterbild der Wirklichkeit nicht gewachsen. Es blieb bei der einzigen Begegnung. Aber sie löste – nach jahrelanger Veröffentlichungspause – einen Schreibschub bei Peter Wawerzinek aus, in dem er sich das Trauma aus dem Leib schrieb: Über Jahre hinweg arbeitete er wie besessen an Rabenliebe, übersetzte das lebenslange Gefühl von Verlassenheit, Verlorenheit und Muttersehnsucht in ein großes Stück Literatur, das in der deutschsprachigen Literatur seinesgleichen noch nicht hatte.

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FALTER-Rezension

Der lange Winter seines Missvergnügens

Jörg Magenau in FALTER 39/2010 vom 01.10.2010 (S. 13)

Es gibt Bücher, die nur schwer zu ­besprechen sind, weil alles, was sich gegen sie vorbringen lässt, zum Vorwurf gegen die Person des Autors zu werden droht. Das ist immer dann der Fall, wenn Erzähler und Autor identisch sind, wenn eine Lebensgeschichte ausgebreitet wird, die weniger literarisch zu be­werten, als unter biografischen Aspekten zur Kenntnis zu nehmen ist. Lebensläufe sind nun mal nichts, was sich benoten ließe.
Ein solches Buch ist "Rabenliebe" von Peter Wawerzinek, der darin – wieder einmal – seine eigene Geschichte erzählt. Die Mutter ließ den Zweijährigen in der DDR zurück, als sie 1956 in den Westen ging. Das ist die unüberwindliche Urkatastrophe. Der Bub wächst zunächst in Heimen auf, dann in einer Adoptivfamilie, und obwohl er sich über die Verhältnisse hier wie dort nicht wirklich beklagen kann, lebt er doch in fortgesetzter emotionaler Obdachlosigkeit, immer getrieben vom Muttermangel, von einer existenziellen Ver­lassenheit.

Und doch dauert es 50 Jahre, bis der Sohn es wagt, die Spur der Mutter aufzunehmen und sie zu besuchen. In Ebersbach am Neckar trifft er eine kleine, böse, gefühllose, alte Frau, die ihn begrüßt, als käme er bloß vom Einkaufen zurück. Sie haben sich nichts zu erzählen und sitzen nebeneinander in der kleinen Küche, "wie Leute in einem Wartesaal, die eine Nummer gezogen haben".
Mit dieser Mutterfindung könnte der lebenslange Zwang zur Muttererfindung beendet werden. Das Kind ist endlich erwachsen geworden, indem es die Mutterlosigkeit akzeptiert. Schlimmer als im Heim (das gar nicht so schlimm war) wäre es jedenfalls gewesen, bei dieser Mutter geblieben zu sein.
Dieser Besuch, bei dem auch noch acht Halbgeschwister auftauchen, steht ganz am Ende und braucht einen über 400 Seiten langen Anlauf. Die eingebaute Angstbremse macht den Erinnerungsmarathon zu einer einzigen Mutterverzögerung. Jede Ausflucht nimmt der Erzähler dankbar an, jeder Umweg wird gegangen, jede Erinnerung ausgebreitet, als käme es auf die Masse der Details an, um zu begreifen, was Mutterlosigkeit bedeutet.
So nachvollziehbar diese Taktik psychologisch ist, so quälend ist sie als literarische Strategie – zumal viele Figuren und Ereignisse schon aus Wawerzineks sehr viel schlankerer Erzählung "Das Kind das ich war" aus dem Jahr 1993 bekannt sind. "Ich möchte mein Thema wie einen Bombengürtel tragen, mich mit ihm in die Luft jagen. Anders gelingt der Roman zur Mutter nicht", schreibt er nun, und der Verlag macht daraus einen fetten Werbetext. Soll man es bedauern, dass die Bombe nicht zündet?
Wawerzinek erzählt bildhaft, assoziativ und sprunghaft. Er durchsetzt den Text mit Kinderreimen und Volksliedern und romantischen Versen, die ihm – passend oder auch nicht – in den Sinn kommen. Er montiert Zeitungsausschnitte von verlassenen Kindern und andere Zitate dazwischen, ohne dass klar würde, was damit bewiesen werden soll, und bläht ihn durch überstrapazierte Metaphern immer noch weiter auf: An allen entscheidenden Lebensstationen setzt pünktlich der Schneefall ein, denn in diesem Leben "ist ewig Winter" – inklusive Nebel und Nebelkrähen.

Die dermaßen erzeugte Redundanz aber führt nicht nur zu einem Verlust der Konzentration, sondern bewirkt auch, dass die Anteilnahme, die die Geschichte erwecken sollte und möchte, sich bald in Überdruss und Langeweile verwandelt.
Dabei stecken in diesem Buch großartige Szenen und schmerzhaft genaue Sätze – die man freilich suchen muss wie Perlmuscheln auf dem Grund des Ozeans –, Sätze wie etwa dieser: "Das Schicksal eines Menschen auf dem Weg zu einer großen Sache ist, dass er unterwegs untergeht, auf dem Weg, den er eingeschlagen hat, um seinem Untergang zu entgehen."

Den Ingeborg-Bachmann-Preis hat Peter Wawerzinek mit seinen Auszügen vom Anfang des Romans durchaus zu Recht gewonnen, denn die Schwächen treten erst auf der längeren Strecke zutage, wohingegen einen einzelne kurze Abschnitte durchaus ergreifen können. Der Autor ist jedenfalls immer dann am besten, wenn er sich von seiner eigenen Geschichte löst. Er sei Schriftsteller geworden, um eines Tages über seine Mutter zu schreiben, gesteht der Erzähler.
Tatsächlich schreibt er aber nicht über die Mutter, sondern vor allem über sich und seine Mutterillusionen. Auch der äußere, historische Rahmen, die Geschichte der DDR und der deutschen Teilung, bleibt seltsam blass, denn neben dieser einen schreienden Ungerechtigkeit der eigenen Mutterverlassenheit muss alles andere verblassen.
Ein "psychologisch arbeitender Mensch", der einmal kurz zu Wort kommt, hält so manches, was den Autor charakterisiert, für eine bedenkliche Folge seiner Kinderheimkindheit: seine Redelust, sein Plappern, die Sucht im Mittelpunkt zu stehen, Kontrollverlust, Streitlust, unvernünftige Spenderfreude und manische Verschwendung, Schüchternheit, Oberflächlichkeit und so weiter – von Haarausfall, Entengang und nervtötendem Partygenöle ganz zu schweigen.

Peter Wawerzinek scheint dieser Einschätzung nicht unbedingt widersprechen zu wollen. Es könnte aber sein, dass er sich mit diesem Buch freigeschrieben und das bloß Biografische endlich hinter sich gelassen hat. Vielleicht wird er nun anfangen können zu erzählen – jenseits der Erinnerungen, die bislang auf ihm lasteten.

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