

Michael Omasta in FALTER 47/2020 vom 20.11.2020 (S. 35)
Händewaschen schützt. Der gleichnamige Werbespot von 2009, den das Robert-Koch-Institut zur Vorbeugung gegen Viruserkrankungen produziert hat, führt den Wiener Autor Drehli Robnik schnurstracks in seinen Themen-Cluster hinein: Film, Geschichte, Politik – und die Pandemie. Denn die Melodie von Edvard Grieg, die hier die Leute vor sich hinpfeifen, derweil sie weiter sorglos Viren verbreiten, ist dieselbe, die acht Jahrzehnte zuvor bereits der Kindermörder in Fritz Langs „M“ pfiff. Durch das Zitat zeigt die Kampagne des RKI sich quasi selbst infiziert, und zwar mit deutscher Vergangenheit, dem vieldeutigen Fahndungskino Langs.
„Ansteckkino“ erzählt von Ansteckungen unterschiedlicher Art: von Pest und Pocken, Typhus und Aids. Dabei klopft Robnik die Filme auf den Kontext ihrer jeweiligen Entstehungszeit und vor allem ihre politische Agenda hin ab. Mit im theoretischen Handapparat hat er Erkenntnisse von Siegfried Kracauer, Heide Schlüpmann und Thomas Elsaesser sowie ein Sample von 167 Spielfilmen: von „Pest in Florenz“ (1919, Buch: Fritz Lang) bis „Little Joe“ (2019, Buch & Regie: Jessica Hausner).
Besonders ergiebig ist die Gegenüberstellung von Mediziner-Biopics aus Nazi-Deutschland mit solchen aus dem Hollywood derselben Ära. Auf der einen Seite üben sich Arzt-Genies wie Robert Koch oder Paracelsus in Führer-Rhetorik und kämpfen mit revolutionärem Ingrimm gegen unsichtbare „Feinde“; auf der anderen Seite stehen Filmbiografien um Louis Pasteur oder Dr. Paul Ehrlich, beide inszeniert vom deutschen Emigranten William Dieterle, und sprechen vorsichtig verklausulierte Warnungen vor dem Bösen aus, das kommen wird: „We must never stop fighting.“
Neben kanonisierten Werken der Filmgeschichte widmet sich Robnik auch obskuren B-Pictures, in denen gewisse Symptome mitunter umso deutlicher sichtbar werden. So etwa „Pacific Liner“ (1939), wo auf dem Weg von Shanghai nach San Francisco die Cholera ausbricht. Während die chinesischen Heizer dahinsterben, tanzt die feine Gesellschaft am Oberdeck. Schiffsarzt und Obermaschinist gelingt es, einen Streik abzuwenden und den Zielhafen pünktlich zu erreichen. „Spitz gesagt“, so das Fazit des Autors, „ist dies ein sozialdemokratisches Szenario: Normalbetrieb beibehalten, Hygiene nachjustieren, im Akkord impfen: immunity statt mutiny. Die Arbeit hoch!“
Robniks „politische Krankengeschichte“ des Kinos ist keine trockene akademische Abhandlung, sondern eine äußerst dichte, durchaus ansteckende Lektüre.