

Mein Schreibtisch ist jetzt mein Ozean
Valentin Ladstätter in FALTER 17/2012 vom 27.04.2012 (S. 38)
Es ist schwierig, über etwas zu schreiben, das einem gar keinen Spaß mehr macht – mit dem man längst abgeschlossen hat oder von dem man zumindest glaubt, damit fertig zu sein. Man stellt sich ein ums andere Mal die Frage, was das Ganze noch soll. Helge Timmerberg war sein Leben lang gerne auf Reisen. Seit er mit 17 von Bielefeld nach Indien trampte, ist der inzwischen 60-Jährige in allen Winkeln der Welt unterwegs. Doch seit einiger Zeit hat er das oben umrissene Problem: Er will nicht mehr reisen. "Mein Ozean ist mein Schreibtisch! Ich will heim!"
Trotzdem hat sich der inzwischen in Wien lebende Journalist und Schriftsteller noch einmal aufgerafft und ist nach Afrika aufgebrochen, um einen Kontinent zu erkunden, der ihn nach eigenen Angaben nicht einmal wirklich interessiert. Warum er dann hinfährt? Der Liebe wegen natürlich. Als sie sich kennenlernen, hat Lisa bereits einen Job in einer 5-Sterne-Lodge in Mosambik angenommen. Obwohl sie erst seit ein paar Monaten zusammen sind, kommt Timmerberg mit. Schnell steht fest, dass es selbst für jemanden mit so viel Lebens- und Reiseerfahrung eine große Herausforderung ist, die Abenteuer einer neuen Beziehung während einer Reise durch Afrika zu bestehen.
Doch, Überraschung: Aller Reisemüdigkeit zum Trotz ist Timmerbergs elftes und bisher bestes Buch herausgekommen. Nach rund 40 Jahren New Journalism versteht es der Autor, den Leser schon auf den ersten Seiten ins Buch hineinzuziehen und durch seine genauen Beobachtungen und seinen unverkennbar subjektiven Schreibstil hautnah an seiner Gefühls- und Umwelt teilhaben zu lassen.
So folgt man ihm 300 Seiten lang mit größter Anteilnahme und höchstem Vergnügen über den schwarzen Kontinent. An seiner Seite bestaunt man die riesigen Tierherden der Serengeti, steht gemeinsam mit ihm die Malaria-Anfälle durch und freut sich darüber, dass er nach langer Zeit einen alten Freund wiedertrifft. Andererseits ist man in Sachen Liebe ebenso enttäuscht und hoffnungsvoll, einfühlsam und bockig wie Timmerberg selbst. Und vor allem ärgert man sich am Schluss, dass das Buch schon zu Ende ist.