

Dominika Meindl in FALTER 5/2020 vom 31.01.2020 (S. 32)
Julian erlebt die Erhabenheit eines Gewitters. Ilse hat Angst, sich aus der Wohnung zu sperren. Lukas leidet an Namensdemenz. Sonja wünscht sich sehnlich, auf etwas zu schießen. Jörg Zemmler hat sich für „Seiltänzer und Zaungäste“ Begegnungen mit Figuren ausgedacht, deren Ticks, Schrullen, Gedanken und Erlebnisse er in maximal zwei Seiten packt; durchaus mit Pointe, aber nicht erzwungen. Auf eine Frau folgt stets ein Mann, manche reflektieren Profanes, manchen widerfährt Großes.
Die stilistisch zurückhaltenden Szenen drehen sich um die Unbehaustheit in befristeten Mietverhältnissen, die unerträgliche Verantwortung der Obhut über die Wohnung urlaubender Freunde, das Glück wartender Anschlusszüge oder Mutmaßungen über das Liebesleben von Zeugen Jehovas. Zemmler ist eine eigenwillige, fast knorrige Erscheinung in der Literatur – und eine spannende.