

Wo die wilden Bäder warten
Nathalie Grossschädl in Falter 21/2025 vom 2025-05-21 (S. 36)
Wenn Fische an den Zehen knabbern, Chlorgeruch und Badeschluss nicht existieren -dann badet man höchstwahrscheinlich gerade mitten in der Natur. Den Trend zum Wildbaden beflügelt hat die Pandemie, als viele Menschen gezwungenermaßen ihren Urlaub in Österreich verbrachten und der Schwimmbadeinlass wegen der geltenden Abstandsregeln beschränkt war.
Den Sprung ins -meist - kalte Wasser muss man mögen. Toiletten mitten in der Natur sind allerdings auch nur selten zu finden. Die wichtigste Grundregel beim Wildbaden ist übrigens zugleich die einfachste: "Nie leichtsinnig werden!"
Meine Schwester Marion und ich haben uns für unser neues Buch auf Entdeckungsreise quer durch Österreich begeben und die schönsten Badeorte in der Natur ausgekundschaftet. Der Band enthält 110 Badestellen an 50 Wildbadeplätzen.
Wir haben einige ausgewählt, die uns besonders am Herzen liegen und von Wien aus auch öffentlich gut erreichbar sind.
Erlaufschlucht Die Erlaufschlucht ist auch als Praterschlucht bekannt. Die Bezeichnung geht auf Kaiser Franz II. zurück. Er soll zum Schlossherrn von Purgstall, Graf Wolf August von Auersperg, einst gesagt haben: "Hier ist es gerade so schön wie bei mir im Prater."
Der beste Einstieg in die Schlucht ist beim Bowlingcenter Purgstall. Vom Parkplatz geht es nur ein paar Meter zum Fischersteig und los mit der Schluchtenwanderung. Links vom Fluss spazieren wir mit gutem Schuhwerk rund 1,5 Kilometer dem Wasser entlang. Prater heißt auch der Wald links und rechts der normalerweise gemächlich dahinfließenden Erlauf, die Schlucht hat etwas von einem Dschungel. Alle Facetten von Grün sind in die Landschaft hineingepinselt.
Die naturbelassene, wild zerklüftete Klamm gilt seit 1972 als Naturdenkmal und liegt im Natura-2000-Gebiet. Auf der 1,5 Kilometer langen Strecke klettert man bergauf und bergab, vorbei an Höhlen und halb umgestürzten Bäumen, deren mächtige Wurzeln aus dem Boden ragen. Das Wasser bleibt auch im Sommer angenehm kühl und überschreitet die 17-Grad-Marke nicht.
An einem Seil, das an einem ins Wasser ragenden Baumstamm befestigt ist, schwingt sich so manch Mutiger Richtung Mitte des Flusses und lässt sich ins Wasser fallen. Das Seil hängt in der Nähe der Brücke der Liebe, wo Verliebte Schlösser anbringen. Nicht nur bei Romantikern, auch bei Fliegenfischern ist die Erlauf beliebt. Sie stehen oft bis zur Körpermitte im Wasser und hoffen auf Forellen und Äschen.
Am Ende der Schlucht befand sich im Ersten Weltkrieg das größte Kriegsgefangenenlager der k. u. k. Monarchie; Egon Schiele arbeitete hier als Offiziersschreiber. Begeistert von der Gegend malte er eines seiner wohl bekanntesten Landschaftsbilder: die "Zerfallende Mühle". Reste des Gebäudes sind in der Erlaufschlucht noch immer zu sehen. Dort erinnert die Station "Weg des Friedens" des Themenwegs an den berühmten Maler. Auf der anderen Seite der Schlucht kann man den Rundweg wieder retour marschieren -und erhascht mit etwas Glück einen Blick auf die größte Libelle Europas, die Quelljungfernart Cordulegaster heros. Die stark gefährdete Art ist hier noch heimisch.
