Gift und Wahrheit

Wie Konzerne und Politik ihre Macht missbrauchen, um Umweltaktivist*innen mundtot zu machen. Machtmissbrauch entlarvt, Strategien, Enthüllungen und Widerstand gegen Lobbyismus
208 Seiten, Taschenbuch
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ISBN 9783962382865
Erscheinungsdatum 10.10.2023
Genre Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft
Verlag oekom verlag
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oekom – Gesellschaft für ökologische Kommunikation mit beschränkter Haftung
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Kurzbeschreibung des Verlags

Ein mutiges kleines Dorf in Südtirol und eine machtvolle Agrarlobby, die sich das lukrative Geschäft mit Pestiziden nicht verderben lassen will – für Alexander Schiebel wurde dies zum Albtraum: Weil er die Geschichte in seinem Film und Buch »Das Wunder von Mals« publik machte, wurde er vor Gericht gezerrt.

Als SLAPP (Strategic Lawsuit Against Public Participation) sind derartige Einschüchterungsversuche bekannt, bei denen so lange geklagt wird, bis kritische Stimmen aus der Zivilgesellschaft verstummen.

Schiebel erzählt von seinem und anderen Fällen und bringt die Machenschaften der Mächtigen dadurch aufs Tableau.

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FALTER-Rezension

"Es gibt nichts Schlimmeres als Apfelbäume"

Gerlinde Pölsler in FALTER 44/2023 vom 03.11.2023 (S. 44)

Es ist das weltweit meistverkaufte Unkrautvernichtungsmittel, es steht im Verdacht, Krebs zu erregen, und es könnte in der EU schon bald für weitere zehn Jahre zugelassen werden: So schlägt es die EU-Kommission für Glyphosat vor. Am Mittwoch erschienen nun die Ergebnisse einer neuen Studie: "Herbizide auf Glyphosatbasis verursachen Leukämie im frühen Alter", so die Botschaft. Zahlreiche jener Ratten, die Glyphosat verabreicht bekamen, seien nach weniger als einem Jahr an Leukämie gestorben. Und das bei Dosen, die so niedrig waren, dass sie laut den EU-Behörden als sicher gelten.

Laut den Erstellern handelt es sich um die "umfassendste toxikologische Studie, die jemals zu Glyphosat und Glyphosatbasierten Herbiziden durchgeführt wurde". Koordinator ist das italienische Collegium Ramazzini, das seit Jahrzehnten Untersuchungen zur Umweltgesundheit publiziert.

Über Glyphosat hat auch der österreichische Autor und Filmemacher Alexander Schiebel in seinem Buch und gleichnamigen Film "Das Wunder von Mals" berichtet. Und über die vielen anderen Mittel, die in Südtirol gespritzt werden, also in Europas größtem Apfelanbaugebiet und gleichzeitig einer beliebten Urlaubsregion. Was dann passierte, gilt als Paradebeispiel einer SLAPP-Klage (strategic lawsuit against public participation), die das Ziel verfolgt, unliebsame Kritik zu unterdrücken:

Der Südtiroler Agrarlandesrat Arnold Schuler klagte Schiebel gemeinsam mit 1376 Bauern wegen übler Nachrede. Auch Karl Bär vom Umweltinstitut München zeigte er wegen dessen Kampagne "Pestizidtirol" an. Die Gerichte sprachen beide frei. Die Staatsanwaltschaft Bozen beschlagnahmte zudem die Pestiziddaten von 681 Betrieben, die kein schönes Bild zeichnen: 2017 gab es zwischen März und September keinen einzigen Tag, an dem im Vinschgau nicht gespritzt wurde. Bei mehr als der Hälfte der Einsätze kamen gleich mehrere Mittel gleichzeitig auf die Plantagen.

Seit wenigen Tagen liegt Alexander Schiebels neues Buch "Gift und Wahrheit" vor. Darin schreibt er über SLAPP-Klagen, widerständige Bauern und die "Letzte Generation": Von ihr handelt sein nächster Film.

