Sexuelle Revolution

Rechter Backlash und feministische Zukunft
384 Seiten, Taschenbuch
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Reihe Nautilus Flugschrift
ISBN 9783960542865
Erscheinungsdatum 07.03.2022
Genre Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft
Verlag Edition Nautilus GmbH
Übersetzung Anne Emmert
Sammlung Besser lesen mit dem FALTER - Die Bücher zum Podcast Folge 51-100
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Edition Nautilus GmbH
Schützenstraße 49a | DE-22761 Hamburg
info@edition-nautilus.de
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Kurzbeschreibung des Verlags

Eine sexuelle Revolution hat begonnen, und diesmal wird sie nicht aufzuhalten sein. Diese Revolution beginnt überall da, wo Frauen, queere, nonbinäre und trans Personen, vor allem jene, die nicht der weißen Mehrheitsgesellschaft angehören, aufstehen und nicht länger bereit sind, ihren Körper als jemandes anderen Besitz zu begreifen. Unsere Zeit der Krisen ist dank ihnen zugleich eine Zeit der produktiven Transformation, voller tiefgreifender und dauerhafter Veränderungen in unserem Verständnis von Gender, Sex und der Frage, wessen Körpern und wessen Worten Bedeutung beigemessen wird.
Mitreißend und scharf schreibt Laurie Penny über Sex und Macht, Trauma und Widerstand. Über die Krise der Demokratie, die Krise weißer Männlichkeit und die Rückzugsgefechte derer, die Angst vor Machtverlust haben.
Sie fordert eine Kultur des Consent, die weit über Sex hinausgeht: Auch in Arbeitsverhältnissen, in Systemen der politischen Repräsentation, im Miteinander müssen wir zu einer Logik des fortlaufend ausgehandelten Einvernehmens finden, um individuelle und kollektive Traumata zu heilen und zukünftige zu verhindern.

»Brillant, kraftvoll, revolutionär.« Kate Manne

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FALTER-Rezension

"Wladimir Putin ist Teil der Gegenrevolution"

Barbaba Tóth in FALTER 14/2022 vom 08.04.2022 (S. 22)

Ist es in Ordnung, wenn wir ohne Kamera sprechen?", fragte Laurie Penny per Mail kurz vor dem ausgemachten Zoom-Interviewtermin. Die "wichtigste Feministin der jungen Generation" (Die Zeit) ist nämlich gerade am Packen für ihre Lesereise, die sie unter anderem auch nach Wien führen wird. Und sie muss noch alle ihre Zimmerpflanzen gießen, die sie "sehr liebt".

Falter: Frau Penny, kein Interview, in dem Sie nicht über Sex sprechen müssen. Ist das nicht manchmal nervig?

Laurie Penny: Ein bisschen, aber ich bin eine ziemlich offenherzige Person. Es ist nur gerade ein wenig ärgerlich, weil mein Partner in den letzten Monaten weit weg war und ich viel mehr Zeit damit verbrachte, über Sex zu reden, als Sex zu haben.

Ihr neues Buch liest sich wie eine Kampfschrift gegen weiße, bürgerliche Männer, von denen es auch in Österreich sehr viele gibt.

Penny: Natürlich, die sind überall.

Sie identifizieren sie als die größte Hürde auf dem Weg zur sexuellen Revolution, weil sie Frauen am liebsten immerwährend als Gattinnen und Mütter in Kernfamilien sehen würden. Aber ist das Patriarchat nicht auch eine Last für diese Männer, weil sie in ihrer Rolle feststecken? Könnten sie uns nicht auch leidtun?

