Die längste Buchtour

Essay
176 Seiten, Hardcover
€ 22
-
+
Lieferung in 2-5 Werktagen

Bitte haben Sie einen Moment Geduld, wir legen Ihr Produkt in den Warenkorb.

Mehr Informationen
ISBN 9783990591215
Erscheinungsdatum 30.09.2022
Genre Belletristik/Essays, Feuilleton, Literaturkritik, Interviews
Verlag Literaturverlag Droschl
LieferzeitLieferung in 2-5 Werktagen
HerstellerangabenAnzeigen
Literaturverlag Droschl
Stenggstraße 33 | AT-8043 Graz
office@droschl.com
Unsere Prinzipien
  • ✔ kostenlose Lieferung innerhalb Österreichs ab € 35,–
  • ✔ über 1,5 Mio. Bücher, DVDs & CDs im Angebot
  • ✔ alle FALTER-Produkte und Abos, nur hier!
  • ✔ hohe Sicherheit durch SSL-Verschlüsselung (RSA 4096 bit)
  • ✔ keine Weitergabe personenbezogener Daten an Dritte
  • ✔ als 100% österreichisches Unternehmen liefern wir innerhalb Österreichs mit der Österreichischen Post
Kurzbeschreibung des Verlags

Am 24. Februar 2022 hat eine Zeitenwende stattgefunden: Russland beginnt seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine und das ganze Weltgefüge gerät aus den Fugen.

Oksana Sabuschko ist am 23. Februar 2022 scheinbar nur auf dem Sprung, um eine zweitägige Buchpräsentation in Polen zu absolvieren. Es sollte die längste Buchtour ihres Lebens werden …

Von da an gibt sie Interviews für Medien aus aller Welt, spricht vor dem Europäischen Parlament in Straßburg und entschließt sich letztlich, die kurze Interviewform über Bord zu werfen und diesen Essay zu schreiben.

Gekonnt verwebt sie die Geschichte der Ukraine und Russlands aus den letzten 300 Jahren, setzt sich intensiv mit den Auswirkungen des Ersten und Zweiten Weltkriegs auseinander, zeigt auf, was in 30 Jahren ukrainischer Unabhängigkeit seit 1991 alles geschehen ist und wie die Ereignisse von 2004 und 2014 dem heutigen Krieg den Boden bereitet haben. Immer wieder flicht sie dabei persönliche Erfahrungen ein und gibt subjektive Einblicke in das, was der ukrainischen Bevölkerung ein kollektives Trauma ist.

Sabuschko breitet den Leser*innen einen stetig fortgeschriebenen Teppich ukrainischer Geschichte aus – im Ton ist sie kämpferisch, emotional, provozierend und wütend.

Mehr Informationen
ISBN 9783990591215
Erscheinungsdatum 30.09.2022
Genre Belletristik/Essays, Feuilleton, Literaturkritik, Interviews
Verlag Literaturverlag Droschl
LieferzeitLieferung in 2-5 Werktagen
HerstellerangabenAnzeigen
Literaturverlag Droschl
Stenggstraße 33 | AT-8043 Graz
office@droschl.com
Unsere Prinzipien
  • ✔ kostenlose Lieferung innerhalb Österreichs ab € 35,–
  • ✔ über 1,5 Mio. Bücher, DVDs & CDs im Angebot
  • ✔ alle FALTER-Produkte und Abos, nur hier!
  • ✔ hohe Sicherheit durch SSL-Verschlüsselung (RSA 4096 bit)
  • ✔ keine Weitergabe personenbezogener Daten an Dritte
  • ✔ als 100% österreichisches Unternehmen liefern wir innerhalb Österreichs mit der Österreichischen Post
FALTER-Rezension

Feldstudien über die russische Seele

Ulrich Rüdenauer in FALTER 42/2022 vom 21.10.2022 (S. 41)

Sie gehört seit Jahren zu jenen, die vor Putins Russland warnen: die ukrainische Lyrikerin, Essayistin und Erzählerin Oksana Sabuschko. 1960 in Luzk geboren, wurde sie im deutschsprachigen Raum mit ihrem Roman „Feldstudien über ukrainischen Sex“ aus dem Jahr 2006 erstmals breiter wahrgenommen. Die Ukraine hat sie einmal als „Spielwiese des Teufels“ bezeichnet. Aus ihrem jüngsten Buch spricht allerdings kein Triumph, zu jenen gehört zu haben, die das Übel haben kommen sehen. Sondern eher eine Wut auf die Blindheit und Naivität oder, besser: das ungeheure Ausmaß an Ignoranz westlicher Politik.

