
Die Schule, der Islam, die Jugend und ein Direktor
Florian Klenk in FALTER 47/2025 vom 19.11.2025 (S. 20)
Kaum Deutschkenntnisse, islamistische Prediger, Überforderung mit der Mehrheitsgesellschaft, Rassismus, Antisemitismus und Geldnot vieler eingewanderter Eltern -Lehrerinnen und Lehrer an Wiens Pflicht-und Mittelschulen stehen heute vor einer gewaltigen Aufgabe: Wie formt man aus einer sprachlich, kulturell und sozial diversen Klasse so etwas wie eine Gemeinschaft? Wie stark darf, wie stark muss der Staat eingreifen, wenn allzu konservative Religion Integration und die persönliche Freiheit und Entfaltung behindert?
In den letzten Jahren haben viele aus der Praxis das Wort ergriffen - meist mit dem Gestus: "Endlich sagt's einer!" Vor diesem Hintergrund meldet sich nun ein konservativer Pädagoge: Christian Klar, ehemaliger ÖVP-Personalvertreter und Direktor der Franz-Jonas-Schule in Floridsdorf, Feindbild der Islamischen Glaubensgemeinschaft. Nach seinem anekdotischen Bestseller "Was ist los an unseren Schulen?" legt er mit "Wie retten wir die Zukunft unserer Kinder?" nach.
Im ersten Teil überzeugt Klar. Seine Diagnose ist auch diesmal anekdotisch, Fußnoten oder Verweise zu Studien sucht man vergeblich, aber seine Vorschläge klingen überraschend progressiv und diskussionswürdig. Angesichts der "erschreckenden Sprachlosigkeit" vieler Kinder (fast die Hälfte der Erstklässler in Wien spricht kaum Deutsch) fordert er ein fünftes Volksschuljahr und Schulpflicht ab fünf. Kindergartenpädagoginnen und Lehrerinnen (meist sind es Frauen) sollen gemeinsam unterrichten, mit klarem Fokus auf Deutsch. "Die Schulreife", beobachtet Klar, sei erschreckend absent. Kinder könnten kein Besteck halten, keine Schuhbänder binden, es fehle auch Eltern an elementaren sozialen Regeln. Seine Folgerung: verpflichtende Sprachtests im Eltern-Kind-Pass und zwei Jahre Kindergartenpflicht ab dem dritten Geburtstag. Für einen Konservativen ist das bemerkenswert: noch vor wenigen Jahren galt das ÖVP-Mantra: "Das Kind gehört zur Mutter."
Klar thematisiert die "Überaltrigkeit" an Mittelschulen: "Oft sind weniger als die Hälfte der Kinder einer ersten Klasse tatsächlich zehn Jahre alt, die anderen ein bis drei Jahre älter, häufig frustriert und verhaltensauffällig." Das gefährde den Bildungserfolg der fleißigen Mehrheit, vor allem der Mädchen. Seine Lösung: mehr Spezialunterricht in Deutschförderklassen. Das "Sprachbad" hält er anders als der wissenschaftliche Mainstream für Illusion. Und er ist nach deutschem Vorbild für die Möglichkeit, dass Kinder "aus pädagogischen Gründen" aufsteigen, um Überaltrigkeit zu vermeiden. Das Bildungssystem, argumentiert Klar, sei übrigens durchlässiger, als oft angenommen. Abendmatura, Karriere mit Lehre, berufsbildende Schulen: viele seiner Kinder hätten erst auf diesem Weg reüssiert.
Bis hierhin: ein Lehrer, der hinschaut und widerspricht. Doch dann kippt der Ton. Aus dem Bildungspraktiker wird der Abendland-Moralist. Aus dem Schulreformer der Kulturkämpfer, der sich nach den 1980er-Jahren sehnt, als Klar als Lehrer begonnen hat. Im Kapitel über den "politischen Islam" klingt vieles nach Parteitagsrede.
Er, der lange an der konservativen jüdischen Lauder-Chabad-Schule unterrichtete, erkennt nur im Islam das große gesellschaftliche Problem. Er wirft mit Koran-Suren um sich, um die Militanz des Islam per se zu belegen. Das langweilt dann doch. Er verwechselt jugendkulturelle Provokation mit religiösem Fanatismus, schlechtes Benehmen oder schlicht Überforderung mit Ideologie.