Falter: Herr Schiebel, Sie ziehen ein zwiespältiges Resümee über den Ausgang der Klage gegen Sie: Sie hätten "auf alle erdenklichen Arten gewonnen und verloren". Juristisch wurden Sie zwar freigesprochen, die Kläger -der Landesrat, die Pestizidlobby -hätten aber dennoch genau das erreicht, was sie wollten.

Alexander Schiebel: Ja, leider. SLAPP-Klagen wollen ja mit den Mitteln des Gerichtsverfahrens Kritiker zum Schweigen bringen und Widerstand schwächen. Beides ist sehr gut gelungen. Wir, die unmittelbar Angegriffenen, also das Umweltinstitut München und ich, waren gezwungen, uns über Jahre mit diesem Verfahren zu beschäftigen anstatt mit den Apfelmonokulturen in Südtirol. Man lenkt also die Leute von dem eigentlichen Thema ab und erreicht so, dass dieses Thema nicht mehr auf der Agenda steht. Der zweite, noch viel schlimmere Aspekt ist die Einschüchterung: Alle anderen sehen, was mit uns passiert ist, und empfinden es als abschreckend.

Das Gericht gab Ihnen jedenfalls Recht, und das lag auch daran, dass das ebenfalls geklagte Umweltinstitut München, der oekom Verlag und Sie an einem Strang gezogen haben. Das Umweltinstitut hat keine Kosten und Mühen gescheut.

Schiebel: Ja, die hatten mehr Angst als ich. Laut unserem Anwalt hätte jeder Obstbauer einen Tausender von uns fordern können, bei 1376 Bauern wären das Schadenersatzforderungen von rund 1,4 Millionen gewesen. Hätte das Umweltinstitut das zahlen müssen, wäre es nach fast 40-jährigem Bestehen weg gewesen.

Hatten Sie keine Angst? Eine Einzelperson kann so etwas ja finanziell auch vernichten. Schiebel: Ich habe keinen Besitz und kein Vermögen. Anders, als wenn ich zum Beispiel einen Hof geerbt hätte, habe ich also nichts zu verlieren.

Aber Sie hatten vier Kinder zu versorgen und schon vor der Klage in Südtirol wegen Ihrer Kritik öffentliche Aufträge verloren

Schiebel: Sicher, man muss immer schauen, dass man überlebt. Aber wenn jemand von mir 1,4 Millionen haben will, dann können sie mir einen Gerichtsvollzieher schicken, der kriegt dann einen Kaffee und kann sich in meiner Wohnung umschauen -vergeblich. So viel Geld habe ich einfach nicht.

Welche Tipps haben Sie für Aktivisten oder Journalisten, die mit einer solchen Klage konfrontiert sind? Was sollen die tun?

Schiebel: Du brauchst Solidarität, Vernetzung mit anderen, vor allem mit der Bevölkerung und den Medien, und du brauchst Profis. Du darfst nicht einfach hoffen, dass das mit drei Presseaussendungen schon werden wird. Du musst schauen: Wer kann Fundraising machen? Du brauchst Solidaritätserklärungen anderer Organisationen, so wie wir das von Greenpeace und anderen NGOs bekommen haben. Wenn es möglich ist, erweitere den Radius des Konflikts. Ist er in Österreich, trag ihn über die Grenze! So wie wir ihn nach Deutschland getragen haben, weil das so ein wichtiger Markt für Südtirol ist. Mit alledem können die Schwachen plötzlich erstaunlich stark sein.

Sind Sie auf Anwaltskosten sitzen geblieben?

Schiebel: Jein. Ich habe den circa 3000 Leuten, die ich auf meiner Mailingliste habe, vorgeschlagen, mir zu spenden und im Gegenzug mein Buch geschenkt zu bekommen. Mit über 1500 Spenden habe ich dann einen Teil meiner Kosten bezahlt, für die verbleibenden habe ich mich verschuldet. Aber natürlich habe ich dadurch meine möglichen künftigen Einnahmen als Autor drastisch vermindert. Vielleicht hätte ich eine Spende ohne Versand eines Dankeschöns vorschlagen sollen.

