

Viele Anekdoten, eine wertvolle Sexszene
Dominika Meindl in FALTER 12/2017 vom 24.03.2017 (S. 32)
So kurz und prägnant, wie Attwenger im Musikalischen sind, geht das oberösterreichische Slangpunk-Duo auch bei seinen literarischen Soloprojekten vor. Während sich Hans Peter Falkner dem Verfassen und Sammeln bodenständiger Lyrik widmet („890 gstanzln“), liebt Schlagzeuger und Textautor Markus Binder das Anekdotische, Episodenhafte, Assoziative. Sein Zugang ist ein recht praktischer: Er habe ein Buch wie „Teilzeitrevue“ vermisst und es sich deshalb selbst schreiben müssen.
Handlungsfanatiker werden mit dem Ergebnis nicht glücklich werden, Freunde des Sprachspiels und der kühnen Verbindung sehr wohl: Ein Paar fliegt nach Mexiko, en passant erzählt es sich – in fortwährend veränderten Perspektiven – vom Mord an 70 Millionen Südamerikanern unter den Konquistadoren („Gewaltexport der Firma Europa“), zitiert Ovid, macht einen Zieher durch die Clubszene einer Stadt und später Liebe (eine der raren literarisch wertvollen Sexszenen), beklagt die Tyrannei des westlichen Viervierteltakts, brilliert mit Randwissen sowie humanistischer Bildung und erstellt im Freibad eine gültige Phänomenologie des Schönlings.
Binder liefert seine Poetologie gleich mit. Dem Roman stehe das Album als „Patchwork aus Einzeltexten, ein Gewebe von Kontingenzen, eine nicht hierarchisierte, zerfaserte Form, ein Wirrwarr an Perspektiven“ gegenüber. Da ist es nur konsequent, dass er dem gedruckten Text die Digital-EP „Teilzeitrevuesongs“ mit zehn kurzen Songs beistellt. Um ein Äquivalent zum pluralistischen Wesen des Albums zu schaffen, arbeitet Binder im Buch mit Loops, Breaks, Rhythmen, Variationen, inhaltlich mit absurden Bandnamen und vielen Songtexten.
Ein wiederkehrendes Motiv sind Verhörer und Verleser – hermeneutische Fehlleistungen, die neue Sinneffekte erzeugen. Da liest einer „Volkszorn“ statt „Vollkorn“ oder „Christus ist von den Trotteln auferstanden“. Binders Prosasongs enthalten mitunter so schlichte wie fundamentale Weisheiten: „Die Paare genießen die Jahre. / Sollen sie genießen, bevor sie sich erschießen.“ So sei es.