Aus einem See von Strophen

Hundert ausgewählte Gedichte
192 Seiten, Buch
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ISBN 9783942955393
Erscheinungsdatum 20.05.2014
Genre Belletristik/Lyrik
Verlag Edition Rugerup
Übersetzung Margitt Lehbert
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Kurzbeschreibung des Verlags

Les Murray hat für die Edition Rugerup 100 Gedichte ausgesucht, die ihm besonders am Herzen liegen. Einige sind schon auf deutsch erschienen, wurden aber von der Übersetzerin dank der neuen Möglichkeiten, die das Internet bietet und dank langjähriger Erfahrung gründlich überarbeitet, andere lagen bislang noch nicht auf deutsch vor.

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FALTER-Rezension

"Ironie ist das Einzige, was einen vor den Tränen bewahrt"

Armin Thurnher in FALTER 38/2014 vom 19.09.2014 (S. 36)

Ein Credo des Lyrikers und Literaturkritikers Les Murray lautet: "Arme Kulturen können sich Lyrik leisten, reiche Kulturen nicht." Daran hielt sich Australiens bekanntester Dichter immer. Wir trafen Murray, mehrfach für den Nobelpreis im Gespräch, im Mai dieses Jahres nach seiner Lesung in der Alten Schmiede zum Frühstück.

Falter: Über all Ihren Bücher steht die Widmung "To the glory of God" – "Zum Ruhme Gottes". Was hat es damit auf sich?
Les Murray: Ich würde mich ohne diese Widmung verloren und merkwürdig fühlen.

Bach und andere Komponisten haben das ans Ende ihrer Kompositionen gesetzt.
Murray: Das wusste ich nicht. Versucht man, über die Sprache hinauszugehen, stößt man an die Grenzen der menschlichen Ausdruckskraft. Es gibt dann Dinge, die man nicht mehr sagen, sondern nur zeigen kann.

Welchen Gott sprechen Sie da an – einen christlichen, einen buddhistischen, einen jüdischen?
Murray: Darum kümmere ich mich gar nicht. Ehrlich gesagt, schreibe ich über diesen Gegenstand nur gelegentlich.

Ein prominenter Lyriker, der wie Sie zum Katholizismus konvertiert, ist in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine Seltenheit.
Murray: Ich wuchs mit dem Calvinismus der presbyterianischen Kirche von Schottland auf – es war schrecklich! Man glaubt dort nicht an Vergebung. Ich wollte so rasch wie möglich aus dieser Kirche hinaus.

Gibt es einen Preis, den man für die Vergebung im Katholizismus bezahlen muss?
Murray: Nein, ich glaube nicht – vorausgesetzt, man gibt seinen Stolz auf. Das ist kein Preis, sondern Erleichterung.

Was halten Sie von den Entwicklungen in der Kirche und vom neuen Papst?
Murray: Ich bin weder katholischer Radikaler noch Traditionalist – was den Papst betrifft, so warte ich noch ab.

Er achtet sehr auf seine öffentlichen Auftritte.
Murray: Vielleicht ein bisschen zu sehr!

Bisweilen sagt er auch gute Dinge wie "Who am I to judge?" in Fragen der Homosexualität.
Murray: Ich glaube ja, dass der beste Papst Jesus ist, das wichtigste Prinzip lautet: "sola scriptura" – "lest die Bibel".
Was hatte es mit dieser "Commonwealth Party" auf sich, für die Sie ein Manifest schrieben? Das war eine Art Grünpartei, bevor es diesen Namen gab.
Murray: Na ja, ich bin immer ein wenig früher dran. Ein Freund, der in einer kommunistischen Familie aufgewachsen war, wollte es besser machen und diese Partei gründen. Er war geisteskrank, und ich wollte ihm ­helfen, obwohl ich eigentlich kein Wort glaubte. Wir waren damals 25, und der Freund starb während eines Telefongespräches.

Während des Gesprächs? Was sagte er?
Murray: "Les, ich glaube, ich sterbe." Leute sagen nichts Besonderes, wenn sie beim Telefonieren sterben.

Die Partei wurde nie offiziell?
Murray: Nein, es war ein Spiel, kein ernsthaftes Projekt. Ich war, ehrlich gesagt, nie besonders politisch, weil ich gar nicht an Politik glaube. Kein Parlament kann die Menschen abhalten, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen.

Sind Sie Anarchist?
Murray: Ein wenig.

Und was ist mit dem Label, Sie seien konservativ?
Murray: Bullshit!

Im Jahr 1968 waren Sie 30 und von zahlreichen Linken umgeben.
Murray: Oh Gott – damals begann ein Mobbing-Contest für die nächsten 40 Jahre. Man hat sich gegenseitig das ganze Leben ruiniert – mir half es, der Politik vollständig zu misstrauen.

