Julien Duvivier. Virtuoses Kinohandwerk

112 Seiten, Buch
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ISBN 9783901644917
Erscheinungsdatum 20.02.2023
Genre Kunst/Fotografie, Film, Video, TV
Verlag SYNEMA Gesellschaft für Film und Medien
Beiträge von Dominik Graf
Redaktion Michael Omasta
Beiträge von Ralph Eue, Frederik Lang, Brigitte Mayr, Heike Klapdor, Ralph Eue, Frederik Lang, Ben McCann, Gerhard Midding, Peter Nau, Marie Epstein, Günter Groll
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Kurzbeschreibung des Verlags

Julien Duvivier, 1896 im nordfranzösischen Lille geboren, drehte zwischen 1919 und 1967 siebzig Filme als Regisseur. 1922 realisierte er – als Wegbereiter der Völkerverständigung zwischen den ehemaligen Erzfeinden – die erste deutsch-französische Gemeinschaftsproduktion nach dem Ersten Weltkrieg. Er wurde zu einer Schlüsselfigur des französischen Kinos der 1930er-Jahre und arbeitete in der zweiten Hälfte der Dekade partiell bereits in den USA, wo er auch die Zeit der deutschen Okkupation seiner Heimat überbrückte. Nach der Rückkehr aus Hollywood setzte er seine Karriere als internationaler Filmemacher von Frankreich aus fort und drehte mit Stars wie Jean Gabin, Danielle Darrieux, Michael Simon, Fernandel, Hildegard Knef, Lino Ventura, Adolf Wohlbrück, Jean-Pierre Léaud, Brigitte Bardot, Horst Buchholz, Senta Berger und Alain Delon.
Duviviers Œuvre wirkt wie eine kinematografische Begleitmusik entlang der großen kultur-, sozial- und mentalitätsgeschichtlichen Frontlinien bzw. Verwerfungen seiner Zeit: vielgestaltig hinsichtlich der Themen, unvorhersehbar in den stilistischen Herangehensweisen und beeindruckend differenziert in der Durcharbeitung konträrer Positionen.
Mit der vorliegenden Hommage würdigen wir erstmals hierzulande in größerem Umfang das Werk dieses "Fachmanns der Filmkunst", wie ihn Jean Renoir charakterisierte, als er 1967 seinen Nachruf auf Julien Duvivier verfasste.

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ISBN 9783901644917
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FALTER-Rezension

Julien der Fatalist

Michael Pekler in FALTER 19/2024 vom 10.05.2024 (S. 38)

Wer meint, dass die Geschicke des Menschen vom Schicksal bestimmt sind, könnte sich im eigenen Leben eigentlich zurücklehnen. Denn was bleibt noch zu tun, wenn trotz Glaube, Liebe und Hoffnung am Ende alles seiner Bestimmung folgt?

Julien Duvivier (1896-1967) war Fatalist. Als "Meister des poetischen Pessimismus" bezeichnet ihn die breit angelegte Retrospektive, mit der das Filmmuseum den heute nur noch wenig bekannten Filmemacher würdigt. Den Pessimisten hätte Duvivier vermutlich gelten lassen, den Meister wohl dankend abgelehnt -es sei denn, Meisterschaft bestünde darin, sich vor allem als Regisseur vollkommen in den Dienst des Kinos zu stellen. "Genie ist nur ein Wort", so Duvivier, "Filmemachen ist ein anspruchsvolles Handwerk, das man lernen muss." Und Duviviers Anspruch an sich selbst war gewaltig.

Mit dem Begriff des traditionellen Autorenkinos, mit dem es sich die Filmgeschichte gerne und oft zu einfach macht, konnte Duvivier jedenfalls nichts anfangen -wie viele seiner zu "Autoren" erklärten amerikanischen Kollegen in den Hollywoodstudios. Dabei braucht es gar keine späte Ehrenrettung Duviviers als verkanntes Genie, dessen populärster Film die Nachkriegskomödie "Don Camillo und Peppone"(1952) ist -in der am Ende der streitlustige Priester des Dorfes verwiesen wird. Kino muss man zunächst einmal machen können, war Duviviers Überzeugung.

