

Nichts ist durchaus nicht nichts
Sebastian Fasthuber in FALTER 19/2010 vom 14.05.2010 (S. 28)
Bernhard Strobel und Bjarte Breiteig opponieren mit ihrem Minimalismus gegen den erzählerischen Mainstream
Ist es wegen deinem Vater?", fragte sie. "Nein", sagte er. "Ist es Maria? Ist es wegen dieser Maria?" Er schüttelte den Kopf. "Was ist es dann?" "Nichts, nichts", sagte er.
Die Prosa von Bernhard Strobel (Jg. 1982) bezieht ihren Reiz aus der radikalen Reduktion. Dinge werden angetippt, Ereignisse angedeutet, vieles aber bleibt auch im Dunkeln. Die Leerstellen darf der Leser auffüllen. Es verhält sich ähnlich wie in der Musik, wo einige der genialsten Werke unter bewusstem Verzicht auf jedweden Zierrat entstanden sind. Schon klar, der Künstler könnte viel mehr und ganz anders – aber wozu?
Strobel zieht es vor, gewisse Dinge lieber nicht zu sagen und zu tun. Er bevorzugt das kurze Hinblenden auf eine Situation – etwa bei der Momentaufnahme einer Familie, die nach einem Begräbnis zusammenkommt, in "Sonntagsruhe". Dass es hier auch noch andere Leichen im Keller gibt, kann man sich irgendwann denken. Vorgeschichte und mögliche Konsequenzen bleiben jedoch der Fantasie überlassen.
Minimalismus, wie Strobel ihn versteht, ist keine leichte Übung. Das wenige, was dasteht, muss verdammt gut und genau gearbeitet sein, um seine Wirkung zu entfalten. Und das ist es in der Regel. Der junge Wiener konstruiert seine Bücher sorgfältig – Satz für Satz, Erzählung für Erzählung
und schließlich auch als Gesamtkomposition. Und auch die Buchtitel sind Kleinodien der Lakonik: Auf "Sackgasse", das Debüt von 2007, folgt jetzt also "Nichts, nichts", ein Band mit neun Erzählungen, die sowohl Kontinuität als auch Weiterentwicklung bedeuten.
Strobels Figuren sind Außenseiter, abgestellt am Rande der Gesellschaft. In wortkarger Verzweiflung führen sie nur noch eine Art Nachleben. Hier gleichen sich Jung und Alt: Auch 25-Jährige sind bereits gründlich desillusioniert, vermögen den grauen Schatten der Vergangenheit, der über ihrem Leben hängt, nicht abzuschütteln – was auch an ihrer Unfähigkeit liegt, sich ausdrücken und sich jemandem anvertrauen zu können.
Neuland markiert die letzte Geschichte des Bandes. "Eine flüchtige Begegnung" zeigt zwei, die auf der Flucht vor der Fremdenpolizei sind. Diese Menschen müssen sich bewegen. Ihre Begegnung mit einem typischen Strobel-Helden, dessen Leben sich nur mehr in engstem Radius und sehr langsam bewegt, sorgt für einen reizvollen Kontrast. Und es ist zwischen den Zeilen mehr über das gegenwärtige Österreich zu erfahren als in so manchem dezidiert politischen Text.
Auch wenn Bernhard Strobel mittlerweile an einem Roman arbeitet, sind seine Erzählungen doch keine Vorstufen oder Übungen, sondern das gerade recht dimensionierte Gefäß für seine Geschichten.
Für seine erste Übersetzung hat sich der Skandinavist Strobel mit Bjarte Breiteig einen norwegischen Bruder im Geiste ausgesucht. Tatsächlich ähneln sich die Methoden der beiden Autoren derart stark, dass man die Geschichten aus dem Erzählband "Von nun an" streckenweise für echte Strobels halten könnte.
Auch Breiteigs Figuren gehen auf Distanz zueinander und zu sich selbst. So bietet die Titelstory eine existenzielle, atmosphärisch dicht aufgeladene Schilderung der Zugfahrt eines jungen Mannes auf dem Weg in ein weit entferntes Krankenhaus. Er teilt sich das Abteil mit einem, der
behauptet, ein Jugendfreund zu sein und Details aus seinem Leben kennt, ohne dass er sich umgekehrt an sein Gegenüber erinnern könnte. Etwas Unheimliches liegt
in der Luft. Bei der unmittelbaren Wirkung hat der Norweger die Nase vorn,
stärkere Nachbeben erzeugt der Österreicher mit seiner noch feiner gearbeiteten Prosa.
Unspektakulär treten diese Erzählungen auf, und doch zählt jedes Wort. Hier wächst eine stille Opposition zum erzählerischen Mainstream heran, die bald schon mehr Zulauf bekommen könnte und von der zu hoffen ist, dass sie den eingeschlagenen Weg unverdrossen weiterverfolgt.
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