Schluss – mit lustig!

Wahre Wiener Begräbnisgeschichten
192 Seiten, Hardcover
€ 22
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ISBN 9783990016268
Erscheinungsdatum 29.10.2022
Genre Belletristik/Comic, Cartoon, Humor, Satire/Humor, Satire, Kabarett
Verlag edition a
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Kurzbeschreibung des Verlags

Wenigstens der Tod ist noch witzig. Zumindest dann, wenn der prominente ORF-Moderator Patrick Budgen tatsächlich geschehene Begräbnispannen zu pointierten, kurzen Geschichten verarbeitet. Erzählt hat sie ihm Peter Holeczek, Leiter der zentralen Kundenservicestelle der Bestattung Wien.

Wie kamen die Bowlingkugeln in den Sarg?
Was ist im Branchen-Jargon ein Big Mac?
Und warum umkreiste ein toter Schauspieler im Sarg das Burgtheater?

Budgen beantwortet solche Fragen beschwingt und erheiternd und nimmt dabei dem Tod den Schrecken.

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ISBN 9783990016268
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FALTER-Rezension

Im Hoidsbidschama

Daniela Krenn in FALTER 43/2022 vom 28.10.2022 (S. 36)

Noch ein Klischee und es wäre unglaubwürdig. Von rechts überholt die schwarze Pferdekutsche, passiert den Würstelstand "Eh scho Wuascht". Fehlt nur noch, dass sie auch einen Hoidsbidschama mitführt, einen Holzpyjama, wie der Sarg auf Wienerisch heißt. Ein dickbackiger Feldhamster kreuzt den Weg und verschwindet in seinem Bau - einem Grabstein. Der Zentralfriedhof lebt also wirklich.

Peter Holeczek blickt zufrieden auf den Schwarm Krähen über ihm, bevor sein Blick wieder über die Grabsteine schweift. Vielleicht ist auch er ein Klischee: der lange schwarze Mantel, die Lippen immer zum Scherz bereit, um unsichere Gesprächspartner zu beruhigen. Der 61-jährige Holeczek leitet die zentrale Kundenservicestelle der Bestattung Wien, das zu den Wiener Stadtwerken, also der Stadt, gehört, und berät die Lebenden.

Man nennt ihn Ober-oder Promi-Bestatter, er hat ja die "ganz Großen" organisiert: die Begräbnisse von Falco, Niki Lauda oder Peter Alexander, das Zurückholen der Leichname von Otto Habsburg und seiner Frau Regina von Sachsen-Meiningen aus München. 9000 Begräbnisse im Jahr organisiert sein Arbeitgeber, die Bestattung Wien, mit den Überführungen sind es noch mehr "Geschäftsfälle".

9000 Begräbnisse bedeuten 9000 individuelle Wünsche: Bowlingkugeln als Grabbeigaben, Beerdigungen mit Big Band, alles, um der Erinnerung an den Verstorbenen gerecht zu werden. Die überdimensionale Katze, die das Ehrengrab des Karikaturisten Manfred Deix (Nummer 10 in der Gruppe 33G) schmückt, ist mit Marillenschnaps und einer Stange Tschick gefüllt.

Für 30 Jahre des Bemühens, Wien nicht nur zur lebenswertesten, sondern auch zur "sterbenswertesten Stadt" zu machen (Zitat des Dompfarrers Toni Faber), verlieh Bürgermeister Michael Ludwig dem Bestatter 2020 sogar das Goldene Verdienstzeichen. "Der Tod ist das einzig Sichere im Leben", bemerkt Holeczek. "Wieso sollte man ihn nicht mit Humor nehmen?"

So banal und zugleich außergewöhnlich, so locker wie melancholisch ist die Beziehung zwischen Wien und dem Tod. Bis heute widmen ihm Kabarettisten und Musiker ihr Schaffen, Wolfgang Ambros gab ein Konzert auf dem Zentralfriedhof, wie auf der normalsten Bühne des Landes. "Der Tod, das muss ein Wiener sein, genau wie die Lieb a Französin. Denn wer bringt dich pünktlich zur Himmelstür, ja da hat nur a Wiener das G'spür dafür", sang der Kabarettist Georg Kreisler 1969.