Armut und schwere körperliche Arbeit sind mehrfach Gegenstand Ihrer Dichtungen. Ist das der Grund, warum Sie paradoxerweise nie zu einem Linken wurden?
Murray: Ich selbst habe Armut nicht erlebt und ich habe auch keine wirklichen Linken gesehen. Das war alles nur elitäres Gehabe dieser Leute, die von der Armut erzählen und sich selbst dort nicht bewegen. An der Universität ging es um Elitenpolitik. ­Vielleicht war das für eine Reihe von Leuten die angenehmste Weise, um aus den Vororten der Städte in bessere Positionen zu gelangen. Das Schlimme daran war, wie gesagt, das permanente Mobbing. Man wurde ständig genötigt, Positionen einzunehmen, die man gar nicht vertrat.

Ab wann verstanden Sie sich als Dichter?
Murray: Ungefähr ab 1964. Ich lief einfach meinen Weg entlang – Farmer wollte ich nicht werden, was bei mir nahe gelegen wäre. Ich fuhr Autostopp durch Australien und schaute, was die Leute so tun, wie sie leben. Ich selbst lebte von Gelegenheitsjobs – und zwar von möglichst wenigen. Ich verstand erst viel später, dass ich damals eigentlich an einer Depression litt und das Ganze nicht im Geringsten romantisch war.

Was ist über dichterisches Handwerk und Meisterschaft zu sagen?
Murray: Learning by doing.

Und es gibt keinerlei Poetik, die sich der Dichter zusammenbastelt?
Murray: Sie schreiben das Gedicht, an dem Sie schreiben, und finden heraus, was das Gedicht selber will. Natürlich entsteht auch eine Menge Mist.

Wie ist das Ergebnis bei Les Murray?
Murray: Die Frage ist, ob 90 Prozent der Gedichte Mist sind oder – wie bei mir – 60.

Finden die Kritiker heraus,
was Mist ist?
Murray: Nein. Der beste Teil unserer Arbeit besteht genau darin, die Kritiker das nicht merken zu lassen. Normalerweise merke ich selbst, ob etwas schlecht ist, bevor die Kritiker draufkommen.

Wie verhielt es sich im Fall Ihres monumentalen Langgedichtes "Fredy Neptune"?
Murray: Die Australier mögen das Buch nicht, die Deutschen schätzen es.

Keine Kunst, der Protagonist ist Deutscher.
Murray: Na ja, er ist deutscher Herkunft. Bekanntlich leben wir immer mehr in einer Welt, die von Menschen fremder Nationalität bevölkert wird. Davon handelt Fredy Neptune.

Wie wurde es gemacht?
Murray: Ich habe alle Regeln missachtet, die Kritiker normalerweise anwenden. Ich wusste bis zur letzten Seite nicht, wann die Geschichte fertig ist. Der Beweis ­dafür, dass sie es ist: Fredy kehrte nie mehr zu mir zurück. Hängt eine Figur nach dem
Schreiben ständig neben dir rum, ist das Buch nicht abgeschlossen.

Sie bezeichnen das Riesenpoem als "Roman".
Murray: Das klingt besser. Man könnte es genauso als fünfteilige Fernsehserie bezeichnen, als Epos oder als langes Gedicht.

Eine zentrale Rolle spielt der Genozid an den Armeniern im Jahr 1915. Haben Sie Probleme mit der Türkei bekommen?
Murray: Ich war nie dort – aber es gab Kritik von Seiten der Armenier, die meinten, ich hätte nicht genug gesagt.

Was ist über die Darstellung von Geschichte in der Lyrik zu sagen?
Murray: Ich bin ein Geschichts-Freak, ich habe immer sehr viel Geschichte gelesen.

Und Sie schreiben sie auch.
Murray: Ein wenig. Ein australischer Professor meinte, "Fredy" sei das beste in Australien entstandene Geschichtsbuch.

Können Sie Ihre Gedichte auswendig?
Murray: Nein. Mein Freund Joseph Brodsky konnte all seine Gedichte auswendig. Es soll lieber ein anderer rezitieren, für mich wäre das Zeitverschwendung!

Lesen Sie Ihre Gedichte laut, wenn sie fertig sind? Und soll man sich einen Lyriker als jemanden vorstellen, der weint?
Murray: Bevor ich publiziere, lese ich laut – das ist aber nicht entscheidend. Natürlich spürt man manchmal auch eine Träne in den Augen, aber ich schreie meine Gedichte nicht.

Wegen der ironischen Grundhaltung?
Murray: Vielleicht. Ironie ist das Einzige, was einen vor den Tränen bewahrt.