Wie steht eigentlich Österreich beim Pestizideinsatz im Vergleich zu Südtirol da?

Schiebel: Es gibt nichts Schlimmeres als Apfelbäume, weil die 30 Mal gespritzt werden, während man bei anderen Kulturen mit drei bis sieben Mal auskommt. So vergiftet wie die Südtiroler Täler ist also schwerlich eine Region in Österreich. Und bei den Bioflächen ist Österreich unbestritten Vorreiter.

Was sagen Sie zu dem Argument, mit dem Sie auch ein Friseur beim Haareschneiden konfrontiert hat: Ohne Pestizide gehe es einfach nicht; wie solle man da eine wachsende Weltbevölkerung ernähren, wo doch Bio geringere Erträge abwirft? Schiebel: Darauf sage ich immer: Esst weniger Fleisch. Moment - wir reden doch gerade von Obst, Gemüse, Getreide.

Schiebel: Ja, aber wir verwenden viel zu viel Ackerfläche auf der Welt dafür, Fleisch zu bekommen. Die Tiere brauchen sehr viel Futter. Und um eine Kalorie Fleisch zu produzieren, braucht man viel mehr Fläche als für eine pflanzliche Kalorie.

Die meisten Menschen wollen aber viel Fleisch essen. Schiebel: Ja, dann fressen sie halt ihre Kinder auf. Wenn kein Planet mehr übrig ist, dann haben sie zwar ihr Schnitzel gehabt, aber die Kinder haben gar nichts mehr.

Die Politik sagt: Wir können den Leuten ja nicht vorschreiben, was sie essen sollen. Schiebel: Ich bin kein Politiker, vielleicht könnte man es mit einer Art Lebensmittelmarken versuchen. Mit einem oder zwei fleischfreien Tagen in der Woche.

Ein Politiker, der Lebensmittelmarken forderte, wäre sofort weg.

Schiebel: Mag sein. Dennoch scheint es mir nicht so wahnsinnig schwer zu sein, eine Landwirtschaft ohne chemische Pestizide einzuführen. In der Schweiz gab es ja 2021 diese Volksabstimmung, ob chemisch-synthetische Pestizide komplett verboten werden sollten, ebenso wie der Import von damit behandelten Lebensmitteln

die die Schweizer abgelehnt haben.

Schiebel: Ja, aber das Konzept hätte dazu geführt, dass die gesamte Produktion von Obst, Gemüse und Getreide in der Schweiz auf Bio umgestellt worden wäre. Das ginge auch auf EU-Ebene. Jedenfalls müssen wir handeln: Eine Landwirtschaft, die ihre Grundlagen zerstört, gehört verboten. Die Landwirte brauchen natürlich Zeit, um sich umzustellen, und müssen ausreichend Subventionen erhalten.

In Ihrem aktuellen Filmprojekt widmen Sie sich der Aktivistengruppe "Letzte Generation". Warum gerade ihr?

Schiebel: Ich habe mehrere ihrer Aktionen beobachtet: Wie sie da am Wiener Ring sitzen, ernst, verletzlich, zerbrechlich. Sie drücken auf wunderbare Weise etwas aus, was ich auch empfinde: Sie realisieren die ökologische Krise, die uns zu sofortigen und drastischen Kurskorrekturen verpflichtet - die aber nicht stattfinden.

Sie vergleichen unsere Gesellschaft mit einer Gruppe von Zwergen, die aneinander gekettet quer auf der Autobahn steht, während ein riesiges Auto auf sie zurast.

Schiebel: Die einen behaupten: "Da ist gar kein Auto." Andere sagen: "Es fährt ja gar nicht so schnell, außerdem kann es im letzten Moment abbremsen." Weitere wollen einen Schritt zur Seite gehen, "jetzt gleich": Sie sind erleichtert, immerhin haben sie reagiert. Ganz außen aber stehen ein paar, die den Aufprall unbedingt verhindern wollen. Sie schreien und zerren an den Ketten.

