

Als Interviews noch beim Fischen entstanden
Tessa Szyszkowitz in FALTER 26/2025 vom 25.06.2025 (S. 18)
Das waren noch Zeiten, als Wladimir Putin einer österreichischen Wirtschaftsdelegation im Scherz anbot: "Wollen Sie Lemberg? Lemberg können Sie haben." Damals hatte der russische Präsident einen Teil der Ukraine, die Halbinsel Krim, schon annektiert. Die Delegation aus Wien lehnte höflich ab, das stellt der ehemalige Moskau-Korrespondent Georg Dox klar.
Ein Jahrzehnt später hat Putin seine Position gefestigt. Seine imperialistischen Bestrebungen haben zwar weder ihm noch Österreich Lemberg eingetragen.
Aber die Ukraine leidet seit drei Jahren unter dem von Putin begonnenen Invasionskrieg. Putins imperialistischer Anspruch leite sich aus den Traditionen des zaristischen Russland her. Dox schreibt: Russland habe sich "einen Freibrief für jeden Willkürakt ausgestellt".
Wie Dox sind auch einige andere der Autorinnen und Autoren dieses Bandes schon seit längerer Zeit nicht mehr für den ORF tätig. Das gibt dem Band einen leicht nostalgischen Touch. Eine Autorin, Mathilde Schwabeneder-Hain, ist überraschend im März verstorben. Der Text der ehemaligen Rom-Korrespondentin, die in ihrer Arbeit oft den Schwerpunkt auf Menschenrechte, Flucht und humanitäre Hilfe legte, bleibt ob seiner Behutsamkeit in Erinnerung, sie schreibt über den steigenden Antisemitismus in Italien nach dem 7. Oktober.
Ganz anders der Text von Afrika-Expertin Margit Maximilian, die - allein dank ihres großen Einsatzgebietes -versucht, in dichten Sätzen all ihren Erlebnissen gerecht zu werden. Maximilian war bis 2020 in der ORF-Auslandsredaktion, seitdem arbeitet sie frei. Sie beklagt, wie wenig sich Medien um die Katastrophe im Sudan kümmern und dass viele ihrer Gesprächspartner die europäische "Heuchelei und Doppelmoral" satt haben. Sie beschreibt, wie enorm gefährlich ihre Reisen teilweise waren: "Wollen die mich als Geisel nehmen?"
Weniger gefährlich lebte die ehemalige Osteuropa-Korrespondentin Joana Radzyner, die "Fischen mit Lech Wałęsa" ging, weil sie sonst kein Interview mit ihm bekommen hätte. Sie schreibt im Postskriptum: "Das ORF-Korrespondentenbüro Warschau wurde Ende 2009 geschlossen."
Die Herausgeber Alexander Steinbach und Alfred Schwarz -auch ehemalige ORF-Mitarbeiter - haben mit diesem Buch eindeutig eine Botschaft. Im Vorwort weist Standard-Kolumnist Hans Rauscher darauf hin, "wie wertvoll ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk in Österreich ist, der seine Aufgabe darin sieht, über den Schrebergartenzaun eines kleinen mitteleuropäischen Landes hinauszusehen". Fürwahr.
Einige der Autorinnen und Autoren haben nach ihrer Zeit beim ORF noch weitere Karrieren gestartet. Raimund Löw erfand und gestaltet den Podcast FALTER Radio. In seinem Beitrag widmet er sich der Geopolitik und Europa - immerhin war Löw nicht nur in Moskau und Washington ORF-Korrespondent, sondern auch in Brüssel und Peking. Trotz oder gerade wegen der Feindseligkeit, mit der die EU heutzutage von Moskau und von Washington behandelt wird, ist es den Europäern bewusster geworden, dass "der geschaffene Zusammenhalt wert ist, verteidigt zu werden".
Die frühere Moskau-Korrespondentin Susanne Scholl hält sich nicht mit Erinnerungen auf. Sie engagiert sich seit Jahren bei "Omas gegen Rechts". Ihr Schlussbeitrag ist ein Aufruf: "Um ja nicht auf ein bisschen Bequemlichkeit verzichten zu müssen, wird der Klimawandel einfach ignoriert." Sie fragt: Wollen wir, dass der derzeitige Rechtsruck Europas Kultur und seine Chancen erdrückt?"Wohl kaum."