Kleine Probleme

Roman
208 Seiten, Hardcover
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ISBN 9783869712406
Erscheinungsdatum 07.09.2023
Genre Belletristik/Gegenwartsliteratur (ab 1945)
Verlag Galiani Berlin ein Imprint von Kiepenheuer & Witsch
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Verlag Kiepenheuer & Witsch GmbH & Co. KG
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Kurzbeschreibung des Verlags



Nele Pollatschek erzählt eine alltägliche Geschichte, die mitten ins Herz unserer Existenz trifft. Aus einer To-do-Liste entsteht ein schillernder Roman darüber, wie schwer es ist, einfach nur zu leben. 


31. Dezember. Steuererklärung, Wohnung putzen, Bett für die Tochter zusammenschrauben, Lebenswerk schreiben, mit dem Rauchen aufhören – eigentlich wollte Lars, neunundvierzigjähriger Vieldenker und angehender Schriftsteller, die Lücke zwischen den Jahren dafür nutzen, endlich alles zu erledigen, was in den letzten Dekaden so auf der Strecke geblieben ist. Das neue Jahr, so sein Plan, sollte in einem aufgeräumten Leben beginnen. Der Zeitpunkt dafür schien perfekt: Die Kinder waren im Auslandsjahr, die Frau unterwegs. Keiner da, der stören könnte.


Doch die Woche, in der noch alles zu schaffen gewesen wäre – plötzlich ist sie aufgebraucht. Der letzte Tag des Jahres hat begonnen – mit Nieselregen, wie sonst? Das Haus ist immer noch chaotisch. Das Leben sowieso. Und als Lars den ersten Punkt seiner To-do-Liste ansteuert, fühlt es sich an, als müsse er nicht nur sich selbst, sondern eine ganze Welt neu erfinden.


In ihrem lustigen, tragischen und philosophischen Roman erzählt Nele Pollatschek von Chaos und der Sehnsucht nach Ordnung, von perfekten Kindern und unperfekten Eltern, von Liebe, kleinen Schrauben und großen Werken. Vor allem aber erzählt sie von der Schwierigkeit, sein Leben nicht auf später zu verschieben.


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ISBN 9783869712406
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FALTER-Rezension

Man muss auch mal was zu Ende machen

Klaus Nüchtern in FALTER 48/2023 vom 01.12.2023 (S. 37)

In einem Interview mit dem Falter, das vor zehn Jahren anlässlich ihres Romans "Das Ungeheuer" erschien, äußerte sich Terézia Mora ein wenig ungeduldig über die vielen talentierten Frauen, die sich mit kleinen Jobs bescheiden, damit sie daneben Zeit zum Schreiben finden: "Wenn ich frage, ob sie was fertig haben: Nein, natürlich nicht. Das hört sich überheblich an, aber es ist genau so: Du musst das Scheißding fertig machen und du musst es irgendjemandem geben, der nicht dein Freund ist."
Nachdem Mora ihre Trilogie um den kauzigen, vom Schicksal gebeutelten IT-Nerd Darius Kopp 2019 mit "Auf dem Seil" beendet und damit den vielleicht sympathischsten Antihelden der jüngeren deutschsprachigen Literatur entlassen hat, widmet sie sich nun in "Muna oder Die Hälfte des Lebens" genau einer jener Frauen, die erhebliche Probleme haben, ihr Scheißding fertig zu machen.

Muna Appelius, wächst in der fiktiven ostdeutschen Stadt Jütis auf. Mit der Autorin gemein hat sie das Geburtsjahr 1971, sie ist gerade 18 geworden. Der Mauerfall, von dem niemand etwas ahnt, steht unmittelbar bevor, als sich ihre Mutter nach fahrlässigem Konsum von Alkohol und Tabletten mit Blaulicht ins Spital vertschüsst. Die drei Monate, in denen die Ich-Erzählerin mehr oder weniger auf sich allein gestellt bleibt, wird die beste Zeit ihres Lebens sein.

Die Mutter, eine glamouröse und mittelerfolgreiche Schauspielerin, erfüllt ihre Alleinerzieherpflichten nach dem frühen Krebstod ihres Mannes, indem sie die vermeintlich übersensible Tochter mit Aphorismen der Bitterkeit gegen die allumfassende Schlechtigkeit zu immunisieren sucht: "Die Welt ist scheiße, die Leute sind Schweine [ ]. Achte nur immer darauf, dass du sie ebenso fickst wie sie dich."

Der Doppelsinn der kruden Phrase wird auf den folgenden 400 Seiten ausführlich exemplifiziert. Eine ganze Riege von Vertretern toxischer Männlichkeit schickt die Autorin aufs Feld eines Geschlechterkampfes, der für Muna nur eine Lose-Lose-Situation bereithält. Knuffige Typen à la Darius Kopp sind weit und breit keine in Sicht; nahezu alle Männer erweisen sich als anlassig, übergriffig, manipulativ und gewalttätig. Als Praktikantin in der Zeitungsredaktion, Aushilfskellnerin, Babysitterin, Studentin oder Dissertantin sieht sich Muna ständig genötigt, die Ansprüche auf ihren Körper abzuwehren oder zumindest zu regulieren, indem sie etwa festlegt, wann, wie oft, wo und zu welchen Bedingungen der schottische Lyrik-Dozent sexuell über sie verfügen darf; und selbst der schwule Zahnarzt erblickt in ihr vor allem die potenzielle Leihmutter.

