Der Wind ist ein Wiener

Reportagen für morgen
160 Seiten, Hardcover
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ISBN 9783990140529
Erscheinungsdatum 01.02.2012
Genre Belletristik/Essays, Feuilleton, Literaturkritik, Interviews
Verlag Muery Salzmann
Vorwort Jakob Augstein
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HerstellerangabenAnzeigen
Müry Salzmann Verlag
Rainbergstraße 3c | AT-5020 Salzburg
office@muerysalzmann.at
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Kurzbeschreibung des Verlags

Der Kulturreporter Helmut Schödel, ein Oberfranke, der im 2. Wiener Gemeindebezirk lebt, gibt mit seinen brillanten Reportagen den deutschen Lesern Kunde von einem Österreich jenseits der neuen glatten Zombiewelt. Dazu gehören Manfred Deix, der Mann mit dem bösen Strich, und der Sänger und Dichter Ernst Molden, der weiß: „Der Wind is a Wiener“, aber auch alte Freudenmädchen, eine Hundetherapeutin und ein Juwelenbetrüger. Mit dem Filmregisseur Peter Kern reist Schödel nach Salzburg zum einstigen Weltstar Helmut Berger, der dort in einem schäbigen Apartment haust, und er trifft den Tierretter Michael Aufhauser, dessen Philosophie heißt: Tierschutz ohne Menschenschutz macht keinen Sinn. Über allem aber steht bei Schödel das Bekenntnis zum „Grätzl“ am Praterstern, dem legendären Rotlichtbezirk, und zu seinen warmherzigen Wirtinnen, Frau Elke im Café Heine und Frau Eleni im Dogenhof. Die 23 Geschichten, erzählt mit viel Empathie, bei Bedarf auch wütender, sind Zeugnisse einer Feuilletonkultur, die vom Aussterben bedroht ist – und überdies viel zu schade, um nur von Schödels Zeitungsfans genossen zu werden. Deswegen gibt es sie jetzt als Buch mit dem Vorwort des Berliner Zeitungsverlegers Jakob Augstein.

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ISBN 9783990140529
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Vorwort Jakob Augstein
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FALTER-Rezension

Das Leopoldstädter Gefühl

Wolfgang Kralicek in FALTER 13/2012 vom 30.03.2012 (S. 29)

Der Wahlwiener Helmut Schödel ist Theaterkritiker,
schreibt aber lieber über das richtige Leben

Helmut Schödel wohnt nicht im Elfenbeinturm, sondern in der Novaragasse. Er ist einer der bekanntesten und auch besten Feuilletonisten des deutschen Sprachraums, versteht sich aber als Reporter. Er schreibt Theaterkritiken für die Süddeutsche Zeitung, aber in dem neuen Schödel-Sammelband, der gerade erschienen ist, spielt das Theater nur am Rand eine Rolle.
Dafür ist einer der Texte seinem Stammlokal, dem Café Heine, gewidmet und dem "Leopoldstädter Gefühl", das er damit verbindet. Das Café Heine, gleich um die Ecke von Schödels Wohnung gelegen, ist weder schön noch schick, aber wer bei der Lokalwahl auf solche Äußerlichkeiten Wert legt, ist hier sowieso falsch.
Schödel schätzt daran vor allem, dass er hier in Ruhe arbeiten kann. Weil Schreiben ein einsames Geschäft ist, hat er stets in Kneipen geschrieben, und zwar vorzugsweise in solchen, in denen keine Feuilletonleser verkehren. "Da hab ich das Gefühl, es liest eh keiner. Das entlastet mich."
Er schreibt seine Texte mit der Hand, für die Übertragung in den Computer hat er seine Leute. Schödel ist 62 und alte Schule, und er sieht keinen Grund, daran noch was zu ändern. Für Jakob Augstein, den Herausgeber der Berliner Wochenzeitung Der Freitag, ist Schödel "einer der letzten großen Wahnsinnigen des deutschsprachigen Journalismus". Auf jeden Fall ist er der Letzte seiner Art, aber das war er eigentlich schon immer.