Penny: Oh, absolut. Ich habe große Sympathien für Menschen, die im Gefängnis toxischer Männlichkeit gefangen sind. Wir stecken da gemeinsam drin, Männer wie Frauen. Deshalb habe ich auch wahnsinnig viel Mitgefühl für all diese jungen Männer, diese russischen Soldaten, die von Leuten, die sie belogen haben, in einen Krieg geschickt werden, den sie nicht verstehen. Das heißt natürlich nicht, dass es ihnen erlaubt sein sollte, die Ukraine zu erobern. Verständnis und Mitgefühl darf man nicht mit einer Duldung verwechseln, ganz besonders nicht, wenn es um Männer geht. Viele Probleme in der Politik könnten grundsätzlich leichter gelöst werden, wenn die Gefühle von Männern nicht der entscheidende Faktor wären.

Sie haben Ihr Buch vor Beginn des Krieges Russlands gegen die Ukraine fertiggestellt. Noch nie hatten Frauen so viele Möglichkeiten wie heute, aus der patriarchalen Normalität auszubrechen, sprich bürgerliche Ehe, Kinderkriegen, unbezahlte Fürsorge für andere zu verweigern, ist darin ihre Diagnose. Das klingt optimistisch. Aber verändert der Krieg gegen die Ukraine nicht alles?

Penny: Inwiefern?

Weil Kriege immer einen großen Rückschlag für Geschlechtergerechtigkeit mit sich bringen.

Penny: Krieg ist sicher ein Teil des Rückschlags. Aber es gibt sehr viele Gründe für den rechten Backlash weltweit. Macht, Eroberung, Unterwerfung und Herrschaft sind ganz sicher Teil der Logik männlicher Vormachtstellung und umgekehrt. Führende Staatschefs der Welt wie Wladimir Putin sind Teil dieser Gegenrevolution. Das sieht man klar an ihrer Haltung zu Sexualität, Gender, Homosexualität und reproduktiven Rechten. Diese Leute sind der Feind. Und der Feind eskaliert.

Sie haben die russischen Soldaten schon erwähnt. Aber auch fast alle Männer zwischen 18 und 60 Jahren müssen in der Ukraine bleiben, nur Frauen und Kinder dürfen das Land verlassen. Ist das nicht ungerecht?

Penny: Das zeigt, warum binäres Geschlechterdenken für Staaten weltweit noch immer derart von Bedeutung ist. Die Vorstellung, dass ein Staat jeden Körper einziehen kann, Menschen zwingen kann, zu töten oder zu sterben oder ihre Körper gegen ihren Willen im Militärdienst einzusetzen, ist abscheulich. Da bin ich Anarchistin. Ich halte die Wehrpflicht für teuflisch - und zwar selbst dann, wenn Menschen aller Geschlechter einberufen werden. Niemand sollte gezwungen werden, Soldat zu werden.

Sie sagen, Putin ist der Feind. Wie sehen Sie Wolodymyr Selenskyj? Repräsentiert er nicht auch einen sehr maskulinen Typ?

Penny: Er hat Muskeln, er trägt ein armeegrünes Shirt. Aber ich sehe da keine zwei unterschiedlichen Arten von Männlichkeit. Meinem Verständnis nach verfolgt nur einer der beiden die aggressive und hypermaskuline Vorstellung, und das ist Putin. Selenskyj hat bewiesen, dass er ein exzellenter und inspirierender Politiker und eine echte Führungspersönlichkeit ist. Seine Eloquenz und seine Reden haben viele beeindruckt. Wenn man diese Qualitäten ausschließlich mit Männlichkeit assoziiert, müssen wir uns fragen, warum.

Wie geht es Ihnen als erfolgreicher Drehbuchautorin und Autorin, wenn Sie die Bilder dieses Krieges sehen? Realität und Fiktion scheinen sich zu überschneiden, weil viele Bilder aus diesem Krieg wie aus einem Hollywood-Script wirken.

