

Bedeutet Kreuzerlmachen Partizipation?
Maik Novotny in FALTER 3/2013 vom 18.01.2013 (S. 31)
Ob Bürgerinitiativen von Stuttgart 21 bis zum Wiener Augarten oder Forderungen der Piratenpartei in Sachen Liquid Democracy: Basisdemokratie hat wieder Konjunktur. Gleichzeitig wird sie in Form der Volksbefragung, insbesondere des vielgerühmten Schweizer Modells, auch gerne von den rechten Parteien als populistisches Lock- und vermeintliches Allheilmittel missbraucht. Aber besteht die Alternative zum geschmähten Alle-vier-Jahre-sein-Kreuzerl-Machen wirklich darin, dass man stattdessen viermal im Jahr sein Kreuzerl macht – online und gelangweilt? Nein, meinte der 1978 geborene Berliner Architekturtheoretiker Markus Miessen in einem Beitrag in der Zeit im Juni 2012, der auf überwältigende Resonanz stieß.
Miessen forderte darin ein konfliktorientiertes Verständnis von Partizipation "ohne Beteiligung der allerletzten Schnarchnase", ohne bequemes Auslagern der Verantwortung und Scheu vor konstruktivem Streit.
Im letzten Teil seiner "Trilogie Partizipation" geißelt Miessen den "Albtraum Partizipation" nun provokativ in Buchform. Konsens bedeute Stillstand und führe entgegen der landläufigen Meinung nicht zu einem Mehr, sondern einem Weniger an Interaktion; neue Ideen würden durch ihn weitgehend verhindert. Wer die als Basisdemokratie firmierende aggressive Selbstzerfleischung der deutschen Piraten kennt und deren hilflose Versuche verfolgt hat, diese fruchtlosen Beschlussfindungsanstrengungen mit infantiler Kuschelrhetorik auszugleichen, muss dem Befund des Architekturpublizisten Recht geben.
Als Gegenmodell zu der in zaghaftem Konsens versandenden Bürokratie schlägt Miessen den "uneingeladenen Außenseiter" vor, der die Debatte auf unabhängige, unverbrauchte und gerne auch dilettantische Weise voranbringe. Gerade Architekten seien für diese Rolle prädestiniert, seien sie doch schon per se Einzelgänger und stünden ohne Lobby da.
Miessens Plädoyer ist – wohl weil die einzelnen Essays und Interviews separat entstanden sind – mitunter holprig und etwas redundant geraten, verdient aber als Beitrag zu einem hochaktuellen Thema – siehe Volksbefragung zur Wehrpflicht – auch hierzulande Beachtung.