

Mit dabei im Maschinenraum österreichischer Politik
Meinrad Knapp in FALTER 48/2024 vom 29.11.2024 (S. 21)
Fünfzig Tage nach der Nationalratswahl stecken ÖVP, SPÖ und die Neos in Regierungsverhandlungen. Und Politikexperte Thomas Hofer und Falter-Journalistin Barbara Tóth präsentieren ihr Buch zur Wahl am 29. September. In Zeiten von Echokammern, Filterblasen und zunehmender Diskursverweigerung ist es schön, zu sehen, wenn das gesamte Spektrum der politischen Landschaft dabei vorkommt. Von KPÖ-Spitzenkandidat Tobias Schweiger über ÖVP-Wahlkampfmanager Bernhard Ebner bis hin zu FPÖ-Wahlkampfleiter Michael Schnedlitz - die Welt des Wahlkampfs ist nicht schwarz-weiß, sondern bunt. Und das ist auch gut so.
In Hofers Analyse "Die blaue Wand" ist für jede Gemütslage etwas dabei -zum Staunen, zum Schmunzeln, zum Kopfschütteln und zum Augenbrauenheben. Hofer gibt einen fundierten Einblick in den Maschinenraum, wir erfahren, was sich die FPÖ von Barack Obama abgeschaut hat und wie die ÖVP, in der Ära Kurz noch Superwahlkämpfer, 400.000 Datensätze von Menschen, die man persönlich anschreiben kann, einfach gelöscht hat. Ob die wieder auftauchen, sollte Kurz doch irgendwann ein Politcomeback feiern? Wetten werden angenommen.
Seitenblicke-Erlass Wir staunen über Herbert Kickls "Seitenblicke-Erlass". Seine Ansage war klar: Raus aus den Society-Seiten. Dazu gehörte quasi auch ein Betretungsverbot für den Nobelitaliener Fabios in der Wiener Innenstadt, den H.-C. Strache einst noch zu schätzen wusste. Die FPÖ-Story sollte glaubhaft sein: Wir gegen "die da oben". Und wer hätte jemals Andreas Babler mit John Lennon verglichen? Aber wir erfahren, dass Karin Blum - Ehefrau und enge Beraterin des SPÖ-Spitzenkandidaten Babler -intern Yoko Ono genannt wird. Von einem "Bedin" wird nichts berichtet, vielleicht kommt das ja noch, aber "Imagine" passt auch - Babler hat sich sicher ein besseres Wahlergebnis vorgestellt.
Was Kanzlergattin Katharina Nehammer damit genau gemeint hat, dass sie nach der für die ÖVP überraschend positiven EU-Wahl plötzlich einem neuen Mann beim Frühstück gegenübersaß, darüber schweigt Thomas Hofer. Ja, ja, der Quellenschutz.
Skandal-Fatigue Barbara Tóths Beitrag hat mich besorgt gemacht. Sie berichtet über die "Skandal-Fatigue". Die haben wir recht eindrücklich bei Trump in den USA und auch jetzt wieder bei der Landtagswahl in der Steiermark gesehen. Skandale verfangen nicht mehr. Und diese Skandalmüdigkeit merkt man schnell beim Lesen des Beitrags. Bei vielen der von Tóth aufgezählten Skandale der jüngeren Vergangenheit ertappt man sich dabei, dass man manche auch schon wieder vergessen hat.
Peter Hajek, Alexandra Siegl und Peter Ulram dokumentieren sehr eindrücklich den Weg der FPÖ zur Volkspartei, die mittlerweile Wähler aus ganz unterschiedlichen demografischen Schichten für sich gewinnen kann. Bei den Jungen ist die FPÖ klar die Nummer eins, bei den Pensionisten konnte die FPÖ zur SPÖ aufschließen.
Eine spannende Einschätzung liefern Sandra Breiteneder und Klaus Seltenheim. Nach dem Excel-Gate in der SPÖ, den ewigen Streitereien und Zurufen aus dem Burgenland meinen die beiden SPÖler: "Eine uniforme Partei kann genauso wenig erfolgreich sein wie eine heillos zerstrittene." Vielleicht sollte es die SPÖ trotzdem versuchen, es könnte ihr unter Umständen helfen.