

Ein feministisches Nachschlagewerk zur Popgeschichte
Gerhard Stöger in FALTER 10/2020 vom 06.03.2020 (S. 36)
Pop und Feminismus: In den 1990er-Jahren hatte dieses Thema Hochkonjunktur. Die Riot-Grrrl-Bewegung mischte den Gitarrenunderground auf, Künstlerinnen wie Björk brachten die Avantgarde in den Mainstream, die Spice Girls predigten „Girl Power“ fürs Kinderzimmer. Dazu kamen Buchveröffentlichungen wie „Rebellinnen. Die Geschichte der Frauen in der Rockmusik“, „Angry Women“ oder „Lips Tits Hits Power? Popkultur und Feminismus“. Ein Vierteljahrhundert später greift der Sammelband „These Girls“ diesen Faden auf und lädt zum „Streifzug durch die feministische Musikgeschichte“.
Herausgegeben von der Journalistin Juliane Streich und erschienen beim verdienstvollen Mainzer Popdiskurs-Verlag Ventil, bietet das generationen- und szenenübergreifende Nachschlagewerk 139 Einträge zu Musikerinnen sowie weiblich geprägten Bands, von Edith Piaf und Hildegard Knef bis zu aktuellen Vertreterinnen des Alternative Pop. Das Stilspektrum ist breit: Die Beiträge von knapp 100 Autorinnen und Autoren reichen von fundierten biografischen Kurzabrissen und pophistorischen Einordnungen über akademische Abhandlungen und reine Fantexte bis hin zu Kurzinterviews oder die tiefschürfende Analyse eines einzelnen Songs.
Die Vielfalt der Zugänge ist zwar erfrischend, kann aber leider auch mühsam werden. So erzählen diverse Beiträge letztlich mehr über die schreibende Person als die beschriebene, andere wiederum sind gar zu flapsig gehalten. Auch die Gewichtung wirft Fragen auf. Unzählige Heldinnen fehlen, von Tina Turner und Betty Davis über Grace Jones, Joan Jett und Miley Cyrus bis zu Soap&Skin und Billie Eilish, dafür ist die – tatsächlich großartige – Christiane Rösinger durch ihre Bands Lassie Singers und Britta gleich doppelt vertreten.
Die Idee ist toll, nicht wenige der Texte sind anregend und informativ, und doch hinterlässt „These Girls“ einen allzu beliebigen Eindruck. Sagen wir so: Unter allen denkbaren Auswahlkonzepten ist „Hauptsache Frau“ gewiss nicht das schlechteste. Der Weisheit letzter Schluss ist es aber auch nicht.