„Die längste Buchtour“ lautet der Titel des fast 200 Seiten langen Essays. Entstanden ist er in den Monaten nach dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine, geschrieben in Polen, wohin die Autorin am 23. Februar zu einer Lesereise aufgebrochen war – mit einem mulmigen Gefühl zwar, aber doch nicht ahnend, dass sie vorerst nicht in ihr Land würde zurückkehren können. „… um sechs (um sechs!!!) klingelte das Telefon wie durchgedreht. Es war [mein Mann] Rostyk. ‚Dummkopf!‘, stöhnte ich leise und öffnete mühsam die Augen. Warum weckt er mich so früh, weiß er denn nicht, was für einen schweren Tag ich vor mir habe? Und was für eine zwar kurze, aber dafür mit Terminen vollgestopfte Reise! Aber ich griff zum Telefon – wach war ich jetzt so oder so. Anstelle eines ‚Guten Morgen!‘: ‚Es hat angefangen, Kleine, sie bombardieren uns.‘“

Oksana Sabuschko, von einer Minute zur anderen im polnischen Exil gestrandet, wird zur gefragten Gesprächspartnerin für Fernsehsender und Radiostationen. Sie hat Auftritte, schreibt Artikel, erklärt. Wiederholt geduldig, was sie schon in früheren Büchern und Essays geschrieben hat. Versucht die aus ihrer Sicht im Westen nie verstandene Geschichte der Ukraine zurechtzurücken; sie schlägt die Hände über dem Kopf zusammen, wenn sie westliche Kommentatoren von einer „Ukraine-Krise“ sprechen hört. Nicht nur, weil das eine Verkennung dessen sei, was Putins Russland in den letzten Jahrzehnten vorbereitet hat. Sondern auch, weil es sich hier nicht um einen lokalen Krieg handele. „Ich nenne ihn den Dritten Weltkrieg. Die beiden vorangegangenen Weltkriege begannen genau so: aus einer Anhäufung systemischer Fehler globalen Charakters, von denen jeder seine Wirkung auf die architektonische Struktur des internationalen Gleichgewichts im Ganzen hatte.“

„Die längste Buchtour“ ist ein Kondensat. Zugleich eine Suada. Sie erklärt die Vorgehensweise des sich ausdehnen wollenden Russlands, das streng nach dem alten KGB-Lehrbuch handele: Demoralisierung, Destabilisierung, schließlich militärische Auseinandersetzung usw. Die weltweiten Desinformationskampagnen der letzten Jahre gehörten ebenso dazu wie psychologische Tricks, um das Ausland zu täuschen. Sabuschko fühlt sich zurückgebeamt in die 1930er-Jahre. Was gerade geschehe, sei kein neuer Krieg, sondern ein „ununterbrochener, massiver und alles durchdringender“, den der „russische Staat – ganz gleich unter welchem Namen er auftritt – konsequent gegen die zivilisierte Welt führt“.

Was gerade geschehe, sei natürlich Wahnsinn. Aber es habe durchaus Methode. Dass der Westen dies nicht erkannt oder doch großzügig übersehen hat, erregt den ungebrochenen Zorn der Autorin. Sabuschkos zugespitzte und zuspitzende Formulierungen, ihr Pauschalurteile über die brutale russische Mentalität seien ihr angesichts der sie und uns schockierenden Kriegsgräuel-Bilder aus der Ukraine verziehen. Zuspitzungen aber bergen natürlich Gefahren.

Was schon in früheren Büchern zum Vorschein kam: Sabuschkos historische Exkurse sind teils verklärend, teils verallgemeinernd, teils undifferenziert. Man kann durchaus über die Rolle der Sowjetunion zu Beginn des Zweiten Weltkriegs diskutieren und muss nicht der lange vorgetragenen Neutralitätsthese anhängen. Sabuschko jedoch schreibt: „Die UdSSR hat zusammen mit dem Nazi-Reich den Zweiten Weltkrieg entfesselt und sich nie dafür verantwortet.“ Weil es in Polizeistaaten wie Russland nie eine Zivilgesellschaft gegeben habe, könne es dort auch keine Sympathie, kein Mitgefühl geben, stellt sie fest. Gerade von einer hervorragenden Literatin vorgetragen, hat das etwas unangenehm Doktrinäres.

Im Frühjahr vertrat sie in der NZZ die These, dass die gesamte russische Literatur immer schon der Unmenschlichkeit russischer Aggressionen Vorschub geleistet habe, Ausdruck des barbarischen russischen Wesens sei. Das greift sie – abgeschwächt – auch in diesem Essay auf. Sie spricht vom „unaufgeklärten Imperialismus der russischen Literatur von Puschkin bis Brodsky, mit Ausnahmen, die man innerhalb von zwei Jahrhunderten an den Fingern einer Hand abzählen kann“. Solche Töne kennt man sonst nur von politischen Eiferern, nicht von Dichterinnen.

Die Sprache von Sabuschkos jüngstem Essay gleicht einer unversöhnlichen Wutrede: Satzungetüme, an denen Mark Twain seine Freude gehabt hätte, und verwirrend assoziative Argumentationsgirlanden täuschen oftmals komplexe Gedanken eher vor, als sie wirklich zu entfalten. Dennoch stößt man in diesem Dschungel an Einschüben und Endlossätzen nicht nur auf Bedenkliches, sondern auch auf Bedenkenswertes. Nicht zuletzt auf den zu Recht vorgebrachten Vorwurf, dass der Westen sich zu lange nicht für die Ukraine interessiert habe und stattdessen den Einlullungsversuchen Putins erlegen sei. Sie hat recht: Wir befinden uns in einer Zeit von „historischen Veränderungen tektonischer Natur“. Die Literatur könnte dazu beitragen, diese jenseits von politischen Kampfbegriffen zu erspüren.

weiterlesen