Penny: Jeder Krieg wird auch im Bereich der Vorstellungskraft geführt. Und es gibt einen großen Kampf darum, wer die Erzählung in jedem Krieg kontrolliert. Russland will Einfluss in der Welt gewinnen, indem es populäre Narrative über Macht und die Frage, wer an die Macht kommt, kontrolliert und zerstört. Ich denke, alle Journalisten müssen im Grunde aus Informationen einander oft widersprechender Überlieferungen und diversen Fakten, die sie zusammentragen können, eine Geschichte weben, die einen Sinn ergibt. Ich finde es nicht falsch, eine Geschichte zu erzählen. Geschichten und Erzählungen helfen uns Menschen, die Welt zu erfassen. Darum versuchen Despoten und Oligarchen, die Narrative zu kontrollieren. Wogegen ich mich ausspreche, ist die Behauptung, es gebe immer nur eine einzige Geschichte und nur eine einzige Lesart. Ich habe mir angeschaut, wie in Russland von Russen über die Invasion in der Ukraine gesprochen wird. Den Soldaten wird gesagt, sie würden Nazis bekämpfen und die Bevölkerung würde sie mit offenen Armen empfangen. Gegen diese Diskrepanz zwischen Erzählung und Wahrheit in Russland muss man kämpfen.

Weiße ukrainische Frauen werden so viel selbstverständlicher als Geflüchtete akzeptiert als Menschen aus Syrien 2015. Wie erklären Sie sich das?

Penny: Wir können komplizierte Theorien dazu spinnen, aber versuchen wir nicht, diese Tatsache zu verkomplizieren. Die Antwort ist eindeutig: Das ist Rassismus. Punkt. In Europa und in vielen Ländern des Westens gibt es die Vorstellung, dass weiße Frauen, speziell die Körper weißer Frauen, Eigentum und Herrschaftsbereich sind.

Der vor Fremden geschützt gehört?

Penny: Als im Jahr 2015 viele Geflüchtete aus Syrien in Frankreich angekommen sind, hatte ein französisches Magazin die Vergewaltigung Europas auf dem Cover. Dahinter steht die Vorstellung, dass Europa diese verletzliche, weiße Frau ist, der all diese syrischen Geflüchteten, die Eindringlinge, nach dem Leib trachten. Diese Vorstellung, dass Fremde eine sexuelle Bedrohung darstellen, ist eng mit Vorstellungen von Besitz verknüpft. Vielleicht fassen viele in europäischen Ländern die Frauen und Kinder aus der Ukraine als etwas auf, das einem selbst ähnlich ist. Weibliche Körper werden im Krieg sehr oft als etwas verstanden, das erobert wird. Es wird schon berichtet, dass Soldaten Frauen und Kinder vergewaltigen. Im Krieg wird Vergewaltigung als Waffe eingesetzt, gegen Frauen und Männer, Sexualität wird zum Mittel der Eroberung. Das ist auch unglaublich traumatisierend - übrigens auch für die Soldaten. Nicht dass ich damit sagen will, sie wären noch mehr traumatisiert als die Opfer der Vergewaltigungen.

Wie sieht dieser Backlash, der von der extremen Rechten ausgeht, konkret aus?

Penny: Meine Prognose ist, dass es einen riesigen Backlash gegen sexuelle Freiheiten ganz generell geben wird. Es wird politisch viel mehr zum Thema werden. Man kann das bereits in Großbritannien und in den USA beobachten. Die Diskussion wird sich um die Behauptung drehen, dass Sexualität immer schon schlecht für Frauen gewesen sei und dass wir wieder langjährige, monogame Beziehungen führen sollten, dass wir alle Sexarbeit verbieten und lockere Beziehungen und gewisse kinky Sexpraktiken als missbräuchlich und ausbeuterisch betrachten sollen. Diese Meinungen werden wir noch viel öfter hören.

Und das Ziel heißt, zurück zu einem postpandemischen, postbellizistischen Biedermeier?