An seinem Stammplatz im Heine sitzend, schrieb er über die Kellnerin El­ke, sie erinnere ihn an Liza Minnelli, aber auch an Einsteins Relativitätstheorie. "Denn Frau Elkes Einsatz für ihre Stammgäste ist unendlich wie das Universum, aber auch begrenzt."
Das Treffen findet natürlich im Café Heine statt, aber Frau Elke hat heute einen freien Tag. Das Grätzel hier sei die großstädtischste Ecke von Wien, sagt Schödel. Noch hat die Gentrifizierung die Heinestraße nicht erreicht, noch hat die Halbwelt hier die Oberhand. Das ist zwar manchmal nicht ganz ungefährlich, aber dafür gibt es auch noch Lokale wie das Heine. Auch die Nähe zum Wurstelprater schätzt Schödel. "Wenn ich die Welt wieder einmal nicht verstehe, hab ich drei Minuten bis zur Geisterbahn – dann kenn ich mich wieder aus."
Warum das Buch im Untertitel "Reportagen für morgen" heißt? "Weil wir das, was wir gestern wussten, morgen gut brauchen werden", erklärt Schödel. Die Wehmut, die sich durch die Texte zieht, sei keine Absicht gewesen. "Ich habe mir vorgenommen, es darf nicht passieren, dass ich einmal sage: ,Früher war's besser.' Es ist irgendwie anders gekommen, habe ich das Gefühl."
Die für die Süddeutsche und den Freitag verfassten Texte handeln von Künstlern (Helmut Berger, Fritz Ostermayer, Manfred Deix), aber auch vom Tierarzt seines Hundes, dem Tierretter Michael Aufhauser oder einem Juwelenbetrüger. Was haben die Menschen gemeinsam, für die sich Schödel inter­essiert? "Sie müssen unterscheidbar sein. Ich habe Leute getroffen, die noch ein Leben führen. Das tun die wenigsten."
Über Ernst Molden etwa schreibt Schödel, er erzähle in seinen Liedern im Grunde immer davon, "dass es die größte aller Künste ist, das eigene Leben zu führen". Der Titel des Buches, "Der Wind ist ein Wiener", stammt übrigens aus einem Molden-Song. Wie der Liedermacher und Schriftsteller war auch Schödel einmal Dramaturg am Wiener Schauspielhaus.
Auch beim steirischen herbst und im Rabenhof war Schödel engagiert. Echte Kritiker wechseln nicht die Seite. Aber Schödel ist erstens kein echter Kritiker und zweitens ein eigenes Kapitel. "Ich wollte einmal sehen, wie der ganze Mist zustande kommt."

Theaterkritiken schreibt er eigentlich nur, weil man halt was Regelmäßiges braucht. Reportagen kann man ja nicht auf Bestellung produzieren, zumindest solche nicht, wie Schödel sie schreibt. Dass er im Theater häufig leidet, ist den Rezensionen dann auch anzumerken. "Wenn man Pech hat und hintereinander zehn misslungene Aufführungen besprechen muss, ist das Folter!", stöhnt Schödel. Natürlich müsste er über schlechte Aufführungen nichts schreiben. "Aber dann sag ich mir: Soll ich's verschweigen, die Sauerei?"
Im Prinzip besucht Schödel auch das Theater wie ein Reporter. "Ich gehe dort rein und beobachte Menschen. Wenn, sagen wir mal, der liebe Gott einmal fragt: ,Wo warst du, Adam?', dann möchte ich nicht sagen müssen: ,In 50 verschissenen Hamlet-Aufführungen.' Da muss doch noch ­irgendwas gewesen sein."
Nach Wien verschlug es den Franken Schödel zum ersten Mal 1994, als er sich für Recherchen zu einem Buch ("Seele brennt") über den früh verstorbenen Dramatiker Werner Schwab in dessen Wohnung am Brunnenmarkt einquartierte. Zwischendurch lebte er dann in Berlin, aber als die Süddeutsche ihre tägliche Berlin-Seite einstellte, ging er zurück nach Wien. "In eine andere Stadt gehe ich nicht mehr."
Wobei der leidenschaftliche Kaffeehaushocker Schödel überraschenderweise gar kein Stadtmensch ist. Immer wieder flüchtet er auf den Familienwohnsitz im fränkischen Saaletal oder in die ungarische Pampa. "Ich kann nicht nur in der Stadt leben, das ist keine artgerechte Haltung."
Der älteste Text in "Der Wind ist ein Wiener" stammt aus dem Jahr 1997 und ist ein Porträt des deutschen Theaterregisseurs Einar Schleef. Es ist der letzte Text, den Schödel für das Feuilleton der Zeit verfasst hat, wo er 20 Jahre lang beschäftigt war. Zeit und Geld waren damals noch im Übermaß vorhanden, an dem Schleef-Artikel etwa hat Schödel vier Monate lang gearbeitet. Goldene Zeiten.

Schödel sieht nicht wie eine Diva aus, er kann sich aber so aufführen. Josef Hader meinte einmal, bei einem Treffen mit Schödel wisse man nicht so genau, wer der Künstler und wer der Journalist ist. Als Künstler habe er sich nie gesehen, entgegnet Schödel. "Ich wollte nie Schriftsteller sein. Mehr kann ich nicht, mehr will ich nicht."
Schödel schätzt zwar Menschen, die ein Leben leben. Er selbst aber erträgt es nur, indem er schreibt. "Ich kann mich auf diese Routine nicht einlassen, da werde ich depressiv", sagt er. "Also habe ich schon vor dem Abitur beschlossen: Ich erkläre das Leben zur Recherche und werde Journalist."
"Der Wind ist ein Wiener", singt Ernst Molden. "Schödel ist ein geborener Wiener", schreibt Jakob Augstein. "Ich bin kein Wiener", dementiert Helmut Schödel. "Ich beobachte Wiener, und so soll's auch bleiben."

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