 FALTER-Rezension
 FALTER-Rezension  
Der Trick, der aufgeht wie Unkraut
Gerlinde Pölsler in FALTER 50/2017 vom 13.12.2017 (S. 26)
Was, die anderen sollen auch mehr kriegen? Eine Gruppe englischer Arbeiter, die eine Lohnerhöhung wollte, verzichtete letztlich auf diese – nur damit eine andere Gruppe, die sie nicht mochte, sie auch nicht bekam. Dieses Beispiel schildern Martin Schenk, stv. Direktor der Diakonie Österreich, und der Gesundheitsjournalist Martin Schriebl-Rümmele, um die perfide Wirkung des Neids deutlich zu machen. Die Autoren vergleichen das mit der Debatte um die Mindestsicherung: Da präsentieren Politiker Asyl als Grund für Kürzungen, doch am Ende trifft es alle – Familien mit mehreren Kindern, Alleinerziehende, pflegende Angehörige. Es sei ein politischer Trick, Neid unter Leuten zu säen. Wir richten diesen nämlich gegen Menschen, die uns ähnlich sind. Deswegen haben auch die millionenschweren Steuertricks der Superreichen, wie sie mit den Panama Papers enthüllt wurden, keine große Empörungswelle ausgelöst. Wer kennt schon jemanden, der eine Briefkastenfirma besitzt? Aber „Sozialschmarotzer“, da fiele einem schon jemand ein ... Und schon sind die weniger Mächtigen gespalten, während die wirklich Gutgestellten ihre Ruhe haben.
In der Verteidigung des Sozialstaats weist der gelernte Psychologe Schenk auf die Rolle der Emotionen hin. Neben Neid seien das Ohnmacht und Kränkung, wenn etwa aus Arbeitern in der öffentlichen Debatte „sozial Schwache“ werden, „defizitäre Unterschichtsdeppen, die nichts können“. Menschen müssten wieder Selbstwirksamkeit erleben können, in der Arbeit, im Dorf. Der Sozialstaat selbst liege keinesfalls darnieder, er stütze die Wirtschaft und den sozialen Frieden. Zur Untermauerung warten die Autoren mit einer geballten Datenladung auf, die Pensionsexpertin Christine Mayrhuber steuerte ein Kapitel bei, ihr Wifo-Kollege Alois Guger gab ein Interview. Das gut lesbare Buch, das durch Karikaturen von Gerhard Haderer aufgelockert wird, setzt Killerphrasen handfeste Argumente entgegen. Warnung: Die Wucht an Fakten plus ihrer gängigen Umdeutungen kann grantig machen.
 
  