Penny: Ich denke, dass weiße, bürgerliche Menschen im Speziellen das Gefühl haben, dass ihnen im letzten Jahrzehnt eine sichere und normale Welt genommen worden ist. Und man müsste nur die Normalität wiederherstellen, was immer das heißen mag, dann wäre alles wieder besser. Ich finde das falsch. Man kann nicht auf magische Weise die Umstände wieder herbeizaubern, man kann ein Sicherheitsgefühl nicht herbeizaubern, indem man so lebt, wie man annimmt, dass Menschen gelebt haben. Dieser Konservativismus ist auch in den Medien stark, weil Medien vielfach von weißen, bürgerlichen Menschen dominiert werden.

Haben Sie ein Beispiel?

Penny: Es gibt aktuell eine große und populäre Transphobie in Großbritannien. Und das zieht sich augenscheinlich durch Europa. Und man greift an, was Leute "Gender-Ideologie" nennen - das wird aber in jedem Land und von jedem, den man dazu fragt, anders ausgelegt. Wenn man eine konservative Feministin fragt, meint Gender-Ideologie einfach Trans-Personen. Aber wenn man ungarische Konservative nach Gender-Ideologie fragt, dann gehören für sie Feminismus, Schwule und Leute, die Sex außerhalb der Ehe haben, dazu. Dieser Backlash gegen freien Sex ist eine Reaktion darauf, eine fundamentale Sicherheit in der Welt verloren zu haben. Es gibt keine Lösung. Die Vorstellung, dass wir wieder zurückkehren werden in eine Zeit, in der die Welt vorhersehbar und normal war, ist eine Fantasie. Sobald wir uns das eingestehen und uns darauf einstellen, geht es uns als Gesellschaft besser.

Gleichzeitig hat die jüngere Generation an Frauen viel weniger Sex. Das hilft auch nicht gerade bei der sexuellen Revolution, oder?

Penny: Es gibt heute wirklich schädigende, missbräuchliche Bilder davon, was Hetero-Sexualität sei und wie sie aussehen könnte. Man muss sich nur die vorherrschende, von Gewalt geprägte Mainstream-Pornografie dazu anschauen. Eine Frau, die sehr jung bei sexuellen Erfahrungen mit solchen Vorstellungen konfrontiert wurde, ist nachvollziehbarerweise nicht begeistert davon. Ich denke auch, dass Frauen heute mehr Macht und Handlungsoptionen haben. Sie fühlen sich freier, Nein zu sagen und sich ihre Partner auszusuchen. Und wenn Frauen sexuell mehr Auswahl haben, entscheiden sie sich vielleicht dafür, keinen Sex mehr zu haben, den sie nicht als befriedigend empfinden. Das ist eine der Folgen sexueller Freiheit.

Wie schaut das Paradies aus -nach Verwirklichung dessen, was Sie sich unter "sexueller Revolution" vorstellen?

Penny: In meinem Buch schreibe ich, ich denke, der beste Sex unseres Lebens existiert noch nicht. Aber ich denke, fairer, guter und aufregender Sex, der im beidseitigen Vergnügen und Einverständnis passiert, ist möglich. Wenn wir uns bemühen, Macht und Gender so weit wie möglich außen vor zu lassen. Aber das passiert nicht von allein. Man muss aufmerksam sein und andere fragen, was sie wollen, und bereit sein, auch die Antworten zu hören, und darauf gefasst sein, über eigene Begierden zu sprechen. Fairer Sex wird nicht passieren, wenn man mit der Einstellung zu Sex an die Sache geht, man müsse dem anderen Sex um jeden Preis abverlangen. Das ist schrecklich schädlich.

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Kampf dem bourgeoisen weißen Mann!

