

Problemfall Schule
Soraya Pechtl in FALTER 36/2024 vom 04.09.2024 (S. 18)
Im Wahljahr scheint viele Politiker die Muse zu küssen. Nach Hans Peter Doskozil, Laura Sachslehner und Beate Meinl-Reisinger legt nun auch Wiens Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr sein erstes Buch vor. "Schule schaffen" erscheint am 2. September im Goldegg-Verlag.
Der Neos-Politiker skizziert die großen Probleme im Schulsystem. Der Föderalismus, der Reformen verhindert. Ein strikter Lehrplan. Überbordende Bürokratie. Migrantische Kinder, die in Förderklassen kaum Deutsch lernen. Und eine Lehrergewerkschaft, die sich querstellt.
Auf den Problemaufriss folgen oft Vorzeigeprojekte der Stadt Wien, die zeigen sollen, dass es auch anders geht. An diesen Stellen liest sich das Buch wie eine Presseaussendung.
Spannend wird "Schule schaffen" dort, wo Wiederkehr interne Entscheidungsprozesse kritisiert. Das Bildungsministerium sei der wohl "am weitesten von der Realität des österreichischen Bildungssystems entfernte Ort". Die Bildungsdirektion bezeichnet er als "größten strukturellen Problemfall im Bildungsföderalismus". Bund, Länder wie auch Gewerkschaft haben in der Behörde Mitspracherecht. Reformen würden oft blockiert oder aufgeschoben werden, Besetzungen erfolgten nach Parteibuch und nicht nach Kompetenz. Dass Heinrich Himmer, bis vor kurzem noch Wiener Bildungsdirektor, für die SPÖ bei der Nationalratswahl kandidiere, zeige "symptomatisch die starke parteipolitische Schlagseite der Bildungsdirektionen auf".
Im letzten Teil präsentiert der Wiener Bildungsstadtrat seine Lösungsvorschläge: mehr Schulautonomie, weniger Kompetenzen für die Länder. Projektbezogenes Lernen statt Fächerunterricht. Das ist alles nicht neu. Und Wiederkehr hat als Stadtrat nicht die Kompetenzen, daran etwas zu ändern. Vielleicht können die Neos die Probleme nach der Wahl im September angehen. Denn bisher seien Reformen gescheitert, weil ÖVP und SPÖ sich "mit ihren ideologisch getriebenen Scheindebatten im Bildungsbereich gekonnt im Weg" standen.