

Im Bubenroman gibt es jetzt nicht nur Bier und Busen, sondern auch Tischtennis
Sebastian Fasthuber in FALTER 23/2012 vom 08.06.2012 (S. 34)
Seit einer erklecklichen Zahl an Jahren wartet der deutsche Autor Frank Schulz (Jg. 1957) auf den Durchbruch. Verdient hätte er ihn sich längst. Zwei Dinge heben ihn aus dem deutschsprachigen Literaturbetrieb heraus: Er hat Humor - sagen wir, so wie Jean Paul oder Harry Rowohlt - sowie eine immense Sprachkraft und Lust an der originellen Formulierung, was ihm schon Vergleiche mit Arno Schmidt eingebracht hat. Wobei der Schmidt-Vergleich nur insofern stimmt, als man sich Schulz als dessen missratenen Sohn vorstellen muss, der sein Talent aus voller Überzeugung an vor Bier und Busen strotzende Bubenromane verschwendet.
Sein jüngstes Geschöpf, Onno Viets, ist ein deutscher Durchschnittsverlierer Anfang 50, der u.a. mehrere Lehren und Studien abgebrochen und Jobs in den Sand gesetzt und dennoch überdurchschnittlich viel Glück hat: gute Freunde, die ihn durchfüttern, und eine herzensgute Frau, die ihm praktisch alles nachsieht. Kurz und gut, mit Viets hat der Autor eine Figur an der Hand, die mit seinem Schreibstil und dem Handlungsort Hamburg perfekt harmoniert.
Dass man sich im Norden Deutschlands befindet, sollte der hiesige Leser nach wenigen Sätzen bemerkt haben. Schulz ist ein Mann der Umgangssprache, dessen größte Leistung als Autor darin besteht, den Tonfall gesprochener Sprache in hochartifizielle Höhen zu schrauben, ohne dass diese dadurch etwas Geschraubtes bekäme - selbst dann nicht, wenn sie die ein oder andere Pirouette dreht (und das tut sie ziemlich häufig, denn nur höchst selten wählt Schulz eine auch nur einigermaßen naheliegende Formulierung).
In Deutschland ist "Onno Viets und der Irre vom Kiez" schon jetzt der erfolgreichste Roman von Frank Schulz. Das hat gewiss damit zu tun, dass sich der Autor dazu durchgerungen hat, ausnahmsweise einen halbwegs konventionellen Plot zu bauen. So muss sich der Held als Neoprivatdetektiv - sein allerletzter beruflicher Anlauf, ehe es via Hartz IV in Richtung Rente geht - mit einem fürchterlichen Kiez-Original rumschlagen. Dieser Hüne ist blöderweise der Liebhaber genau der blonden TV-Schnitte, die Onno beschatten soll. Den Auftrag dazu hat er von einem Pseudo-Dieter-Bohlen namens Nick Dolan (wahlweise auch: Dick Nolan) bekommen, der vermutet, seine junge Freundin sei ihm untreu.
In Wahrheit ist die Handlung aber so nebensächlich wie egal, es geht Schulz wie immer vor allem um die Sprache und darum, sich - und in der Folge auch den Leser - mit ihren Mitteln bestens zu unterhalten. Das haut hin: Alleine die Schilderungen der Zusammenkünfte von Onnos verschworener Tischtennisrunde sorgen für Tränen der Heiterkeit und Rührung. Tischtennis ist Onnos wahre Stärke, und das, obwohl er weder eine Vorhand noch eine Rückhand hat, die eine solche Bezeichnung verdiente. Kumpel Raimund bringt den unkonventionellen Stil des Meisters auf den Punkt: "Paralympisch ohne Not."