

Thomas Leitner in FALTER 25/2021 vom 25.06.2021 (S. 30)
Der Kardiologe Maxim Ossipow lebt in Tarussa, einer Kleinstadt knapp außerhalb der für Sowjetdissidenten 100 Kilometer um Moskau gelegten Bannmeile. Erfahrungen als Spitalsarzt in diesem Mikrokosmos aus Datscha und Opposition bilden das Zentrum des Bandes. Die Schatten der Vergangenheit von Stalin-Terror, Breschnew-Paralyse und Oligarchen-Anarchie wollen nicht weichen. Mehr als Bedrohung denn als Schutz und Zukunftshoffnung drückt die neue Putin’sche Herrlichkeit auf diese Peripherie.
Aber auch in der Fremde bleiben die Figuren geprägt vom russischen Erbe, einer Mixtur aus Musik, Mathematik, Schach und Reminiszenzen aus der Literatur. Als Erzähler, Essayist und Dramatiker zählt Ossipow zu den spannendsten Autoren des heutigen Russland. Bei ihm mischen sich die Empathie von Tschechow und Sarkasmus. Wie viel von seiner einfühlsamen Kritik verträgt die heutige Obrigkeit?