3251 Purgstall an der Erlauf, Erlauftalstraße 44; öffentlich: Zug nach Purgstall, 1 km Fußweg
Badeteich Dürnrohr Kann ein "Bagger" richtig schön sein? Der Badeteich Dürnrohr in Zwentendorf zeigt vor, wie es geht. Das türkis-blaue Wasser der gemeindeeigenen Schottergrube bietet Platz für alle. Die Schwimmer teilen sich den Teich mit den Fischern des SV Zwentendorf, Stand-up-Paddeln ist auch erlaubt. Nur Hunde sind verboten. Dürnrohr ist bei "Locals" sehr beliebt, aber niemals wirklich überfüllt.
Auf der Liegewiese lässt es sich stilvoll faulenzen: Holzbetten und Liegestühle direkt am Wasser erfreuen den frühen Vogel, der sie sofort in Beschlag nimmt. Urlaubsgefühle werden frei Haus mitgeliefert.
Wer nicht still sitzen will, kann den 33 Kilometer langen keltischen Baumkreisweg beschreiten oder mit dem Rad befahren. Er verbindet elf Orte in Zwentendorf und besteht aus 21 unterschiedlichen Baumarten.
3435 Zwentendorf, Dürnrohrer Hauptstraße; öffentlich: S 40 nach Trasdorf, 15 Min. Fußweg zum Badeteich; REX4 nach Tulln, dann Regionalbus 444
Ybbsnaturbad Kematen Das wildromantische, naturnahe Flussbad liegt im Staubereich oberhalb des neuen EVN-Kraftwerkes "Dorfmühle" im Natura-2000-Schutzgebiet. Highlights der weitläufigen Anlage sind der vom Land Niederösterreich prämierte Wasserspielplatz und eine mechanische Floßfähre über den Fluss. Sie verbindet die Gemeinden Kematen und Allhartsberg. Mit Muskelkraft kurbelt man die Seilfähre von einem Ufer zum anderen. Die Fahrt dauert rund drei Minuten, auf dem Floß ist genügend Platz, um Radfahrer und Hunde mitzunehmen. Grillen, Feuermachen und Vierbeiner sind jedoch auf der Badewiese verboten, wie gut sichtbar auf Tafeln vermerkt ist.
Ebenso wenig erlaubt sind Sprünge von den Stegen, das Wasser ist hier nur zwei Meter tief. Das Flussbad ist trotzdem ein riesiger Abenteuerspielplatz. In einem abgetrennten, seichten Bereich planschen fröhlich kleine Kinder. In einem der zwei Holzhäuser betreibt die Gemeinde ein Badebuffet, das bei Schönwetter am Wochenende und in den Ferien täglich von 11 bis 18 Uhr geöffnet hat. Hier werden auch Stand-up-Paddles verliehen.
Im zweiten Haus sind die sanitären Einrichtungen und die Umkleiden untergebracht. Bänke zum gemütlicheren Tratschen und ein Beachvolleyballplatz zum Sporteln stehen ebenfalls zur Verfügung.
Kematen an der Ybbs; öffentlich: R58 bis Kröllendorf BH, Regionalbus 645 zw. Waidhofen und Amstetten
Naturbad Allhartsberg Wer vom Ybbsnaturbad Kematen genug hat, muss nur den Fluss überqueren. Per Floßfähre geht das ganz einfach. Sie führt nicht nur in die nächste Gemeinde, sondern auch gleich zum nächsten paradiesischen Flussbad. Ein kurzer Fußmarsch durch den Wald bergauf, bergab -und schon ist man an einem weiteren ehemaligen Altarm der Ybbs, der bis zu drei Meter tief ist. Als wir Ende Juni dem Naturbad einen Besuch abstatteten, waren wir von Wiesen umgeben und hörten aus der Ferne den Ruf eines Pfaus.
Die Sorgen scheinen im Wasser der Ybbs förmlich davonzuschwimmen. Entspannte Erwachsene, fröhliche Kinder. Die Besucher sonnten sich auf dem Wiesenstreifen oder in den bereitgestellten Liegestühlen. Ein paar bequeme Hängematten standen auch zum Entspannen bereit. Am Wochenende betreibt der Verein KuNa ein Buffet, das hier in einem modernen Holzbau untergebracht ist.