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Kurzbeschreibung des Verlags
Nach seinem Geheimreport erscheinen hier erstmals Zuckmayers deutschlandpolitische Überlegungen - ein bedeutendes Zeugnis deutscher Mentalitäten nach 1945.
1946 reiste Carl Zuckmayer (1896-1977) als ziviler Kulturoffizier im Auftrag des Kriegsministeriums der USA für fünf Monate nach Deutschland und Österreich und verfaßte anschließend zwei Berichte über die dortige Lage. Adressaten seiner Berichte waren hohe amerikanische Militärs, Entscheidungsträger amerikanischer Deutschlandpolitik, die er durch seine reports beeinflussen wollte. Dies versuchte er weniger mit Statistiken als mit szenischen Berichten, kurz: mit Literatur, die die harte Realität Deutschlands in paradigmatischen Szenen und Gestalten erfaßt. Mit dem Blick des lange Abwesenden betrachtet er den Überlebenskampf seiner Landsleute in einem vom Krieg verwüsteten Land und vor allem die Situation und Verwahrlosung der Jugendlichen.
Neben seinem 1943/44 entstandenen Geheimreport sind die hier veröffentlichten Dokumente weitere bedeutende Zeugnisse der deutschlandpolitischen Überlegungen Zuckmayers, mit denen er damals gängigen Einschätzungen couragiert widersprach. Daher überrascht es nicht, daß sein Engagement sowohl von anderen Emigranten als auch von Mitarbeitern der amerikanischen Regierung äußerst argwöhnisch betrachtet wurde - allerdings aus diametral entgegengesetzten Gründen: In Emigrationskreisen galt er als hoffnungslos reaktionär, Mitarbeiter der amerikanischen Regierung verdächtigten ihn dagegen kommunistischer Umtriebe.
Der Band enthält neben den beiden Deutschlandberichten auch alle anderen Texte Zuckmayers zur Deutschlandpolitik, die in den Jahren zwischen 1946 und 1949 entstanden sind. In ihrer Einleitung beschreiben die Herausgeber ihre Entstehungsgeschichte auf der Grundlage bislang unveröffentlichter Briefe. Sie konfrontieren Zuckmayers Position mit anderen zeitgenössischen Deutschlandberichten, skizzieren seine Vorschläge zu politisch-dokumentarischen Filmen, die Gründe, aus denen sie nicht realisiert werden konnten, und sie zeigen, welche Bedeutung Zuckmayers Stellungnahmen für die Erforschung der deutschen Mentalitätsgeschichte zwischen 1945 und 1949 heute haben.
Deutschland 1946 Carl Zuckmayer erforschte als ziviler Ermittler die Situation im zerstörten Nachkriegsdeutschland.
Trümmerliteratur nennt man die Nachkriegswerke jener Generation von Autoren, die aus dem Krieg in eine zerstörte Heimat zurückkehrten und über deren Verwüstung und Überlebenskampf schrieben. Bei Carl Zuckmayer liegt die Sache etwas anders. Der 1939 in die USA emigrierte deutsche Schriftsteller reiste 1946 im Auftrag des US-Kriegsministeriums fünf Monate lang durch Deutschland und Österreich. Sein Auftrag: sich als ziviler Kulturoffizier ein möglichst genaues Bild vom besetzten Deutschland zu machen und insbesondere die Situation der deutschen Jugend zu analysieren.
Der Bericht, den Zuckmayer im Anschluss an seine Reise verfasste, sollte dem US-Verteidigungsminister George Marshall Entscheidungshilfe für die künftige Besatzungspolitik sein. Lange nach Zuckmayers Tod im Jahr 1977 wurde er nun gemeinsam mit anderen Dokumenten aus dieser Zeit in Buchform herausgegeben. Ähnlich wie bei dem vor zwei Jahren erschienenen Geheimreport von 1943, in dem Zuckmayer etwa 150 bedeutende Persönlichkeiten für die US-Regierung porträtierte, wurde der Schriftsteller für diese Aufgabe auch deswegen ausgewählt, weil er in Deutschland die notwendigen Bekanntschaften und Netzwerke besaß.
Im Zuge der Recherche zu seinem Bericht versucht er, sich ein Bild von der sozialen und seelischen Lage des zerstörten Landes und seiner Bewohner zu machen. Dabei gelangt er beispielsweise in eine Aufführung seines eigenen, nazikritischen Stücks "Der Hauptmann von Köpenick". Als die Aufführung von einem Jugendlichen mit Pfiffen bedacht wird, spricht Zuckmayer diesen an und bittet ihn um ein Gespräch. Eine ganze Nacht lang diskutiert er mit ihm über Demokratie, die Erfolge und Versäumnisse der Alliierten und eine friedliche Zukunft für Deutschland. Die geschilderten Erfahrungen sind weder exemplarisch noch objektiv, sondern szenisch und emotional geschildert, mit viel Gefühl für Dramaturgie.
Für Zuckmayer geht es vorrangig um die Frage, wie man dem zerstörten und hungernden Deutschland Perspektiven für eine demokratische Zukunft geben kann. Im Briefwechsel mit seiner Frau zeigt sich, wie sehr der Aufenthalt in seiner früheren Heimat an ihm nagt. "Es war mehr, als ein Mensch aushalten kann", schreibt er seiner Frau, als er kurz nach seiner Rückkehr krank im Bett liegt. "Jetzt wundere ich mich, dass ich nicht früher zusammengeklappt bin." Es traf ihn auch hart, dass er durch die Annahme dieses Auftrags die Gunst vieler Dichterkollegen wie Erich Maria Remarque, Alfred Döblin, des Mann-Clans und der Brecht-Gruppe verspielt hatte.
Zuckmayer gibt sich nicht mit bloßer Beschreibung zufrieden. Zwischen den Zeilen versteckt sich mahnende Kritik an den Amerikanern, die beim Wiederaufbau falsche Prioritäten setzen würden. Dadurch machte sich Zuckmayer allerorts Feinde. Bald stempelte ihn das Verteidigungsministerium als Kommunisten ab, er wurde überwacht, und seine Hoffnung, dass George Marshall seinem Bericht die gebührende Aufmerksamkeit schenken werde, schwand.
Heute stellt Zuckmayers Bericht keinen Zankapfel mehr dar. Das Dokument ist dennoch aktuell. Nicht nur wegen des tiefen Einblicks in die deutsche Nachkriegsgeschichte, sondern auch wegen der vielen Parallelen, die sich zur heutigen Situation im Irak aufdrängen.