Barbaba Tóth in FALTER 12/2022 vom 25.03.2022 (S. 24)

Laurie Penny ist eine Meisterin der ersten Sätze. "Dies ist eine Geschichte über die Entscheidung zwischen Feminismus und Faschismus. Eine Geschichte über Sex und Macht. Traumata, Widerstand und Beharrlichkeit. Über Arbeit und darüber, wer sie macht und warum. Eine Geschichte über die Krise der Demokratien und die Krise der weißen Männlichkeit und darüber, wie die extreme Rechte von beiden Krisen profitiert." Na bumm, wen erschüttert das nicht? Als weißer Mann schüttelt man jetzt entsetzt den Kopf. Für so viel Schlechtes in der Welt will einen diese gnadenlos pointiert argumentierende Queer-Feministin, Jahrgang 1986, verantwortlich machen? Auch als weiße Frau liest man eher kleinlaut weiter, denn natürlich muss man sich in der Bedürfnispyramide der "sexuellen Revolution", die Penny in ihrem neuesten Werk diagnostiziert und beschwört, weiter hinten einreihen. Zuallererst kommen People of Colour und queere Menschen.

Die "sexuelle Revolution" ergibt sich laut Penny folgendermaßen: Die Welt steckt in einer Pflege-und Reproduktionskrise, weil Frauen aller Klassen und Hautfarben sich weigern, sich in klassischen Hetero-Ehen um alles unentgeltlich zu kümmern wie ihre Mütter zuvor und nebenbei im Job fertigmachen zu lassen. Sie boykottieren Ehe, Mutterschaft und (Selbst-)Ausbeutung und wollen anders leben: als Single, in Sippen, polyamor (wie die Autorin selbst, die kürzlich geheiratet hat), jedenfalls fern der klassischen bürgerlichen Eheund Erwerbslogik.

Dieser Paradigmenwechsel in den Machtbeziehungen zwischen den Gendern verändert gerade alles. Die extreme Rechte, die Frauen und Queere als Feindbild Nummer eins entdeckt hat, kämpft am lautesten dagegen an, von der amerikanischen Alt-Right-Bewegung bis zu den Rechtspopulisten in Osteuropa. Aber auch normale Durchschnittsmänner, die Penny einmal als "bourgeoise weiße Männer" skizziert, wollen die neuen Machtverhältnisse nicht anerkennen. Ebenso wie "Alles-haben-", "Choice-" oder "Marktfeministinnen".

Der Neoliberalismus ist in Pennys Analyse das größte Hindernis auf dem Weg zur "sexuellen Revolution", weil er auf dem Idealbild von Individuen und ihren Kleinfamilien aufbaut, die sich abrackern müssen, um zu überleben. Herrscht Neoliberalismus uneingeschränkt, kippt er in den sexuellen Autoritarismus und in die sexuelle Unterdrückung. Die #MeToo-Bewegung begehrt zwar dagegen auf, und auch das Bewusstsein dafür, was "einvernehmlich" wirklich heißt, wenn zwei Menschen miteinander körperlich werden, hat sich verbessert. Aber es reicht noch lange nicht aus.

In ihrer ergreifenden Radikalität überzieht Penny manchmal, wenn sie etwa postuliert: "Schwangerschaft ist etwas Grausames" oder ihr die Schilderung von Hetero-Mittelstandsmännern gar zu schematisch gerät. Für Sätze wie "Früher oder später läuft jede Revolution auf die Frage hinaus, wer das Geschirr abwäscht" muss man sie dann wieder lieben.

Mit 380 Seiten hat ihr neues Buch nicht den Umfang, der zu seinem Anspruch als durch und durch aufrüttelnde Streitschrift passt. Mit anderen Worten: Es ist einfach zu wuchtig, die Argumente wiederholen sich bald einmal. Aber weil Penny eine brillante Schreiberin ist, liefert sie auf den ersten 50 Seiten ihren großen Aufschlag, um auf den restlichen 300 ins Detail zu gehen. So oder so, am traurigsten ist, dass es 2022 nach wie vor einen solchen Aufschrei braucht. Aber gut, dass ihn eine so kompromisslose und gleichzeitig witzige Frau wie Laurie Penny geschrieben hat.

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