

Gegen die Zeit: Ein Gigant der Antriebslosigkeit
Sebastian Fasthuber in FALTER 47/2022 vom 23.11.2022 (S. 34)
Drei Tonnen Rohschlüssel. Das ist Manuel Kellers Erbe. Sein Vater hatte einst als junger Mann das Patent auf ein Schlüsselsystem angemeldet und mit seiner Firma jahrzehntelang gute Geschäfte gemacht. Schweizer Qualität zählte eben. Als Helmut Keller überraschend an einem Schlaganfall stirbt, ist seine Methode jedoch längst veraltet, die Auftragsbücher sind leer.
Manuel bleibt nur, das Unternehmen aufzulösen und die Restbestände mitzunehmen. Sein schweres Erbe kommt mit in die Einzimmerwohnung, die er nach der Trennung von seiner Freundin bezieht. Im Gegensatz zum Vater, der sein ganzes Berufsleben einer Idee verschrieb, hat der Sohn keinen Plan. Seine Freunde sehen in ihm einen Schriftsteller, doch Manuel Keller schreibt nicht.
Er macht gar nichts. Nachdem er seinen Job als Restaurantkritiker für eine Internetplattform hingeschmissen hat, lässt er die Tage einfach verstreichen. Da erhält er unerwartet ein E-Mail: Ein chinesisches Unternehmen möchte die Schlüsselrohlinge kaufen. Die Vertragsunterzeichnung soll in Tansania stattfinden. Soll er sich darauf einlassen?
Der in Wien und Zürich lebende Schweizer Lorenz Langenegger hat mit dem trägen Unternehmersohn eine außergewöhnliche Romanfigur geschaffen. Manuel ist ein Gigant der Antriebslosigkeit. Er lässt sich treiben, reagiert nur. Anders betrachtet, nimmt er sich selbst nicht so wichtig und kommt mit seiner Visionslosigkeit im Vergleich zur hektischen Betriebsamkeit seiner Umgebung sympathisch rüber. In Zeiten der Selbstoptimierung, in der sich jeder bestmöglich zu verkaufen versucht, wird der Antiheld zum Helden.
Langenegger bringt ihn zwischen Italien, Österreich und der Schweiz, Daressalam und London in viele hübsch absurde Situationen. Durchläuft Manuel dabei eine Entwicklung? Eher nicht. Geht er einem ans Herz? Umso mehr. "Was man jetzt noch tun kann" besticht mit psychologischem Gespür, lässiger Eleganz und pointierten Dialogen.