

Computermaus zu Opernhaus
Armin Thurnher in FALTER 29/2014 vom 18.07.2014 (S. 30)
Der Architekt Wolfgang Bürgler ironisiert
in einem Bildband die grassierende Verwandlung
von Architektur in Markenware
Architektur wird zunehmend austauschbar. Immer stärker lässt sie sich vom Visuellen dominieren, während alle anderen Sinne, die in der Architektur genauso gefordert wären, verkümmern. Das sagt der Architekt Wolfgang Bürgler (LIMITarchitects), der dieser Einsicht in seinem jetzt erscheinenden Buch "Shape" Rechnung trägt, oder mit ihr abrechnet, je nachdem.
Bürgler braucht dazu keinen Text. Er nimmt nur hervorragend designte Gegenstände unseres Konsumlebens, vergrößert sie maßstabentsprechend und setzt sie in eine Stadtlandschaft – fertig ist das Signature-Architekturprojekt.
Eine Computermaus? Wäre doch ein prima Opernhaus! Ein Rattansessel? Ein eleganter Wolkenkratzer für die dritte Welt. Eine Lampe von Foscarini? Vergrößert ergäbe sie ein fetziges Frank-Gehry-Museum.
Jedem klein auf der linken Seite dargestellten und ausgeschilderten Objekt steht auf der rechten Seite eine Montage gegenüber, die Bürgler gemeinsam mit dem Grafiker Richard Oberriedmüller hergestellt hat. Frappierend schmiegen sich die Objekte ins urbane Ambiente, als wäre sie genau dafür entworfen worden.
Dass Architektur global und generisch wird, diese Einsicht teilt Bürgler mit Rem Koolhaas. Der niederländische Stararchitekt widmet die diesjährige Architektur-Biennale in Venedig dem Thema Globalisierung. Bürgler hatte seine Idee, in einem Buch zu zeigen, wie weit die Sache schon gediehen ist, "eine Minute vor Koolhaas". Er arbeitete zwei Jahre lang an diesem Buch. "Der öffentliche Raum wird zugemüllt", begünstig werde das durch die zunehmende Medialität und Konsumwerdung von allem und jedem.
Außerdem begünstigen die technischen Möglichkeiten der Gegenwart, neue Materialien und Entwurfsmöglichkeiten diese Entwicklung, erklärt der finnische Architekt und Theoretiker Juhani Pallasmaa, der das Vorwort zum Buch schrieb, das sonst ohne Text auskommt. "Ernste Architektur hat mehr mit dem menschlichen Schicksal, mit Würde und Potential zu tun als mit formeller Fabrikation", sagt Pallasmaa.
Natürlich hatte Bürgler für "Shape" Vorbilder. Hans Hollein montierte einen Flugzeugträger in die Landschaft des Burgenlands; das hat Bürgler schon während des Studiums beeindruckt. Er studierte bei Holzbauer an der Angewandten, arbeitete mit Matteo Thun zusammen und gründete die Büros office, the unit und LIMITarchitects. Er plant Häuser – "aber wer baut im Zeitalter des Elk-Hauses, das man im Katalog bestellt, noch mit Architekten?" –, Supermärkte (Merkur) und Shops (Bipa).
Vor einem Missverständnis wird gewarnt. Die eindrucksvollen Bilder im Buch sind weder als Vorbilder gedacht noch als Anregung. Das Buch ist ebenso sehr eine Hommage an Gestalter, wie es Kritik an der Beliebigkeit der Gestaltung und der Dominanz von Marken übt. Es ist ein Buch der Ideen, aber kein Ideensteinbruch zur freien Bedienung. Bürgler hat sich auch mit dem neomarxistischen Geografen David Harvey auseinandergesetzt. Sein visueller Essay mag an der Oberfläche ironisch anmuten, aber er geht unter die Haut.