

Frauen auf der Jagd und Sex als Konfliktlöser
Sebastian Fasthuber in FALTER 16/2025 vom 18.04.2025 (S. 31)
Wenn Sie heuer nur eine Graphic Novel lesen, dann bitte diese. Und sollten Sie beim Thema Comic immer noch skeptisch die Augenbrauen heben, weil Sie Schund vermuten, dann bitte erst recht. Die in Berlin lebende österreichische Zeichnerin und Illustratorin Ulli Lust legt mit "Die Frau als Mensch" ein fesselndes Werk vor.
Es ist nicht ihr erstes. Lust gilt als Vertreterin des dokumentarischen Comics. Bekannt wurde sie jedoch durch zwei autobiografische Ausreißer in ihrem Schaffen. In "Heute ist der letzte Tag vom Rest deines Lebens" erinnerte sie sich an den Sommer 1984, den sie als 17-Jährige mit einer nymphomanischen Freundin in Italien verbrachte. Und in "Wie ich versuchte, ein guter Mensch zu sein" ging es um eine Dreiecksbeziehung. Beides sind harte, schonungslos erzählte Geschichten.
Der Ton des neuen Buches ist ruhiger, nüchterner, handelt es sich doch um eine Sammlung gezeichneter Essays - ein Grenzgang zwischen Erzählung und Sachbuch. Lusts Thema ist der Mensch der Prähistorie. Jener Zeit, aus der es keine schriftlichen Überlieferungen gibt. Stattdessen müssen Forscher auf andere Quellen zurückgreifen.
Lust hat ein Faible für Statuetten und andere prähistorische Funde entwickelt, die Frauen zeigen. Bei Recherchen fiel ihr auf, dass es sehr viele davon gab. In der Eiszeit scheinen die Männer keineswegs dominiert zu haben. Auch in späteren Jäger-und-Sammler-Kulturen waren Menschen beider Geschlechter Universalisten - weil es zum Überleben notwendig war. Frauen gingen ganz selbstverständlich mit auf die Jagd.
In einer kurzweiligen Reise über Kontinente und durch Zeitalter zeigt Lust, wie stark die Geschichtsschreibung von der Perspektive abhängt. Diese war bis zuletzt meist eine männliche. Es geht ihr nun aber nicht darum, dem Patriarchat mit ihrem Buch eins auszuwischen. Vielmehr ist es ein schönes Plädoyer für mehr Empathie, Kooperation -und Sex statt Krieg als Konfliktlöser.