Bestattungsunternehmen heißen hier humorvoll "Baba" oder "Himmelblau". Den zweitgrößten Friedhof Europas befährt ein eigener Linienbus, Läufer trainieren zwischen Gräbern, die Konditorei Oberlaa bietet Sachertorte und Gugelhupf. Touristen machen Selfies mit Quiqui, dem Wiener Todesmaskottchen, einem überdimensionalen Sensenmann. Seit 2022 ist die österreichische Bestattungskultur mit ihren besonderen Schrittfolgen beim Sargtragen, ihren Kutschen und Trauerzügen sogar immaterielles Weltkulturerbe. Ist der Tod wirklich ein Wiener? Und wenn ja, wer hat ihn eingebürgert?

Die Kuratorin Michaela Lindinger fragt sich das auf professionelle Art, sie betreut am Wien Museum die Sammlung von Totenmasken und Erinnerungsgegenständen. "Wie viele Klischees hat auch dieses seinen wahren Hintergrund."

Bevor Astrologie und Räucherstäbchen dem Stadtbürger Spiritualität einhauchten, war die katholische Kirche die Adresse für Ewigkeitsfragen. Bis ins Jahr 1918 regierten die Habsburger und mit ihnen der Katholizismus. Eine Religion, die aufs Jenseits abzielt, eine einzige Anleitung, sich aufs Danach vorzubereiten -ein Ticket in den Himmel machte nur Ungläubigen Angst.

Im Gegenteil: Dem Kaiser wurden Herz und Eingeweide entnommen, nicht als Organspende, sondern um den Kadaver zu verschönern. Die berühmte "schöne Leich'", die pompösen Habsburger-Beerdigungen, meterhohe Trauergerüste, inszeniert als Volksfeste. Die ganze Stadt feierte damals wild, die Habsburger hatten aus ihrer Residenzstadt eine Morbiditätsstadt gemacht. Auf das Kreuzzeichen folgte der Trauerprunk. Er schwappte aus Großbritannien in die Stadt, da Queen Victoria aus Kummer um ihren 1861 jung verstorbenen Gemahl Albert lebenslang Schwarz mit Spitze trug.

In der Wiener Innenstadt gab es sogar das Trauerkaufhaus "Zur Irisblume", in dem der Tiroler Alexander Toldt schwarze Fächer und Unterwäsche anbot. Gleich dort, wo heute Manufactum Am Hof im ersten Bezirk Nostalgiegegenstände verkauft.

"Zur Irisblume" ist Geschichte, das Geschäft mit dem Sterben läuft aber bis heute, der Tod ist Alleinstellungsmerkmal des Städtetourismus. Das wissen die Marketingabteilungen der Bestatter. Die leitet bei der Bestattung Wien Florian Keusch, der Mann, der neben Peter Holeczek in der Nebelsuppe auf dem Zentralfriedhof steht. Jeden Tag fragen Besucher im Museumsshop unter der Promi-Aufbahrungshalle hinter Tor 2 des Zentralfriedhofs nach dem neuesten Artikel, dem Eiskratzer mit der Aufschrift "Mit uns kratzen Sie besser ab". Sie haben die Werbung im Internet gesehen.

Dabei kündigt ein Schild am Museumseingang den Eiskratzer erst für Kalenderwoche 46 an. "Früher war die Assoziation: Bestattung? Wäh!", sagt Keusch. Auch er hatte Hemmungen, kam nach einem Job bei der Wiener Zeitung zufällig zur Bestattungsbranche. Die Emotionen der Angehörigen, die komplexe Logistik hinter einem Begräbnis und in seinem Fall ein Batzen Kreativität, das findet er, sind heute die schönen Seiten seines Jobs. Seit zwölf Jahren verantwortet er den Imagewandel des Unternehmens. "Wir haben uns vor ein paar Jahren überlegt: Wie kann man die Leute dazu bewegen, sich mehr mit dem Tod zu beschäftigen?" Die Antwort: Am ehesten mit Humor.

Seit 2013 sehen Wiener und Gäste im Bestattungsmuseum auf 300 Quadratmetern nicht nur Rettungswecker, die zu Unrecht Begrabene unter der Erde betätigen können, wer will, liegt in der Langen Nacht der Museen auch in Särgen auf Probe. Käuflich zu erwerben sind: der Turnsack mit der Aufschrift "Ich turne bis zur Urne", der USB-Stick in Sargform oder das Krematorium aus Lego-Steinen.

