

Zurück an den Ofen!
Katharina Kropshofer in FALTER 5/2023 vom 03.02.2023 (S. 44)
Gegen Pandemie und Inflation wollen mehr und mehr Wiener krisensicher heizen. Und rennen Kachelofenbauern die Tür ein
Mittlerweile bedecken die Listen die halbe Tür. Mit fachgerechter Präzision haben Felix Winkler und Robert Krotz die Namen neuer Kunden und ihre Wünsche geschrieben, der Pfeil daneben zeigt auf die erhofften Fertigstellungstermine. Sie liegen weit, weit in der Zukunft.
Die beiden Hafner (so heißt die Zunft der Ofenbauer) seien müde, aber zufrieden: Noch vor einem Jahr riefen etwa zehn Menschen im Monat an. Heute sind es 15 -pro Tag. Wer jetzt einen Designer-Kachelöfen in ihrem Studio off&go bestellt, bekommt ihn mit Glück Ende des Jahres.
Kachelöfen waren eine Erscheinung des Mittelalters, heizten ganze Burgen und bis heute urige Bauernstuben. Die Platten aus gebranntem Ton, darunter die Schicht aus Schamott, einem feuerfesten Stein, halten lange Wärme und entfachen schönes Raumgefühl. Und jetzt werden Kachelöfen als Antithese zur Gasheizung wieder modern.
Einmal angeschafft, drückt er die Heizkosten und ist krisensicher. So sehen das zumindest die hunderten Wiener und Wienerinnen, die den Ofenbauern momentan die Türen einrennen.
Ihre Arbeit erzählt von den vergangenen zwei Jahren: Lockdowns, in denen die Menschen Zeit und Gründe hatten, über gemütliche Inneneinrichtung nachzudenken. Dann Russlands Krieg gegen die Ukraine, die hohen Gas-und Stromrechnungen. Und der unstillbare Wunsch nach Hygge-Feeling und Autarkie, falls der Blackout kommt.
Was während der Pandemie das Klopapierhorten war, scheint nun der Wunsch nach Heizautonomie zu sein. 2020 wünschten sich um 30 Prozent mehr Kunden einen Kachelofen als 2019,2022 waren es noch einmal um 50 Prozent mehr als 2021, so der Österreichische Kachelofenverband. Rund 12.000 Kachelöfen haben Österreichs Hafner im vergangenen Jahr gebaut. Auch in Wien, einer Stadt, in der die Hälfte der Bevölkerung mit Gas heizt. Auch bei Kosten von 15.000 Euro (nach oben ist alles offen). Möglich ist der Einbau, wenn der Rauchfang groß genug ist und der Boden das tonnenschwere Gerät trägt.
Nach zehn oder 15 Jahren sollen Käufer den Mehrpreis wettgemacht haben. Das Kilo Brennholz kostet im Baumarkt schließlich weniger als einen Euro. Und zwei, drei Kilo reichen, um den Ofen und so zumindest einen Raum den ganzen Tag lang warm zu halten.
Ein solcher Holzstapel liegt seit kurzem unter der Stiege, die zu Maria Kornbergers kleinem Einfamilienhaus in Döbling führt. Vor ein paar Monaten hielt die Sporttherapeutin einen Brief ihres Energieanbieters in Händen: Statt 200 Euro im Monat sollte sie fortan das Fünffache zahlen. "Jetzt ist es aus", dachte sie. Bis ihr der offene Kamin im Wohnzimmer einfiel, den sie in 16 Jahren genau zweimal beheizt hatte. "Rauchgasvergiftungsgefahr", fürchtete sie.
Nun, im Jänner 2023, ist Kornbergers Wohnzimmer eine Baustelle. Weiße, glasierte Kacheln, modern, aber nicht zu modern; der neueste Stand der Technik verspricht einen Gasverbrauch Richtung null - so plante Hafnermeister Georg Gschlenk ihren neuen Kachelofen. Sein Mitarbeiter Vincent setzt am dritten Bautag die letzten Kacheln, noch heute kann er die Tür einhängen.
Eine Ofentür wünschen sich momentan alle Kunden, erklärt Gschlenk, im Fernsehen sieht das so romantisch aus. In Wirklichkeit blickt man nur eine Stunde lang auf Flammen, die restliche Brenndauer (zwölf bis 24 Stunden) auf eine schwarze Scheibe. Ein Kachelofen ist kein Lagerfeuer, sondern ein Heizgerät.
Dass Gschlenk nun mehrere Baustellen parallel betreut, war vor zwei Jahren undenkbar. Der Mann war froh, dass er auch wusste, wie man andere Öfen einbaut, wie man Fliesen legt. Kaum ein Wiener wollte so einen bäuerlichen Ofen in der Wohnung haben. Jetzt sagen die Kunden: "Koste es, was es wolle." Im Moment gibt es "mehr Arbeit, als es Hafner gibt", sagt er.
Das sind 26 Betriebe in Wien, listet die Wirtschaftskammer Österreich. Aktuell geben vier Lehrlinge der Zunft Zukunftshoffnung. Nicht nur von der Energiekrise und Pandemie, auch vom Arbeitskräftemangel, von Materialengpässen, der Inflation wissen die Ofenbauer zu erzählen.
"Es ist ein aussterbender Beruf", sagt der High-End-Hafner Felix Winkler. Trotz der Auftragslage. Trotz der langen Geschichte. Die vermutlich ältesten keramischen Ofenkacheln fanden Forscher in der Gegend des Elsass. Sie stammen wohl aus dem achten oder neunten Jahrhundert.
Dass sich Kachelöfen zum Trocknen der Wäsche, dem Warmhalten von Speisen eignen, weiß der Mensch schon lange, seit bald 1000 Jahren bauen Hafner Öfen in Klöster und Wohnhäuser. Auch in Wien.