Das ist die "Letzte Generation"? Schiebel: Ja. Doch die anderen Zwerge ärgern sich nur über die Belästigung durch das Gezerre der panischen Zwerge. Ich fühle mich oft wie einer dieser Zwerge.

Viele meinen, die "Klimakleber" träfen mit den einfachen Leuten die Falschen. Schiebel: Sie treffen nicht die Falschen, denn wir verursachen das Problem kollektiv durch Untätigkeit. Wahrscheinlich könnte die Hälfte derer, die da durch die Stadt fahren, den öffentlichen Verkehr nehmen. Sie könnten mehr Park-and-ride-Plätze fordern, sich aufs Fahrrad schwingen.

Aber erreichen die Aktivisten das?

Schiebel: Einige von der Letzten Generation glauben, das wahre Ziel sei das Medienecho. Einer sagte mir, sie hätten die billigste Methode für ständige Aufmerksamkeit der Medien gefunden. Das halte ich für reinen Unsinn. Es bringt nicht das Geringste. Sie machen sich im Gegenteil zu unbezahlten Pausenclowns für die Medien, deren eigentliches Ziel Unterhaltung ist.

Moment -aber Sie machen ja selber bei den Aktionen mit, weil Sie Ihren Film als Doku mit Innensicht planen. Schiebel: Ja, ich habe mich zwei Mal festgepickt und verhaften lassen.

Obwohl Sie glauben, dass es nichts bringt?

Schiebel: Ich sehe es als eine Art Theaterstück à la Peter Handkes "Publikumsbeschimpfung". Als Performance, die zu mehr als der Hälfte vom Publikum aufgeführt wird. Man sitzt, macht nichts -und alle anderen zeigen, wer sie sind.

Und was zeigt sich da?

Schiebel: Auf mich stürzte eine Frau zu, weil ich meinen rechten Fuß zur Seite gestreckt hatte, sie aber über den Gehsteig fahren wollte. Sie hat mich angeplärrt: "Ich fahr Ihnen über den Fuß!" Ich hatte Angst. Ab dem Moment, wo man sich festgeklebt hat, kann man nichts mehr machen. Aber dann haben sich zwei Passantinnen vor mich gestellt. Ein anderes Mal, auf der Autobahn, haben mehrere dieser üblichen Verdächtigen -Männer um die 30 mit Aggressionsproblem -versucht, ein Auto mit Aktivisten drin umzustoßen. Das sah vollkommen absurd aus! Für mich ist es unverständlich, warum die so aggressiv sind.

Wenn sie zur Arbeit müssen? Oder zur kranken Mutter ins Spital? Schiebel: Aber einen Stau kennen die doch, den erleben sie jeden Tag! Und fünf Minuten später können sie ohnehin weiterfahren.

Zweimal mussten Sie auch ins Gefängnis. Schiebel: Ja, wir haben uns geweigert wegzugehen, also musste die Polizei uns mitnehmen. Das war lustig.

Lustig? Wie lang waren Sie eingesperrt?

Schiebel: Beide Male sieben Stunden. Im Gefängnis bist du von einem Moment auf den anderen nichts mehr. Das Einzige, was du noch tun kannst, ist reden. Diese Gespräche sind hervorragend. Da sitzt du dann mit dem Datenanalysten aus einem kleinen Dorf oder mit der Deutschlehrerin aus Linz. Diese Gespräche sind echt, man kommt blitzschnell zum Punkt.

Sie planen für Ihre Doku eine Art teilnehmenden Journalismus. Wie kann man sich das vorstellen? Schiebel: Es geht mir nicht um richtig oder falsch, sondern lediglich darum, den Menschen, die ich filmisch begleite -den Zwergen in Panik - so nahe zu kommen, dass man sie besser versteht.

Hilft Ihnen das, sich selbst weniger als an den Ketten zerrender Zwerg zu fühlen? Schiebel: Nein. Gar nicht. Das ist einfach meine Art, an den Ketten zu zerren.

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