Nach und nach ergänzte Keusch das Sortiment mit immer gewagteren Artikeln. Der Höhepunkt? Eine Maske mit der Aufschrift "Corona leugnen sichert Arbeitsplätze". Da hatte selbst er kurz Bauchweh. Doch dann sahen 700.000 Menschen sein Facebook-Posting, deutsche Medien berichteten über den Werbeartikel, in kürzester Zeit waren die 20.000 Stück vergriffen. Keusch war am Ziel: Der Tod war wieder in die Mitte der Gesellschaft. Mit den Habsburgern war Wiens Morbidität vorerst dahingeschieden gewesen, mit den Weltkriegen war der Tod viel zu nahe gerückt. Bewegungen der 1960er-und 1970er-Jahre konzentrierten ihren Kampf auf Frauenrechte oder Frieden, die Fortschritte der Medizin drängten den Tod an den Rand. "Was den lockeren Umgang angeht, hat Wien lange nur von seinem Image gelebt", sagt Florian Keusch. "Wir beleben das schon bewusst wieder."

Den Zentralfriedhof besuchen heute aber nicht nur Touristen mit amerikanischem Akzent, es sind ebenso Forscherinnen zugegen. Sie erfassen die Biodiversität, die Rehe und Füchse, Flechten und Laufkäfer. Die Tiere und Pflanzen leben hier im elften Bezirk zwischen, unter und auf 330.000 Grabstätten mit bis zu drei Millionen Toten. Ludwig van Beethoven und Hedy Lamarr ruhen hier sowie über 80.000 jüdische Verstorbene.

1874 eröffnete der Zentralfriedhof. "Der war für damalige Verhältnisse weit weg vom städtischen Leben. Früher waren die Friedhöfe direkt in der Stadt", sagt die Kuratorin Lindinger. Gotteshäuser standen meist im Zentrum einer Ortschaft, daher waren auch die Friedhöfe unmittelbar in der Mitte der lebenden Bevölkerung. Die Angst vor tödlichen Krankheiten, dann der Bedarf an Bauland verdrängten schließlich die "Gottesäcker" aus den Zentren.

Bis heute tauchen ehemalige Friedhöfe mitten in der Stadt auf. Einen solchen Friedhof fanden Bauarbeiter 2008 beim Ausheben einer kleinen Grube in der Zollergasse 32 im siebten Bezirk. Hatte hier jemand ein Verbrechen vertuschen wollen und die Leichen einfach verbuddelt? Diese Vermutung der Bauarbeiter entkräftete die Stadtarchäologie Wien schnell. Die gefundenen Gebeine gehörten den auf dem St.-Ulrichs-Friedhof Beerdigten, von 1590 bis 1783 an dieser Stelle. Arme Leute, das bezeugen die Grabbeigaben. Auf dem Friedhof zu Wien-Neubau wurde nicht die Wiener Elite bestattet, sondern die Mittellosen, Kranken, Angehörige des Militärs und des Prekariats. Dass ihre Gebeine nun zwischen Baubagger geraten, dafür trägt Kaiser Joseph ll. die Schuld. Er hatte 1783 die Auflassung aller Friedhöfe innerhalb des Linienwalls (in den heutigen Bezirke drei bis neun) verordnet. Die Liegenschaften wurden dann an einen Geschäftsmann verkauft, der Mietzinshäuser bauen ließ. Sie stehen heute noch.

Ganz in der Nähe soll übrigens der Wiener Bänkelsänger und Sackpfeifer Marx Augustin, Star des Lieds "O du lieber Augustin", während der Pestepidemie 1679 nachts in eine Pestgrube geworfen worden sein. Die Ordnungshüter hatten ihn volltrunken schlafend gefunden -und für tot gehalten.

