

Wie viele Tiere nahm Moses in die Arche mit?
Andreas Kremla in FALTER 29/2012 vom 20.07.2012 (S. 30)
Denken über das Denken fesselt Menschen seit jeher. Der Psychologe Daniel Kahneman zeichnet nach, nach welchen Mustern das Gehirn arbeitet. Und einige davon kann man gleich ausprobieren.
Zum Beispiel: "Wie viele Tiere jeder Art nahm Moses mit in die Arche?" Falls Sie spontan mit "zwei" geantwortet haben, liegen Sie zwar falsch, befinden sich aber in so großer Gesellschaft, dass die Fangfrage den Titel "Moses-Illusion" trägt. Und "Noah" klingt ja wirklich ganz ähnlich.
Was geschieht, wenn Sie nicht drauf reinfallen, ist die Zuschaltung Ihres "Systems 2". So nennen Kahneman und Kollegen jene langsamen Denkprozesse, die es uns erlauben, komplexe Zusammenhänge zu erfassen oder Entscheidungen auf Fehler zu überprüfen. "System 1" hingegen umfasst alles, wo's schnell gehen muss: unsere unbewussten Schätzungen und Kurzzeitprognosen, unsere impulsiven Entscheidungen, kurz unsere Intuition. Diesem flotten, doch groben System verdanken wir das Überleben unserer Art – und viele Fallen, in die wir in der weit komplexeren Welt von heute immer wieder tappen.
Diese zu ergründen hat dem seit langem in den USA forschenden Israeli als einem von ganz wenigen Psychologen einen Nobelpreis eingebracht – jenen für Wirtschaftswissenschaften. Den vermeintlich rationalen, gewinnorientierten Homo oeconomicus überführte er zahlreicher, durch die Struktur unseres Denkens vorgezeichneter Illusionen und evolutionär bedingter Fehlprognosen. Selbstüberschätzung, fehlende Informationen und Verlustangst führen zu wirtschaftlichen Fehlentscheidungen. Hier erzählt einer, der viel zu seinem Fach beigetragen hat, lebensnah aus dem Psycho-Labor – Anekdoten inklusive.
Locker mischt Kahneman saloppe Formulierungen und witzige Beispiele mit profundem Fachwissen. Die neurologische Hardware hinter den faszinierenden Fehlschaltungen hätte sich mitunter allerdings etwas mehr Aufmerksamkeit verdient.
Dank wiederholter Selbsterkenntniseffekte bleibt das Wissen darüber, wie das Hirn tickt, ebendort gut haften. Dass es sich lohnt, manchmal über das eigene Denken nachzudenken, wird hier unmittelbar erfahrbar.