Und vor der Depression, über die Sie vor einigen Jahren ein ganzes Buch schrieben?
Murray: Vor dem schwarzen Hund schützt nichts! Wenn die Depression, wie bei mir zwischen 50 und 70, sehr lange dauert, gibt es einige Möglichkeiten: Entweder sie bringt dich um, man bringt sich selbst um, oder sie vergeht. In meinem Fall ist die Depression nicht komplett überwunden, aber es geht.

Jemand leidet an Depression und
schreibt dabei das viele tausende Verse umfassende Epos "Fredy Neptune".
Das ist verblüffend.
Murray: Dazu muss ich sagen, Fredy war sehr viel gesünder als ich selbst. Außerdem litt er unter Anästhesie – er spürte nichts durch seine Haut. Das ist eine atemberaubende Situation – die Leute glauben dir nicht, dass du von Geburt an nichts spürst.

Ist das eine Metapher?
Murray: Nein, das gibt es tatsächlich.

Woher stammt das Bild des Hundes?
Murray: Churchill bezeichnete seine Depression als schwarzen Hund. Bei Goethe gibt es den schwarzen Pudel – das Bild stammt aus dem Mittelalter.

Einer Ihrer Gedichtbände heißt "Translations of the Natural World". Wie ist Ihr Verhältnis zu realen Hunden?
Murray: Ich hatte als Kind einen – aber ich bin mehr der Katzenmensch. Hunde haben einen Herren, Katzen Untergebene – ich bevorzuge, Untergebener meiner Katze Boris zu sein. Tiere zu verstehen ist eine der großen Fragen der Übersetzerarbeit des Dichters.

Sie dichten auch über Technik.
Murray: Mich faszinieren Sachen wie das Radioteleskop, das nach dem Zweiten Weltkrieg in Australien erfunden wurde. An dessen Anfang stand das Hintergrundrauschen im Radio, das sich als das Hintergrundrauschen des Universums herausstellte.

Ist der Ursprung der Dichtung das Hören – der Tiere, der Geräusche, der Welt?
Murray: Du hörst der Welt zu und beginnst zu untersuchen, was du hörst – wobei du erst beim Schreiben bemerkst, was dir da gesagt wurde.

Was halten Sie für die entscheidende technische Neuerung des 20. Jahrhunderts?
Murray: Ach, diese ständigen Veränderungen! Vielleicht ist der Computer das Wichtigste – aber den hasse ich entsetzlich! Ich würde ihn am liebsten nicht einmal anrühren; er ist voller Spione und Terroristen, die sich in die Geheimnisse der Menschen einhacken.

Sie schreiben noch mit der Schreibmaschine?
Murray: Nein, mit der Hand. Das tippe ich dann ab und schaue, wie gut es ist.

Kein Computer, kein Mobiltelefon?
Murray: Nein, ich möchte nicht, dass die Leute wissen, wo ich gerade bin. Eine der fürchterlichsten Erfindungen des 20. Jahrhunderts war ohne Zweifel die Errichtung sehr mächtiger Polizeisysteme. Ich spreche von den Kommunisten und den Nazis. Die haben alle ihre Mitglieder auch in Polizei verwandelt – jedes Mitglied der Nazipartei oder der KP war in gewisser Hinsicht ein Polizist, sie überwachten sich ständig gegenseitig.

Im Vergleich dazu war Australien das Paradies. Ihre Kindheit ist ein äußerst wichtiger Gegenstand Ihrer Dichtung.
Murray: Ja, man muss immer versuchen, über sich selbst einiges herauszufinden. Ich war ein Einzelkind und wusste lange Zeit nicht viel von der Welt, was Menschen eigentlich tun und denken. Das Schlimmste war der Tod meiner Mutter – und natürlich die ganze Atmosphäre. Ich erzähle Ihnen dazu eine Geschichte, die für mich fast etwas wie ein griechischer Mythos ist. Es gab bei uns im Busch einen von Termiten zerfressenen Baum, und mein Großvater sagte zu meinem Vater, er solle den Baum fällen. Er tat das nicht, stattdessen wurde sein Bruder von diesem Baum erschlagen. Der Großvater, der ein Alkoholiker war, warf das meinem Vater so lange vor, bis er völlig kollabierte. Die Mutter starb nach zwei Fehlgeburten an der dritten. Die Geschichte hatte unglaubliche Auswirkungen auch auf mich.

Sie sind trotzdem immer wieder zu diesem tragischen Ort zurückgekehrt.
Murray: Wenn etwas gut ist, musst du dich damit nicht mehr befassen. Auseinandersetzen muss man sich nur mit den schlimmen Dingen. Die Tiere, die Natur, die Menschen waren vielleicht ein wenig engstirnig, aber sie waren freundlich und es gab viel gegenseitige Hilfe. Da waren keine Intellektuellen, sondern eine sehr alte Welt. Wenn ich die griechischen Klassiker lese, finde ich diese Welt wieder. Der Epiker Hesiod ist voll mit meinen Verwandten!

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