Die vergessenen Friedhöfe unter Wiens Häusern nicht mitgezählt, gibt es heute insgesamt 46 Friedhöfe in Wien. Von einer dieser Begräbnisstätten kommt gerade Gerhard Jansen. Auch der 52-Jährige beschäftigt sich beruflich mit dem Tod. Er ist Pfarrer der Kirche Breitenfeld im achten Bezirk. In Hernals ist ein 90-Jähriger gestorben, seine Frau habe sich gewünscht, dass Jansen in der Rede den schwarzen Humor ihres Mannes betone. Weil er jahrelang in der Blasmusikkapelle der Wiener Linien gespielt hatte, gab es für ihn zum Abschied einen Marsch. Ungewöhnlich, sagt Jansen. Früher erwarteten Angehörige von der Kirche nicht viel, die Abschiedsrede war meistens gleich. Heute sei beinahe alles möglich.

Im Büro gegenüber der Breitenfelder Kirche sitzt er nach dem Begräbnis mit schwarzem Hemd, oberster Knopf offen, dunkle Jeans. Die Kirche habe ein "aufgeräumtes Verhältnis" zum Tod, sagt Jansen, "er ist nur das Ende des Sterbens, nicht des Lebens". Viele Trauernde wünschten sich feste Rituale und Menschen, die zuhören, wenn ein Mensch stirbt, um besser mit der Trauer umzugehen, das bietet die Kirche bei Begräbnissen, sagt Jansen.

Der Pfarrer selbst hat schon viel über den Tod nachgedacht, vor allem an Begräbnistagen. Der Mann stammt aus Bonn, dort teilt man den sarkastischen Umgang mit dem Tod. Schmäh und Satire sollen den Schrecken domestizieren, die Kontrolle zurückerobern über etwas, worüber es keine Kontrolle gibt, glaubt er. Der Hang des Wieners zum Tod ist ihm in seinen 30 Jahren in der Stadt nicht entgangen: "Dass es Konzerte am Friedhof gibt oder Zuckerwattestandeln zu Allerheiligen, das habe ich nirgendwo sonst erlebt."

Jansens Vorgänger in der Pfarre hat sein Begräbnis noch zu Lebzeiten geregelt. Er wünschte sich eine Dixieland-Band und "Non, je ne regrette rien" von Édith Piaf. Das passt nicht unbedingt zusammen und nicht unbedingt zur katholischen Kirche. Obwohl: Auch Piaf singt davon, dass ihr die Vergangenheit egal sei, sie bei null anfange.

Jansens priesterlicher Vorgänger hatte vorgesorgt, das ist selbst in Wien eine Ausnahme. "Viele Angehörige wissen nicht, was sich der Verstorbene gewünscht hat", sagt Florian Keusch vom Marketing der Bestattung Wien. Auch deshalb gäbe es die makabren Artikel im Museumsshop: als Eingangspforte, um schon zu Lebzeiten Zugang zu finden.

Der Kulturwissenschaftler Thomas Macho ist sich da nicht so sicher. Er kennt den Tod schon lange, kaum 20 war er, als seine Eltern starben, sein Leben lang hat ihn das Dahinscheiden beschäftigt. Auch beruflich. Drei Sachbücher hat Macho über das Thema geschrieben, die Sichtbarkeit des Todes, den Suizid. "Ich habe das Gefühl, die Geschichte der Wiener Morbidität ist ein wenig zur Urban Legend geworden", sagt Macho. Denn Wien sei gar nicht so morbide.

In ihrem Ursprung war dieser Hang zum Morbiden in Wien mehr Überlebenslust als Gruseltrend. Wie überall anders auch, siehe Halloween-Kultur in den USA. Humorvoll statt tieftraurig, die Überwindung des Todes wurde im Leichenschmaus zur Gemeinschaftsarbeit. "Die Morbidität, die den Wienern nachgesagt wird, ist eine Praxis, dem Tod ein Schnippchen zu schlagen, ihn nicht ganz ernst zu nehmen", glaubt Macho. Er ist nicht unbedingt Fan vom Bestattungsshop mit seinen Spaßartikeln. Das Ins-Lächerliche-Ziehen wirke mit den Krisen der letzten Jahre, Corona, Kriege oder Klimakrise, fast frivol, sagt er.

Dabei sei doch das Gegenteil der Fall. Er kenne immer mehr Leute, die sich in Sterbebegleitungskursen nüchtern mit Trauer und Sterblichkeit auseinandersetzen.

Fernab von Kirche und dem lustig-makabren Wienerlied. Fernab dessen, wie Wien gern sein möchte und wie der Tod letztlich nicht ist.

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