

Digitale Desinformation ist erst der Anfang
Barbaba Tóth in FALTER 7/2025 vom 14.02.2025 (S. 22)
Wenn der ehemalige "Mister Message Control" von Sebastian Kurz (ÖVP), Gerald Fleischmann, ein Buch schreibt, erwartet sich das Publikum neue Einblicke in die türkise Regierungszeit. Die liefert Fleischmann in seinem neuen Werk "Die Codes der Extremisten" durchaus, wenn auch nicht so offenherzig wie in seinem ersten Buch "Message Control: Was Sie schon immer über Politik und Medien wissen wollten" (2023).
Diesmal breitet Fleischmann seine als hochrangiger Regierungsfunktionär gesammelten Eindrücke und - zum Teil klassifizierten, also geheimen - Informationen über Extremisten aus. Für Fleischmann sind sie alle gleich gefährlich. Egal, ob sie Islamisten oder Autokraten sind, Rechtsoder Linksextremisten -zu Letzteren zählt er auch die Klimakleber. Denn sie alle, so Fleischmann, wollen am Ende das herrschende System, die rechtsstaatliche Demokratie, unterwandern und zerstören.
Ihre Methoden sind immer die gleichen, so wie sie der ehemalige russische Spion Juri Alexandrowitsch Besmenow der CIA in den 1980ern nach seiner Flucht erklärt hat: "Nach der Demoralisierung, also der Zerstörung der Werte, und der Destabilisierung, dem Stiften von Unruhe und Polarisierung, folgt die Stufe drei: die Krise. [...] Es kommt zum wirtschaftlichen Kollaps, zur sozialen Unruhe und letztlich zum politischen Umbruch. Eine neue Ideologie und andere Politik übernehmen nun die Macht."
Folgt man Fleischmanns mit zahlreichen Beispielen und Namen gespickter, fast 400 Seiten dicker Abhandlung, ist Österreich in der Phase zwei angekommen. Bisweilen verliert man ein wenig den Überblick, öfters verweist der Autor darauf, dass er etwas "später" vertiefen wird.
Das Glossar am Ende des Buches, in dem Codes und Repräsentanten der verschiedenen extremistischen Strömungen noch einmal aufgelistet werden, hilft etwas. Ein Literatur-und Quellenverzeichnis fehlt ganz. Das ist besonders schade, weil der Autor aus zahlreichen Expertenberichten zitiert, an diesen Stellen werden seine Schilderungen besonders dicht und spannend.
So schreibt Fleischmann etwa über den Österreicher Martin Held, der in Russland lebt und unter anderem die russische Propaganda-Plattform "Moya Rossiya" ("Mein Russland") mitbegründet hat und eine IT-Firma namens "Fancy Nerd" betreibt.
Laut einer (leider nicht näher spezifizierten) Analyse für die britische und deutsche Regierung aus dem Jahr 2023 gelang es der russischen Desinformation, 1500 Artikel des in Europa gesperrten Propagandasenders Russia Today auf 400 andere Domains zu verbreiten. Auch "Fancy Nerds" war an dieser Propagandaoffensive, die mit künstlicher Intelligenz operiert, beteiligt.
An dieser Stelle hätte man sich vielleicht erwartet, dass Fleischmann auf österreichische "Media Outlets" eingeht, die russische Narrative verbreiten, wie die Plattform "Exxpress". Das lässt er allerdings aus. Auch den aktuellen FPÖ-Chef Herbert Kickl erwähnt Fleischmann kein einziges Mal.
Aber er offenbart, dass unter Türkis-Blau der damalige FPÖ-Verteidigungsminister Mario Kunasek -heute steirischer Landeshauptmann -im April 2019 einen Sperrvermerk gegen Identitäre beim Heer per Erlass aufheben ließ.
Kurz erfuhr davon und stellte seinem FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache ein Ultimatum. Wenn Kunasek den Erlass nicht zurückziehe, würde er beim Bundespräsidenten um seine Entlassung bitten. Kunasek lenkte ein, kurz darauf fegte der Ibiza-Skandal die Regierung weg.