

Lösung für die Zucchinischwemme
Katharina Seiser in FALTER 32/2019 vom 09.08.2019 (S. 41)
Es ist nicht alt genug die Kuh, sie lernt noch immer was dazu. Das war ein Lieblingsspruch meiner Oma, den sie verwendete, wenn sie etwas Neues erfuhr oder mir etwas auftrug, worauf ich keine Lust hatte, was mir schwerfiel oder wobei ich mich patschert anstellte, als pädagogische Krücke quasi. Einer meiner kulinarischen Alte-Kuh-Aha-Momente war im Sommer 2011. Denn da lernte ich plötzlich Zucchini als Solisten lieben.
Bis dahin hielt ich nämlich nicht viel von ihnen, was ich noch im Jahr zuvor so beschrieben hatte: „Hätte ich sie heute Mittag nicht versalzen, hätten die sautierten Zucchini vielleicht nicht nur nach Röstaromen, Mandeln und Dill (und Salz), sondern auch nach Zucchini geschmeckt. Es hätte aber auch sein können, dass sich meine Vorurteile diesem unkomplizierten Fruchtgemüse gegenüber so oder so bestätigt hätten: das Rundherum schmeckt – Zucchini nicht. Immerhin geben sie Konsistenz und Volumen, Gewürze allein kann man ja schlecht essen.“
Das war ungerecht und wirklich irren können die Italiener in kulinarischen Fragen kaum, außer dann, wenn sie z’Fleiß etwas modernisieren wollen.
Im Sommer 2011 lernte ich also Carlo Bernasconis Rezept für seinen Zucchinikuchen (den ich hier wegen der Verwechslungsgefahr mit der unsäglichen Mehlspeise zur Gartenzucchinikeulenverwertung lieber „pikanten Zucchinikuchen“ nenne, Torta di zucchine im Original) kennen.
Später dann auch Carlo selbst, einen liebenswerten, sturen Hund, sehr belesen, sehr geschmacks- und meinungsstark und sicher einer der kundigsten und humorvollsten Kochbuchautoren, die wir im 20. Jahrhundert hatten.
Der Schweizer Journalist und langjährige Chefredaktor des Branchenmagazins Der Schweizer Buchhandel hatte ein kleines Lokal in Zürich, das er zuletzt ausschließlich vegetarisch bekochte, und unter anderem das leise Büchlein „La Cucina verde“ veröffentlicht, italienische Gemüserezepte, die meisten davon supersimpel. Aber das ist es ja, was die Meisterschaft der italienischen Küche ausmacht: wenige Zutaten, mit der richtigen Technik zu kleinen Geschmackswundern kombiniert.
Das Tolle an diesem Rezept ist der puristische Zucchinigeschmack, die ungemein flaumige, an ein Mittelding zwischen Flan und Frittata erinnernde Konsistenz und die Absenz von Teig als Boden und Lauchgewächsen als Zutat, was einen wirklich eleganten, nur durch Käse und Thymian geerdeten Kuchen ergibt.
Zubereitung: Zucchini waschen und grob raffeln. In einer großen, weiten Pfanne die Butter aufschäumen, Zucchini mit ein wenig Salz ca. zehn Minuten bei mittlerer Hitze garen. Sie sollen nicht bräunen, das Wasser möglichst verdampfen. In einem Sieb abtropfen lassen. Mit einem Löffel gut ausdrücken. (Sud auffangen und nippen oder in die nächste Pastasauce kippen.)
Ofen auf 180 Grad Celsius Ober- und Unterhitze vorheizen.
Parmesan fein reiben. Schafkäse grob reiben oder zerbröseln. Petersilie mit zarten Stielen hacken, Thymian fein hacken. In einer großen Schüssel Eier mit Ricotta, Parmesan, Schafkäse, ausgedrückten Zucchini und Kräutern verrühren, vorsichtig salzen (Käse!), mit Pfeffer und Muskatnuss abschmecken.
Eine flache runde Back- oder Auflaufform mit ca. 26 cm Durchmesser mit Olivenöl ausstreichen, gleich darauf mit Semmelbröseln ausstreuen.
Die Masse einfüllen, evtl. mit Mandelblättchen oder Pinienkernen bestreuen und ca. 35 Minuten backen, bis die Masse gestockt ist. Grill zuschalten und weiterbacken, bis der Kuchen leicht gebräunt ist.
Zehn bis 15 Minuten geduldig überkühlen lassen. Erst jetzt einen milden Sommersalat mit leichter Rotweinessig-Olivenöl-Vinaigrette zubereiten. Zucchinikuchen lauwarm servieren.
Carlo Bernasconi ist im Herbst 2016 mit 64 verstorben, der Scheißkrebs, wie so oft. Ein paar Wochen davor, Anfang August vor drei Jahren, zur Zucchinikuchenhochsaison, telefonierten wir noch, weil er wissen wollte, wie ich die Sache mit der Modernisierung der traditionellen österreichischen Gerichte für unser Kochbuch „Österreich vegetarisch“ angegangen sei. Er arbeitete an einem ähnlichen Titel für die Schweiz, der als „Helvetia vegetaria“ im AT Verlag – leider nicht mehr von ihm selbst fertiggestellt – postum erschienen ist. Sein Zucchinikuchen lebt jeden Sommer weiter, und damit die Erinnerung an einen geschätzten Freund.