"Bin Dichter nur der Posse": Johann Nepomuk Nestroy

Versuch einer Biographie
312 Seiten, Buch
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Reihe QUODLIBET / Publikationen der Internationalen Nestroy-Gesellschaft
ISBN 9783901749971
Erscheinungsdatum 01.02.2012
Genre Sachbücher/Kunst, Literatur/Biographien, Autobiographien
Verlag Lehner, Johann
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Kurzbeschreibung des Verlags

Der Titel „Bin Dichter nur der Posse“ stammt aus einem Albumspruch Johann Nepomuk Nestroys (1801–1862) und verweist auf die ironische Bescheidenheit, die dem „Wiener Aristophanes“ eigen war, der damit eine distanzierte Sicht auf sein wechselvolles Leben mit allen Höhen und Tiefen bewies: „Seine Stücke erregen Furore oder machen Fiasko“, schrieb ein Kritiker im Jahr 1848. Sein literarisches Schaffen begann mit parodistischen Zauberspielen und erreichte mit den klassischen Possen der Jahre 1840–1842 einen Höhepunkt. In den Werken der darauffolgenden Jahrzehnte bis zu den letzten Einaktern fanden die Spannungen von Vormärz, Revolution und Restauration ihren Niederschlag.
Im Unterschied zu anderen bedeutenden Dichtern seiner Zeit mag Nestroy auf den ersten Blick als weltgewandt und selbstsicher erscheinen; dass sein Charakter wesentlich komplexer war, wird erst bei genauerer Betrachtung an vielen Facetten seines Berufs- und Privatlebens sichtbar. Seine Leistungen als charismatischer Schauspieler, satirischer Dichter von Weltrang und (oftmals unterschätzter) Theaterdirektor werden im Kontext des kommerziellen Wiener Vorstadttheaters, aber auch der internationalen Theaterkultur seiner Zeit gesehen.
Dieser Band unternimmt unter Berücksichtigung aller durch die historisch-kritische Nestroy-Ausgabe (1977–2010) gewonnenen Erkenntnisse den Versuch einer „lesbaren“ Biographie, die ohne viel Fachterminologie auskommt, sehr wohl aber auf genaue Nachvollziehbarkeit auf der Basis überlieferter Quellen achtet. Mehr als 70 Abbildungen vergegenwärtigen die Vielseitigkeit von Leben und Schaffen des großen Satirikers.

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Reihe QUODLIBET / Publikationen der Internationalen Nestroy-Gesellschaft
ISBN 9783901749971
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FALTER-Rezension

Der Tuttifrutti-Klassizismus des Johann N.

Klaus Kastberger in FALTER 20/2012 vom 16.05.2012 (S. 36)

Aus Anlass seines 150. Todestages am 25. Mai erscheinen zwei Biografien von Johann Nepomuk Nestroy

Alle kennen Johann Nestroy, dessen hagere Gestalt auf den Rollenfotos ein Jahr vor seinem Tod: Als Jupiter ist Nestroy da mit einer übermächtigen Krone zu sehen, die alles erdrückt, oder als Knieriem mit zum Gruß erhobener Hand – eine Rolle, die er gezählte 258 Mal gespielt hat.
Ein Foto, das bis heute Nestroy-Bücher als Cover ziert (so auch Renate Wagners neue Biografie), zeigt die baumlange Gestalt des Mimen als Tratschmiedl in der Posse "Der Tritschtratsch". Eine Schwanenfeder steht seitlich vom Käppchen weg, ein überdimensionales weißes Tuch ist um den Hals gebunden. Daumen und Zeigefinger hält er vor dem Gesicht seltsam affektiert aneinandergezwirbelt, so, als wollte er sich eine Prise Schnupftabak genehmigen, doch weiß man nicht so recht, was diese Geste im Zusammenspiel mit dieser Mimik bedeuten soll: Trinkt hier eine zu alte Dame Kaffee aus zu feinem Porzellan oder verlacht ein gemeiner Mensch die Welt?

