
Ulrich Rüdenauer in FALTER 51-52/2011 vom 21.12.2011 (S. 28)
Zu jung, um Täter gewesen, und zu alt, um den Erfahrungen des Krieges entkommen zu sein – die Generation der zwischen 1925 bis 1929 Geborenen war immer etwas sprachlos, wenn es um die eigenen Verstrickungen in das "Dritten Reich" ging. Ein außergewöhnliches Dokument des Erinnerns liegt nun vor: In einem Monolog, der freilich Ergebnis eines intensiven Gesprächs ist, das die Hörbuchmacher Klaus Sander und Thomas Böhm geführt haben, erinnert sich Dieter Wellershoff (Jg. 1925) an die Nazizeit: an das Hineinwachsen in eine Uniform und eine Ideologie, die ihn schließlich mit 17 als Freiwilligen in die "Division Hermann Göring" führt. Der Autor, der bereits in seinen Büchern von diesen Jahren erzählt hat und wie viele andere seiner Generationsgenossen von seiner Vergangenheit eingeholt wurde, schildert die Faszination für das Hitler-Regime und den Schrecken des Krieges mit einer zunächst merkwürdig erscheinenden Lakonik – kühl, bedächtig, aber auch mit kräftigen Bildern. Bald aber merkt man, dass die Distanz ein Katalysator ist: Hier beobachtet sich einer beim Beobachten. Und vielleicht auch beim Verdrängen all des Unausgesprochenen.