Die "Arrangements" und "Deals", auf die sie sich einlässt, verstricken Muna nur in neue Abhängigkeiten; das Versprechen auf berufliches Fortkommen oder eine akademische Karriere erweist sich als trügerisch, die Hoffnung auf die verbindende Kraft weiblich-solidarischen Networkings als Illusion. Das Leben selbst, so scheint es, ist ein einziges Prekariat.

Auf diese griffige Formel läuft der Roman hinaus, und darin liegt auch sein Problem. Mit Schauplatzwechseln zwischen Jütis, Berlin, Wien, Basel und London sowie einer schier unüberschaubaren Anzahl an Nebenfiguren -ständig poppen noch eine Mechthild oder Annkathrin, ein Karsten oder Jasper auf -wird ein ungeheurer Aufwand vor allem zu dem Zweck betrieben, den gleichen Sachverhalt zu illustrieren und zu belegen.

Die Gesellschaft der Singularitäten, wie sie der deutsche Soziologe Andreas Reckwitz beschreibt, verlangt den Menschen ab, sich als einzigartige Individuen hervorzubringen; wobei es in der Logik des Sachverhalts liegt, dass dies nur einigen wenigen gelingen kann. Muna Appelius zählt nicht zu ihnen. Das Mitleid mit ihr hält sich mit fortschreitender Lektüre in immer engeren Grenzen. Man verliert schlicht die Geduld mit ihr. Warum sich die intelligente und emanzipierte junge Frau, als die sie zunächst erscheint, trotz aller einschlägig schlechten Erfahrungen, die sie mit diesem gemacht hat, ausgerechnet an ein gewalttätiges misogynes Mega-Arschloch wie Magnus bindet, bleibt ebenso unnachvollziehbar wie der einhellige Jubel, der dieser Geschichte einer gnadenlosen, sich auch im fortschreitenden Sprachverfall manifestierenden Selbstentmächtigung im deutschen Feuilleton zuteilwurde.

Als Lichtgestalt desselben muss Nele Pollatschek, Jahrgang 1988, gelten. Ihre leichtfüßigen, klugen und differenzierten Essays, Rezensionen und Kommentare zählen zum Besten, was es dort zu lesen gibt. Mit "Kleine Probleme" legt die Journalistin und in Oxford promovierte Literaturwissenschaftlerin nach "Das Unglück anderer Leute" (2016) nun ihren zweiten Roman vor.

Tatsächlich hat dessen Protagonist ein ziemlich großes Problem: Mit 49 bereits in der zweiten Lebenshälfte angelangt, bleiben ihm die wenigen Tage zwischen Weihnachten und Silvester, um sein Leben endlich in den Griff zu kriegen: "Lars, man muss auch mal was zu Ende machen", ermuntert er sich selbst, um eine To-do-Liste abzuarbeiten, die so unterschiedliche Herausforderung wie das Verfassen des besten Buches der Welt und eines Nudelsalats vorsehen.

Zunächst aber ist einmal das Ikea-Bett für die Tochter dran, bei dessen Aufbau sich Lars redlich müht, den "Knülp" in "die in den Plodden vorgebohrten Arzen" zu versenken. Das dauert zehn Seiten lang, und die würde man nicht einmal dem Großmeister der Haushalts-und Heimwerkerprosa wie Nicholson Baker zugestehen.

Der eigenen Luschenhaftigkeit und Larmoyanz begegnet der Gatte der um vieles patenteren Johanna und Vater zweier Kinder mit Selbstironie. "Bedingungslose Liebe ist einfach, Zahnarzttermine sind schwer", kommentiert er sein Versagen, das Ehe und Familienleben -Lars ist die genannte Zeitspanne über ganz allein zuhaus - ernsthaft gefährdet. Die Bonmots geraten mitunter witzig, manchmal allerdings auch bloß halblustig: "Eine Steuererklärung ist wie eine Schachtel Pralinen, nur ohne Schokolade." Das scherzhafte Geplänkel des Akademiker-Ehepaars, bei dem Johanna ihrem schon wieder "walterbenjaminenden" Gatten ein zärtliches "J'Adorno" entgegenhaucht, erweist sich nicht unbedingt als abendfüllend.

In scherzhaftem Ton und als Folge crescendierender komischer Katastrophen verhandelt "Kleine Probleme" freilich dasselbe Thema wie "Muna". Auch Pollatscheks Protagonist müht sich verzweifelt, seine singuläre Existenz unter Beweis zu stellen, und hofft wider besseres Wissen darauf, "dass ich vielleicht auch etwas ganz Besonderes bin, etwas, was nur noch niemand entdeckt hat, wofür es noch kein Wort gibt, sowas wie nicht-binär, aber noch viel, viel seltener".

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