Zeugnis davon ist der Hafnersteig am Schwedenplatz, der um 1300 die dortigen Betriebs-und Verkaufsstätten markierte. Selbst der US-amerikanische Schriftsteller Mark Twain, der 1897 in Wien und Umgebung lebte, schrieb über den "praktischsten und sparsamsten" europäischen Kachelofen, der amerikanische Kohleofen sei im Vergleich "Teufelswerk".
Mit den Öfen von damals haben die modernen Designstücke im Schauraum von off&go wenig gemein. Über Umwege sind die beiden Handwerker mit Studio im dritten Bezirk zu ihrer Zunft gekommen. Krotz nach der Matura, weil ihn der Weg auf die Universität nicht reizte, Winkler, weil das Fotografendasein nicht fruchten wollte.
Einen ihrer ersten Öfen bauten sie 1998 für das Café Möbel in der Burggasse. Am Attersee ein Exemplar mit Keramik, gestaltet vom Bildhauer Franz Josef Altenburg. Dann die Kochstelle des Restaurants Dogenhof auf der Praterstraße, einen Glasschmelzofen für die Biennale in Venedig.
Das Standardmodell für die Wohnungen Wiens heißt "Edmund", steht auf Roheisenfüßen, schnörkellos wie ein puristischer Quader, und kostet 11.500 Euro aufwärts. "Wir versuchen, unsere Öfen möglichst klein zu halten", sagt Felix Winkler. "Für den urbanen Raum."
Um 30 Prozent teurer sind ihre Modelle seit Beginn des Ukraine-Kriegs. Trotzdem: Kachelöfen sind nicht nur Klassenfrage.
Im Gemeindebau hätten die beiden schon gewerkelt beziehungsweise renoviert. Die Hülle eines Kachelofens ließe sich immer wieder verwenden. Auch deswegen standen Winkler und Krotz schon weinend vor Containern mit zerbrochenen Kacheln.
Nur ein Problem hat man in der langen Geschichte des Kachelofens noch nicht gelöst: seine Wirkung auf das Weltklima. Im Brüsseler EU-Parlament diskutieren Abgeordnete gerade, ob Biomasse als erneuerbare Energiequelle gelten darf. "Solange wir nicht mehr Holz entnehmen als nachwächst, ist Holzverbrennung CO2-neutral", sagt Thomas Schiffert vom Kachelofenverband. Auch wenn verbranntes Holz natürlich immer Kohlendioxid ausstößt.
Es ist wie bei einer Badewanne: Solange genauso viel Wasser zu-wie abfließt, bleibt der Wasserspiegel gleich, erklärt Karlheinz Erb. Der Forscher von der Universität für Bodenkultur in Wien ist einer der meistzitierten Österreichs. Noch ist der Zufluss größer als der Abfluss -ein Erbe aus der Geschichte. Erb hat trotzdem ein großes Problem mit Holzöfen: "Wir können nicht in den Wald gehen, alles ernten und das dann klimaneutral nennen."
Rund 90 Prozent des österreichischen Waldes werden momentan forstwirtschaftlich genutzt, nur zehn Prozent dürfen ungestört wachsen. Der richtige Vergleich wäre also: Was würde passieren, wenn wir den Wald nicht abholzen würden? Erb kennt die Antwort: "Wir hätten ältere, vielfältigere Wälder, die mehr Kohlenstoff speichern."
Die brauchen wir besonders jetzt, wo wir Zeit kaufen, Kohlenstoff speichern, Bäume pflanzen müssten, um Emissionen zu senken. Besonders in der Stadt hieße die schonende Alternative zur Gasheizung also nicht Holzofen, sondern Sanierung und Wärmepumpe. Sie nutzt Wärme aus der Umluft, erhitzt sie mit Strom.
Auch wenn Kachelöfen also nie emissionsfrei sein können, ist es nicht komplett egal, welcher Ofen welches Holz verheizt. Der Kachelofenverband forscht deshalb zu besseren Methoden. Als Österreich 2015 bei Emissionsgrenzwerten strenger wurde, entwickelte der Verband eine neue Verbrennungstechnik.
Die Gase, die beim Verbrennen entstehen, bleiben nun länger im Brennraum, der Ofen hält die Hitze länger -in einem sieben Meter langen Sturzzug, bevor das Rohr in den Rauchfang mündet. Das Holz verbrennt so sauberer, zumindest in neuen Öfen. Besser als ein offener Kamin ist das sowieso.
Dass die Feinstaubbelastung in Wien zurückgeht, sieht Schiffert als Beweis dafür, dass Kachelöfen kein Problem sein können. Heinz Tizek, der für die Umweltschutzabteilung der Stadt 13 Schadstoff-Messstellen betreut, bestätigt den ersten Teil: Der Feinstaub in Wien nehme ab.
Das habe aber weniger mit Kachelöfen der letzten Generation, sondern mit vielem zu tun, was die Stadt in den vergangenen 100 Jahren durchgesetzt hat: dem Verbot von Kohleöfen, dem Umstieg auf Gas und Fernwärme. Heizen mit Holz sieht Tizek kritisch. Vor allem, weil viele nicht einmal wüssten, wie man den Ofen richtig einheizt, selbst feuchtes Holz verwenden.
Auch Maria Kornberger wartet noch auf die Einführungsvorlesung für ihren neuen Kachelofen. Das Schlafzimmer will sie nicht mehr mit Gas heizen, das Wohnzimmer sowieso nicht. Nur im Kinderzimmer und ihrem therapeutischen Kletterstudio gibt sie die Fossilen noch nicht ganz auf. "Ich will nicht ganz weg, aber ich will autark sein", sagt sie. "Im Blackout sitzen dann sicher alle meine Freunde bei mir."