

Björn Hayer in FALTER 17/2020 vom 24.04.2020 (S. 34)
Inmitten einer Gegenwartslyrik, die sich angesichts vieler Krisen merklich politisiert hat, war Poesie über Stimmung und Gefühl zuletzt nicht en vogue. Timo Brandt ist einer, der das wahre Sentiment sucht. Sei es der morgendliche Hafen als Wunde, an der entlang Hamburg gewachsen ist, sei es das Bekenntnis, mit der „jähe[n] Verzweiflung, / kein anderes Gepäck“ zu haben – die expressive Bildlichkeit der Texte entspringt der subjektiven Wahrnehmung des Moments und rührt zumeist von existenziellen Fragen her.
Besonders das Ineinander von Euphorie und Verletzlichkeit in Brandts Liebeslyrik bringt das breite Spektrum einer Sprache zum Ausdruck, die das ganze Dasein erfasst. Alles scheint in diesen Gedichten in Bewegung und am Wanken zu sein: „Die Unsicherheit / rinnt / aus der Sicherheit // wie Bremsflüssigkeit“. Als Leser findet man sich in einem Flow wieder, den man nur ungern verlassen will.