

Neuer Don Quijote: Für Nachhaltigkeit und Wokeness
Sebastian Fasthuber in FALTER 30/2023 vom 26.07.2023 (S. 28)
Das Stadt-Land-Gefälle in Sachen Bewusstsein für aktuelle Themen wie Klimawandel oder Identitätspolitik hat den spanischen Autor Daniel Gascón (Jg. 1981) zu einem der lustigsten Bücher des Jahres inspiriert. Der einzige wirkliche Kritikpunkt sei gleich eingangs formuliert: Sein Roman "Der Hipster von der traurigen Gestalt" ist eine derart überdrehte Satire, dass sich der ernste Kern seiner beißenden Kritik an allen Lagern fast übersehen lässt.
"Die einfachen Leute sind Klasse", befindet Enrique. Von Madrid ist er ins Dorf gezogen, wo seine Tante und sein Onkel leben. Die erste Begeisterung für das ländliche Spanien, "fernab der Frivolität und leeren Geschwindigkeit des modernen Lebens", wo es außer ihm halt kaum jemand unter 30 und noch weniger Jobs gibt, währt nicht allzu lang.
Der Handyempfang ist mies. Für seinen Geschmack wird in La Cañada entschieden zu viel Auto gefahren. Und auch in der Landwirtschaft liegt einiges im Argen: "Mich erstaunt die heteropatriarchalische Ordnung im Hühnerstall."
Dennoch lässt sich der idealistisch-naive Held des Romans wie sein Vorbild Don Quijote nicht beirren und verfolgt sein "Projekt" munter weiter. Worum es ihm dabei geht, ist nicht ganz klar: Will er die Dorfbevölkerung woke machen? Eine nachhaltige Bio-Landwirtschaft aufziehen? Oder eigentlich doch nur seine Verflossene vergessen? Am besten alles in einem Aufwasch.
In einem munteren Ritt führt Gascón durch Probleme der kleinen und großen Welt. Er berührt Lokalpolitik -durch sein Engagement wird Enrique, obwohl ihn die autochthone Bevölkerung zunächst schneidet, sogar Bürgermeister - und die internationale Vernetzung im Kampf gegen den Klimawandel; kulturelle Aneignung durch schamlose Popstars und die Notwendigkeit einer zünftigen Dorfschänke.
Gascóns stimmenreicher Roman ist eine ländliche Polyfonie, die immer auch die große Welt mitmeint. Erstklassige Sommerlektüre.