

Auf der Suche nach dem idealen Schulsystem
in FALTER 16/2023 vom 21.04.2023 (S. 19)
Wenn Karl Heinz Gruber, international renommierter Erziehungswissenschaftler, anlässlich seines 80. Geburtstags eine kleine Autobiografie verfasst, so ahnt man gleich, dass sich diese nicht auf seinen Werdegang beschränken wird.
Karl Heinz Gruber, und dazu bekennt er sich durchaus, hatte immer auch eine politische Agenda. Dafür ist er in Österreich außerhalb der akademischen Welt ebenfalls bekannt und geschätzt. "Vergnügte Wissenschaft" titelt er sein Buch. Vergnüglich liest es sich.
Karl Heinz Gruber, Jahrgang 1942, stammt aus einer oberösterreichischen Arbeiterfamilie. Sein Vater war Papiermacher in einer Fabrik und musste noch als Zwölfjähriger die Schule verlassen, um als Knecht zu arbeiten. Karl Heinz war ein sehr guter Schüler. Allem voran nennt er seinen Englischlehrer an der Hauptschule als "das größte Glück meiner gesamten Bildungskarriere". Dieser empfahl Grubers Eltern den Übertritt an die zur Matura führende Lehrerbildungsanstalt. So kam es also, dass er zum Pflichtschullehrer ausgebildet wurde.
Ein Fulbright-Stipendium in Minnesota sollte schließlich eine Wende in seiner weiteren beruflichen Laufbahn darstellen, denn nach seiner Rückkehr entschloss er sich zu studieren und inskribierte an der Universität Wien Pädagogik, Soziologie und Völkerkunde. Schon im zweiten Semester wurde er am Pädagogischen Institut angestellt, seine Dissertation verfasste er über die schwedische Schulreform 1962, seine Habilitation über Vergleichende Erziehungswissenschaft, seinen Forschungsschwerpunkt.
Seine beruflichen Stationen spiegeln den internationalen Fokus wider. 1986 wurde er zum Ordinarius für Vergleichende Erziehungswissenschaft an der Universität Wien berufen und öffnete uns so erstmals den Blick über die österreichischen Grenzen hinweg. Prägend waren dann für ihn die Jahre am St. John's College in Oxford sowie seine wissenschaftliche Tätigkeit bei der OECD in Paris. Eine Gastprofessur an der Universität von Hiroshima eröffnete ihm die Möglichkeit, das japanische Schulsystem an der Basis zu erforschen.
Als Leitmotiv seiner wissenschaftlichen Arbeit nennt K. H. Gruber die Frage: Wo gelingt schulisches Lernen erfolgreicher, befriedigender, besser und glücklicher? Es sei ihm nicht möglich, einem bestimmten Schulsystem das Prädikat "bestes der Welt" zu verleihen, doch gebe es eine Reihe von best practices, die es hervorzuheben lohnt.
Das wäre etwa die École maternelle, die französische Vorschule, oder die kindzentrierte, offene Infant School in England für die Fünf-bis Siebenjährigen. Für die Grundschule könnte Japan Vorbild sein, wo sich Lehrer persönlich für jedes Kind verantwortlich fühlen und jedes Kind ein Musikinstrument lernt. Bis vor wenigen Jahren wäre die schwedische Mittelstufe Vorbild gewesen, doch durch die Privatisierung des Schulsystems ist viel Qualität verlorengegangen. Finnland wird stattdessen als best practice genannt.
Das Internationale Baccalaureat sieht er für die Oberstufe als vorbildlich an. Es wäre nicht K. H. Gruber, wenn er nicht hinzufügte, dieser internationale Schulvergleich sei "nicht (ganz) ernst gemeint".
Was dieser erfahrene Forscher uns zu sagen hat, ist selbstverständlich sehr ernst zu nehmen. Seit Jahren setzt er sich in Österreich für eine andere, zeitgemäße Schule ein, die selbstverständlich eine gemeinsame ist. Warum eine Schulreform in Österreich so wichtig wäre, erschließt sich bei der Lektüre dieses "pädagogischen Selbstversuchs" wie von selbst.