

Gegen „toxische Männlichkeit“
Gerlinde Pölsler in FALTER 6/2018 vom 09.02.2018 (S. 46)
Die Feministin Laurie Penny ruft junge Frauen dazu auf, ihre Stimmen zu erheben
Um eine eindeutige Sprache ist Laurie Penny nie verlegen. Vor der Mutterschaft habe sie enormen Respekt, sagt sie, und diese Arbeit werde viel zu wenig anerkannt. „Diese überzogene Phobie gegen das Muttersein, die in einigen Teilen der jungen Linken in Mode gekommen ist, dieses höhnische Belächeln von ‚Mamiklamotten‘ und ‚Windelbergen‘ kann ich absolut nicht ab.“
„Bitch Doktrin“ heißt das jüngste Buch der britischen Journalistin (The Guardian, New York Times) Laurie Penny, einer der populärsten jungen Stimmen des Feminismus. Es ist eine Sammlung von Essays aus den Jahren 2013 bis 2016, in denen sie sich provokant an einer enormen Themenbreite abarbeitet: an Trump und der Linken, an Kapitalismus und sexuellem Missbrauch, an Privatem und Politischem. Bekannt wurde der 31-jährige Twitter-Star durch Bücher wie „Fleischmarkt. Weibliche Körper im Kapitalismus“.
Warum sie im Titel des neuen Buches die abwertende Bezeichnung „Bitch“ übernimmt? Sie müsse sich ständig „das oder Schlimmeres“ anhören, schreibt sie, aber, um mit der Schauspielerin Tina Fey zu sprechen: „Bitches get stuff done“ – Miststücke, die ihre Stimmen erheben, kriegen was auf die Reihe. Dabei würden Mädchen immer noch lernen, dass sie gefallen sollen.
Sich selbst stellt Penny als einst nerdige und magersüchtige Jugendliche vor, die sich fühlte „wie ein schwuler Junge in einem Mädchenkörper“. Die Ärzte glaubten, ihre Rettung bestehe darin, dass sie sich als Lesbe outet. Problem: „Ich war nicht lesbisch. Ich war bisexuell.“ Heute lebt Penny in einer Kommune und ist polyamor. Mit 19 Jahren wurde sie vergewaltigt: Schwer betrunken erwachte sie, als ein Bekannter sie penetrierte. Ohne Kondom. Hinterher fühlte sie sich selbst schuld daran. Erst heute kann sie es „Vergewaltigung“ nennen.
Dem beliebten „Einwand“ gegen Feministinnen, „dass diese nörgelnden Schlampen nur mal richtig durchgevögelt werden müssten“, begegnet Penny so: „Ich habe sie empirisch überprüft, aber mein Forderungenkatalog hat sich nicht verändert.“ Pennys über allem stehende Botschaft: „Toxische Männlichkeit zerstört die Welt.“ Die Verkörperung eines solch zerstörerischen Machismo ist für sie US-Präsident Donald Trump, für den sie unzählige Umschreibungen parat hat: Einmal ist er die „personifizierte schlipstragende Erektion“, dann wieder eine „schwadronierende Freakshow des Unterbewusstseins“.
Im Zentrum des aggressiven Rechtspopulismus sieht Penny „Männer, insbesondere weiße Arbeiter, die meinen, um ihr Geburtsrecht betrogen worden zu sein“. Es geht ihr aber nicht bloß um das Geschlecht, sondern um Diversität. Darum, wer gemeint ist, wenn von „wir, das Volk“, die Rede ist. Penny befürwortet beispielsweise Frauenquoten, appelliert aber gleichzeitig, nicht nur weiße, gut verdienende Karrierefrauen im Blick zu haben – sondern auch deren Kindermädchen, alleinerziehende Mütter, Migranten, all die Opfer des „Kamikaze-Kapitalismus, der rund um den Erdball das Leben arbeitender Menschen ruiniert“.
Kein Verständnis hat sie daher, wenn auch Linke sagen, man hätte die Ausbreitung eines nationalistischen Kapitalismus verhindern können, würde man sich weniger auf die Rechte von Frauen, Homosexuellen und Schwarzen kaprizieren und sich stattdessen mehr auf die Themen „echter Menschen“ konzentrieren. „Wobei“, ätzt sie, „unter echten Menschen natürlich die zu verstehen sind, die nicht weiblich, queer, dunkelhäutig oder fremdländisch sind. Ihr wisst schon, die Menschen, auf die es wirklich ankommt.“ Penny ist überzeugt, dass die Stunde der Gegner von Trump & Co schlagen wird: „Denn wir sind viele, und wir sind auch ‚das Volk‘.“
Natürlich provoziert die Autorin Widerspruch. Trump einen „orangefarbenen Hitler“ zu nennen hätte sie sich sparen können. Auch ihre Schlussfolgerungen zu Heterobeziehungen und zur Mutterschaft muss man nicht teilen – Penny rät hier im Zweifelsfall eher ab, weil: zu viel Einschränkung.
Ein Rezept gegen rechte Populisten oder eine Alternative zur Work-Life-Balance – die gebe es nämlich gar nicht – hat sie freilich auch nicht parat. Das macht aber nichts: Penny kratzt unter dem, was nicht gesagt, aber gemeint wird, das Widersprüchliche, Absurde, ja oft Niederträchtige hervor. Das ist sowohl intellektuell wie auch sprachlich ein Vergnügen.