Johann Nestroy war eine frühe Inkarnation von Karl Valentin. Zeitgenossen berichten von der überwältigenden Bühnenpräsenz, die der im Leben oft schüchtern wirkende Mann hatte. Seine Auftritte als Schauspieler waren von einer Heftigkeit, die er in den eigenen Stücken zur Meisterschaft brachte: Derartiges hatte man an bürgerlichen Bühnen bislang noch nicht gesehen.
An Ödön von Horváth, der ziemlich exakt 100 Jahre nach Nestroy geboren wurde und von diesem einiges gelernt hat, erweist sich, dass Nestroys krudes Lachtheater auch in schwierigen Zeiten zu gebrauchen ist. Knapp nach dem Einmarsch Hitlers in Österreich schrieb Horváth an seinen Freund Franz Theodor Csokor: "Man müsste ein Nestroy sein, um all das definieren zu können, was einem undefiniert im Wege steht."
Im Jahr 1938, als dieser Satz vermeintlich geschrieben wurde (tatsächlich hat Csokor den ganzen Brief nach 1945 aus dem Gedächtnis rekonstruiert), hatten Nestroys Stücke in Österreich eine erste Renaissance hinter sich. Maßgeblich befördert wurde sie von Karl Kraus, der auf Nestroys geniale Sprachbehandlung hinwies und auf dessen entlarvenden Witz, der im "abseitigen Winkel der Posse" mehr Lebenskennerschaft enthalte als das "Repertoire eines ganzen deutschen Jahrzehnts".
Ähnlich, nämlich gerade nicht als Ferdinand Raimunds schlampigen Bruder, sah der Initiator der österreichischen Nestroyforschung, der Gymnasiallehrer Otto Rommel, die Stücke des Autors in ihren spezifisch österreichischen Eigenarten. Die Wiener Hochschulgermanistik hingegen in Gestalt ihres berüchtigten völkischen Literaturhistorikers Josef Nadler hielt Nestroy eher für eine Degenerationserscheinung des "echten" Volksstückes. Die Bühnenstücke Nestroys seien keine wahre Dichtung, denn es fehle ihnen das tragisch Unsägliche; in den bleibenden Worten Nadlers: "Sie machen keine Träne."

"Bin Dichter nur der Posse" nennt wie zum Beweis, dass es auch anders geht, W. Edgar Yates seine neue Nestroy-Biografie. Gemeinsam mit Jürgen Hein und Walter Obermaier hat Yates, der emeritierte Professor aus Exeter, vor kurzem die historisch-kritische Gesamtausgabe Nestroys in 56 Bänden abgeschlossen. Aber nur keine Angst: Der Philologe bedient sich hier eines ausgesprochen flüssigen Stils. Freilich hat auch seine Biografie mit der Quellenlage zu kämpfen: Über das, was die Leute an Nestroy schon zu dessen Lebzeiten am meisten interessiert hat, nämlich dessen zahlreiche Amouren, findet sich kaum Material. Mit Ausnahme eines Briefes an Karoline Köfer hat Nestroy fast alle Quellen vernichtet. Dieser eine Brief ist aber nicht schlecht. En détail beschreibt Nestroy in ihm die Inszenierung des ersten Treffens, bis hin zu geheimen Winkzeichen, die die Umworbene aus ihrer Kutsche heraus dem passierenden Adoranten auf der Prater-Hauptallee geben sollte.
Dass Nestroy mit seiner ersten Frau Wilhelmine, die ihn wegen eines anderen verließ, kein Glück hatte, und dass seine zweite Frau, die Schauspielerin Marie Weiler, sein Triebleben in ähnlicher Weise zu kontrollieren suchte, wie sie es (erfolgreicher) mit seinen Finanzen tat, ist bekannt. Edgar Yates akzentuiert in seinem Buch ein weiteres Laster: die Spielsucht Nestroys, der im Kartenspiel Piquet leider eine "Wurzen" war, also jemand, der immer verliert.
Nestroys Frühzeit als fahrender Schauspieler wird in einer umfangreichen Liste von Rollen und Orten dokumentiert. In Hinblick auf die Lesbarkeit der Biografie sind diese hypergenauen Verzeichnisse eher eine Bürde denn ein Gewinn. Renate Wagner, deren Buch im Vergleich mit jenem von Yates so etwas wie die pauschalierende Kurzversion darstellt, behilft sich an dieser Stelle mit Abbreviationen, verfällt dann aber, wenn es um Nestroys Stücke geht, in einen umso strapaziöseren Aufzählungstrott.

Über 70 Theaterstücke hat Nestroy geschrieben, wobei auf jeden Erfolg zumindest eine grandiose Niete folgte. Als Schauspieler war er über Jahrzehnte hinweg im Ensemble von Carl Carl, dem "Napoleon des Wiener Theaters", engagiert und nach dessen Tod für einige Jahre selbst Direktor des Carltheaters. Yates, der die nötigen Differenzierungen auch dort nicht scheut, wo es um die ungleichen Einkommensverhältnisse dieses Systems geht, lässt keinen Zweifel darüber aufkommen, dass dieses frühe Unterhaltungsimperium puren Kommerz produzierte.
Dieser Umstand scheint für das Verständnis von Nestroys Werk bis heute entscheidend: Er ist immer auf die momentane Wirkung aus, der alles andere untergeordnet wird. Als Mime und Autor, erst recht aber als Theaterdirektor bot er dem Publikum das Spektakel, das dieses sich wünschte: den derben Witz, die obszöne Geste, das politisch Unkorrekte bis hin zum Tuttifrutti-Programm, in dem revueartig Kunstreiterinnen und Akrobaten zum Einsatz gelangten.
Wenn Renate Wagner vor einem solchen Hintergrund darauf beharrt, dass Nestroy gerade mit klassisch gebauten Stücken wie dem "Talisman" in den Olymp des Theaters aufgestiegen sei, fehlt der entscheidende Hinweis darauf, dass Klassizität hier lediglich ein Betriebsunfall war.

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