

Müßig streift Mister Hudson durch die Pampa
Klaus Nüchtern in FALTER 1-2/2020 vom 10.01.2020 (S. 30)
Er schreibt seine Worte nieder, wie der liebe Gott das Gras wachsen lässt“, äußerte sich Joseph Conrad bewundernd über seinen um 16 Jahre älteren Kollegen William Henry Hudson. Der in Argentinien geborene Sohn von Einwanderern mit englischen respektive irischen Wurzeln hatte sich als junger Mann im Jahr 1870 den lange gehegten Wunsch erfüllt, nach Patagonien zu gehen.
Hudson, nach dem immerhin die Vogelarten Thaeotriccus hudsoni und Asthenes hudsoni benannt sind – ganz recht, der Weißflankendunkeltyrann und der Nördliche Flügelspiegelcanastero – gehörte noch jener Generation an, die Ornithologie mit der Flinte betrieb. Er schreckte nicht davor zurück, einen prächtigen Flamingo zu erlegen, den ihm sein verhaltens-auffälliger Hund aus dem Sumpf apportierte – eine Szene, die zu den anrührendsten und komischsten dieses Buches zählt.
Im Übrigen scheint die Reise von Anfang an unter einem Unstern zu stehen: Zuerst läuft das Schiff auf Grund, dann quält Hudson auf seinem Marsch ins Landesinnere furchtbarer Durst, und schließlich schießt er sich auch noch mit dem Revolver buchstäblich ins eigene Knie. Der tragikomische Unfall – die Kugel kann auch vom Arzt nicht entfernt werden und findet danach nie wieder Erwähnung – erweist sich allerdings als Glücksfall: Rekonvaleszent und immobil entdeckt Hudson, dass im Rasen zu liegen, in den Himmel zu starren, dem Gerede seiner Quartiergeber zuzuhören und über dies und jenes nachzudenken just der rechte Wahrnehmungsmodus ist, um den ganz spezifischen Reiz dieser eintönigen Landschaft wahrzunehmen.
Hudson berichtet über Vogelsichtungen, archäologische Funde, über das korrekte Kauen von maken (dem gummiartigen Harz eines wacholderartigen Baums) und die untrüglichen Instinkte der indigenen Bevölkerung. Nicht in allem wird man ihm heute folgen, aber wie er Land und Wetter beschreibt und den Akt des Wahrnehmens reflektiert, das macht ihm so schnell keiner nach. Keine Frage: So würde Peter Handke schreiben, wenn er seine sieben Zwetschken beieinander hätte.