Was die historische Einordnung seiner knapp 70, sich über fast ein halbes Jahrhundert und nahezu sämtliche Genres erstreckenden Filme nicht einfacher macht: Komödien, Gangsterfilme, Film noir, Melodramen, Kostümfilme und sogar Bibelepen, realisiert in Frankreich, Italien, Deutschland und Hollywood, geschrieben und inszeniert stets vor gesellschaftspolitischem Hintergrund. Wer wie Duvivier am "Hochseil eines Alleskönners" tanzt, wie es der deutsche Regisseur Dominik Graf formuliert, erntet nicht nur Bewunderung.

Duvivier lernte sein Handwerk in der Stummfilmzeit und erwies sich von Beginn an als äußerst experimentierfreudig. In "Poil de carotte" (1925), seiner ersten von zwei Verfilmungen eines Romans des Schriftstellers Jules Renard, erlebt man irritierende Spiegelungen, Traumsequenzen und fantastische Doppelbelichtungen. Des Diebstahls beschuldigt und von seiner bösartigen Mutter verachtet, möchte sich der aufgrund seines roten Schopfs nur "Karottenhaar" genannte François im Schuppen erhängen. "Eine Familie besteht aus mehreren Personen, die unter einem Dach leben und einander nicht ausstehen können", schreibt er zu Beginn in sein Schulheft. Das Drama eines lieblos aufwachsenden Kindes ist Duvivier aber weniger wichtig als die Gründe für den versuchten Suizid: die zynische Welt der Machtkämpfe der Erwachsenen.

In einem seiner schönsten Filme, "La Belle Équipe"(1936), einem Schlüsselwerk des Poetischen Realismus, gewinnen fünf arbeitslose Freunde in der Lotterie und beschließen, mit dem gemeinsamen Geld ein verfallenes Gasthaus am Fluss zu renovieren. Das fatale Ende -der Produzent ließ Duvivier nachträglich ein Happy End inszenieren -ist so unausweichlich wie die Frage, ob die Freunde überhaupt jemals eine Chance hatten.

Man möchte es glauben, wenn sie am Ostersonntag ihr Lokal "Chez nous" eröffnen, Jean Gabin zu singen beginnt und die kleinen Boote der Ausflügler malerisch über die Marne treiben. Oder sich die Männer im strömenden Regen mit ausgebreiteten Armen auf das Dach legen, um dieses vor dem Sturm zu retten. Doch es kommt anders.

In den Dreißigerjahren inszeniert Duvivier eine Reihe beeindruckender Arbeiten, darunter den kapitalismuskritischen "David Golder"(1931), mit Harry Baur in der Titelrolle, über den Untergang eines mächtigen Bankiers; den in Nordafrika gedrehten Kolonialkrimi "Les cinq gentlemen maudits"(1931), in dem fünf Lebemänner von einem Fluch - also erneut vom Schicksal - ereilt werden; und nicht zuletzt mit "Pépé le Moko" (1937) einen seiner wichtigsten Filme mit Jean Gabin.

Als melancholisch verliebter Gangster hält dieser sich in der Kasbah von Algier versteckt, als ungekrönter König in einem Labyrinth aus Gassen und Hinterhöfen. Dass sein Glaube an die Liebe ihm den Tod bringt, ihm die Wahrheit wie ein Dolch ins Herz fährt, ist nur das logische Resultat dieser trügerischen Freiheit, die in Wahrheit eine Gefangenschaft ist.

Die Tragödie Pépés ist bezeichnend für zahlreiche Filme Duviviers. Die Außenseiter, die Arbeitslosen, die Kriminellen, selbst die den Verräter in den eigenen Reihen suchenden ehemaligen Résistance-Kämpfer ("Marie-Octobre", 1959) handeln nie aus niederen Motiven, aus Geiz oder Gier. Sie suchen vielmehr nicht weniger als das persönliche Glück in einer bürgerlichen Gesellschaft, mit der sie im Streit liegen.

Eines der schönsten Beispiele dafür ist die Simenon-Verfilmung "Panique"(1947), in der Michel Simon als Monsieur Hire des Mordes an einer alten Dame verdächtigt wird und die Hitchcock gesehen haben muss. Mit seinem Fotoapparat, der seine Unschuld beweist, hängt er auf der Flucht vor dem Lynchmob an einer Dachrinne, nachdem er sich zuvor durch einen Blick aus seinem Fenster zum Hof verliebt hat - in jene Frau, die seinen Heiratsantrag abgelehnt hat und ihn nun ans Messer liefert. "Es war eine tolle Idee", wie Jean Gabin als glückloser Gewinner in "La Belle Équipe" erkennt. "Aber sie war zu schön, um wahr zu sein."

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