

„Vielleicht ist doch Heroin die Lösung“
Gerhard Stöger in FALTER 44/2016 vom 04.11.2016 (S. 33)
Eigenwillig, renitent, kindsköpfig und gut: Ja, Panik halten mit dem Buch „Futur II“ Rückschau auf die ersten zehn Bandjahre
Ja, Panik sind anders. Diese Erkenntnis ist weder neu noch originell, aber zum zehnten Geburtstag der österreichischen Band mit Hauptwohnsitz Berlin darf man wieder einmal darauf hinweisen. Zumal der Umgang der Gruppe mit dem Jubiläum einen schönen Anlassfall bietet.
Das haben Ja, Panik – gegründet im November 2005 – nämlich schlichtweg verschlafen. Im März jährte sich dann die Veröffentlichung des Debütalbums zum zehnten Mal, und jetzt wird doch noch gefeiert. Allerdings nicht mit einer Best-of-Veröffentlichung, einer großen Tournee, einer Raritätensammlung oder einem Coffeetable-Book zum eigenen Werk.
Die Mitglieder von Ja, Panik sind vielmehr getrennt voneinander vier Wochen lang in Klausur gegangen, um die Bandgeschichte aufzuschreiben. Dass „Futur II“ – übrigens das dritte Buch der Band nach „Schriften – Erster Band“ und „Das große, bunte Kochbuch der Gruppe Ja, Panik“ – keine konventionelle Musikbiografie geworden ist, überrascht kaum; wie gut dieser eigenwillige Schnellschuss funktioniert, aber durchaus.
Sebastian Janata, der Schlagzeuger, erzählt eine amüsante Kurzgeschichte zwischen Dandytum und Drogenrausch; die Keyboarderin Laura Landergott holt Stimmen von Weggefährten und ehemaligen Mitgliedern ein; Bassist Stefan Pabst gräbt tief im Bandarchiv und fördert jene Fotos, Notizen, E-Mails und Statistiken zutage, die den Sänger, Gitarristen und Songwriter Andreas Spechtl in der Folge zu Reflexionen unterschiedlicher Art inspirieren. Mal erzählt er von den Nacktschnecken im burgenländischen Garten seiner Großmutter, dann wieder vom Leben im selbstgewählten Künstlerprekariat; mal problematisiert er den Themenkomplex „Popmusik und Theater“, dann wieder zeichnet er liebevoll einzelne Momente im Leben von Ja, Panik nach.
Eine lineare Geschichtsschreibung kommt dabei natürlich ebenso wenig heraus wie eine Werksanalyse oder auch nur eine halbwegs konzise Chronologie der markantesten Ereignisse. Als Einführung in die wunderbare Welt dieser eigensinnigen Band taugen die komischen, meinungsstarken, renitenten, leidenschaftlichen, klugen, zwischendurch aber auch einmal kindsköpfigen oder verstolperten Texte ebenfalls nur bedingt. Wer mit den Liedern und der Geschichte der Gruppe aber halbwegs vertraut ist, liest ein etwas anderes Musikbuch des Jahres.
„Vielleicht ist doch Heroin die Lösung für die Probleme dieser Welt“, schreibt Andreas Spechtl an einer Stelle, um später zu erklären, dass der Rausch für ihn immer mehr Welterkenntnisexperiment als narkotischer Eskapismus war. Die Wahrheit? Liegt wohl dazwischen – und ist letztlich gar nicht so wichtig.
„Futur II“ endet mit den kryptischen Worten „Wir steigen aus, wir steigen ein, denn wer zu lange Gespenst spielt, wird bald selber eins sein.“ Eine Abschiedserklärung, versteckt am Ende ihres Geburtstagsbuches? Zuzutrauen wäre es dieser Band ja allemal.