

Der verwöhnte Mops als Lebensprinzip
Benedikt Narodoslawsky in FALTER 11/2014 vom 14.03.2014 (S. 46)
Essays: Der Grazer Philosoph Peter Strasser vermag mit seinem Potpourri aus Alltagsminiaturen nicht zu überzeugen
Zu Beginn drei Definitionen, um in Peter Strassers schmalem Büchlein nichts durcheinanderzubringen: Ein Mops ist ein kleiner Hund mit Hängeohren, Glubschaugen und eingedrückter Schnauze. Ein Rollmops ist ein zusammengerollter, marinierter Hering mit Gurke und Zwiebel. Und ein Vollmops ist eine Wortkreation des steirischen Publizisten Strasser, die er vor wenigen Jahren für seinen Hund Paul erfunden hat.
Ein Tier, das wegen übermäßigen Stuhlgangs von einem übelmeinenden Hundewiesenbesucher dafür gescholten wird, das ganze Land vollzumachen. Ein langmütiges Wesen mit "philosophischem Naturell", das die ganze Zeit schlagobersgegupfte Sachertörtchen frisst und von seinem Herrchen äußerln getragen wird. Wenn es eine Klammer in Strassers neuem Buch gibt, dann ist es Vollmops Paul.
In einer getriebenen Welt, in der alles immer schneller gehen muss, Wachstum und Maßlosigkeit zur Maxime geworden sind, erkennt Strasser das Glück im unspektakulären Alltag. Am Beispiel von Vollmops Paul heißt das eben: Törtchen fressen, getragen werden, Streicheleinheiten kassieren und den ganzen Tag über in die Luft schauen. Das "Prinzip Hoffnung" ist dem "Prinzip Vollmops" gewichen. "Immer wieder dasselbe und am besten nichts Neues", lautet das Mantra, das den österreichischen Weg zur Erleuchtung vorgibt – die Weisheit des Austrobuddhismus.
Strasser, im Hauptberuf Philosophieprofessor an der Grazer Universität, hat für sein Buch Texte zusammengetragen, die er in den vergangenen Jahren in der Tageszeitung Die Presse veröffentlicht hat. Vom Keksebacken zu Hause über die politische Frage der Studienzugangsbeschränkungen oder die korrekte Schreibweise des heiligen Geistes bis hin zum Scheitern der Society-Lady Jeannine Schiller in der ORF-Show "Dancing Stars" – Strasser hat allerlei zwischen die Buchdeckel gepackt, was ihn in den vergangenen Jahren beschäftigt hat.
Entstanden ist ein Potpourri aus Alltagsminiaturen, inspiriert durch Busfahrten, Vorlesungssäle, Büros oder schlicht den Fernseher zu Hause, stets betrachtet durch die Brille des Philosophen. Da trifft die österreichische Hip-Hop-Truppe Trackshittaz mit ihrem eher hirnlosen Songcontestlied "Woki mit deim Popo" auf den griechischen Denker Herakleitos von Ephesos (Panta rhei – alles fließt), da wird der Bogen von der Existenzfrage Gottes bis hin zur Kronen Zeitung und ihren Lesern gespannt.
Der "bescheidene pragmatisierte Philosoph" Strasser geht mit einer prallen Portion Selbstironie ans Werk und scheut sich gleichzeitig nicht davor, gesellschaftspolitisch ernste Themen anzupacken.
Wenn er von der Politik einen besseren Umgang mit Bettlern und Asylwerbern einmahnt, dann blinkt dem Leser zwischen den Zeilen ein großes "Empört euch!" entgegen.
So ehrlich er sich mit den Schwächsten der Gesellschaft solidarisiert, so leidenschaftlich zieht er über die Unterschicht her. Der trötende Fußballfan, der in Caorle urlaubende Prolet, der Kulturbanause, der mit Haneke-Filmen nichts anfangen kann und sich lieber Komödien anschaut – sie stehen stellvertretend für das einfache Volk, über das sich Strasser lustig macht.
Die Einfältigen sind in den Miniaturen leicht zu identifizieren, sie sprechen in Mundart. Strasser hingegen pflegt die Sprache der Intellektuellen selbst bei billigen Pointen. Wenn der Vollmops Paul etwa einen Beamten durch einen Furz irritiert, liest sich das so: "Dass mein Paul, der aufs Ärgste inkommodiert ist, sich augenblicks seiner Flatulenz entledigt – eine aufgrund des üppigen Verzehrs von Sachertörtchen, und zwar denen mit den lustigen Schlagobersöhrchen, leicht zu provozierende Geruchssensation –, stoppt die Amtshandlung des Ex-Postlers."
Der Ex-Postler, der zur Polizei verschoben wurde, steht exemplarisch für Strassers Sammlung. Es sind ehemals aktuelle Aufreger und Debatten, die vor Jahren die Medienseiten füllten, aber heute keine Rolle mehr spielen und im Gedächtnis schon fast verblasst sind.
Wenn Strasser etwa die Tochter des Volkskanzlers ins Spiel bringt, die das französischsprachige Gymnasium besucht, so handelt es sich dabei noch um die Tochter Alfred Gusenbauers. Im besten Fall ist das eine Auffrischung von Randnotizen der Geschichte. Im schlechtesten lässt sie den Leser ratlos und verwirrt zurück.
Was einst humorig gewesen sein mag, ist es heute nur noch in den seltensten Fällen. Strassers Prinzip Vollmops "Immer wieder dasselbe und am besten nichts Neues" bewährt sich nicht. Zumindest in seinem Buch hätte man sich mehr Neues erwartet.