

Der mit dem Bären tanzt
Thomas Wolkinger in FALTER 44/2010 vom 05.11.2010 (S. 43)
László Varvasovszky, begnadeter Kinderbuchautor und Erzähler, kommt für bookolino auf Graz-Besuch
László Varvasovszky weiß, dass er eigentlich öfter einmal zu Workshops mit Kindern sollte. Den Bedarf gibt es, und das Honorar kann einer, der von Kinderbüchern lebt, auch gut gebrauchen. Nur: "Ich bin kein guter Werbär in eigener Sache." Varvasovszky sagt wirklich "Werbär", was Leser, die sein "Bärenwortspielbuch" kennen oder überhaupt um seine Schwäche für Bären wissen, wenig verwundern wird. Wer sich wundert, sollte entweder schleunigst alle Varvasovszky-Bücher besorgen, die gerade nicht vergriffen sind, zumindest aber diese Woche im Grazer Literaturhaus dabei sein, wenn der Autor, Zeichner, Bühnenbildner, Performer und zwischenzeitliche Wahlgrazer doch wieder einmal ausrückt, um einen Workshop abzuhalten oder "von Clowns, Schneebären, Osterbären und Zaubärern" zu erzählen.
Mit Bären hat alles begonnen. Mit Schneebären, um genau zu sein, die sich von gewöhnlichen, wie Varvasovszky in seinem Wohnatelier im 17. Wiener Bezirk erzählt, in vielerlei Hinsicht unterscheiden. Worin genau, steht im legendären, erstmals 1978 erschienenen "Schneebären-Buch". Nur so viel: Schneebären haben etwas Pinguinisches, lutschen Eis, statt Fleisch zu fressen, und feiern tolle Feste. Die Idee zu diesem Kinderbuchklassiker kam Varvasovszky im Schlaf. Seinen Job als Bühnenbildner in Oper und Schauspielhaus, dessentwegen der gebürtige Wiener 1972 nach Graz gezogen war, hatte er gerade aufgegeben, an der hiesigen Musikuni wirkte er bereits – und noch bis 1995 – als Lektor und Assistent für Bühnengestaltung.
Varvasovszky, der Geschichten so lebendig erzählen kann, als seien sie ihm gerade eben passiert, weiß noch genau, wie er damals im Schlaf über das Bild lachen musste, das er erträumte: wie sieben Schneebären, einer hinter dem anderen, "ihr Goderl" jeweils auf den Hinterkopf des Vorderbären stützten. Noch beim Frühstück skizzierte er die Geschichte, die – auch das macht sie besonders – den Prozess ihres Entstehens ebenso zum Inhalt hat wie ihre tierischen Helden. Keine bewusste "postmoderne" Haltung, wie Varvasovszky zugibt, ihm habe es damals einfach an Erfahrung gefehlt, wie man eine richtige, "direkte" Geschichte schreibt.
Das Beste beider Welten – die Bühne und die Wort-Bild-Erzählung – hat Varvasovszky nur zwei Jahre nach seinem Kinderbuchdebüt zusammengeführt. Mit dem aus unerfindlichen Gründen vergriffenen, in seiner traumwandlerischen Opulenz an Winsor McCays "Little Nemo" erinnernden Buch "Honki im Schattenland", das 1980 als "Kindateata" auch im steirischen herbst lief. Man hätte gerne Bilder von dem Abend im "bummvollen Orpheum", an dem Varvasovszky selbst gleich vier Rollen übernahm, die Komponistin Katharina Klement den Knappen Richard Hasenherz und der heutige Kreativwirtschaftsvernetzer Eberhard Schrempf den König, den Trommler "Mr. Hoffnung" und den Teddy spielte. "Abenteuerlich schön!" war's, schwärmt Varvasovszky heute noch.
Das Bühnenbildnern hat er inzwischen aufgegeben, es habe ihm zu viel Ärger bereitet, sagt er. Auf der Bühne tritt er noch auf – und zwar mit der Performance "Im Auge des Zeichners", zusammen mit dem Cellisten Michael Moser und der Schauspielerin Martina Zinner vom Theater im Bahnhof. Und mit "Kindern von 4 bis 104" im Publikum, die Stichworte liefern, um das Bühnengeschehen voranzutreiben. "Es kommt vor, dass plötzlich niemand mehr weiß, wie es weitergeht!", sagt Varvasovszky. Und dann wieder laufe es wie von selbst.
Eine Erfahrung, die er auch beim Schreiben der gut zwanzig Kinderbücher gemacht hat, die seit den "Schneebären" entstanden. Für die meisten hat er Text und Bilder verfasst, gelegentlich auch "nur" Texte anderer Autoren wie Reinhard P. Grubers ("Fritz, das Schaf") oder Barbara Frischmuths ("Die Geschichte vom Stainzer Kürbiskern") illustriert.
Nur so dahin gegangen sei es bei seinem jüngsten Buch "Unterirdisch schön", einem in mehrerlei Hinsicht ungewöhnlichen Projekt. Zum einen, weil es ein Auftragswerk einiger Kaufleute rund um den Wiener Margaretenplatz war, die auch als Protagonisten auftauchen. Zum anderen, weil dieser Umstand die Qualität der turbulenten, vor guten Ideen fast implodierenden Geschichte rund um drei legendäre Bezirksdrachen, deren Menschenfreunde und eine Reihe gruseliger Gesellen so gut wie gar nicht beeinträchtigt. Außerdem weil Varvasovszky das Kunststück gelang, urbane Mythen derart vielschichtig mit aktuellen gesellschaftlichen Fragen aufzuladen, dass seine Lehre gänzlich ohne Zeigefinger auskommt. Wie selbstverständlich heißen die Kinder, die seinen Drachen auf die Spur kommen, Ceyda, Erdal, Kara und Paul, wie selbstverständlich arbeitet Ceydas Vater in einem zweisprachigen Verlag, ihre Mutter als Thomas-Bernhard-Übersetzerin. "Die herkömmliche Integrationsdebatte führe ich nicht", sagt Varvasovszky, dem angesichts der offiziellen Politik oft genug "das Geimpfte aufgeht". "Ich zeige das Ganze lieber post festum, vielleicht bin ich da zehn oder zwanzig Jahre voraus."
@ bookolino: Workshops am 4. u. 5.11., 09.30, Lesung am 5.11., 15.30